Geflügelzüchter fürchten sich vor der Grippesaison

8.9.2017, 06:09 Uhr
Ab Mitte November 2016 mussten tausende Hühner im Stall bleiben - zum Schutz vor der Vogelgrippe. Den Geflügelzüchtern hat das gar nicht gefallen.

© Stefan Hippel Ab Mitte November 2016 mussten tausende Hühner im Stall bleiben - zum Schutz vor der Vogelgrippe. Den Geflügelzüchtern hat das gar nicht gefallen.

Die Tage werden kürzer, die Sonne versteckt sich immer öfter hinter den Wolken, die Temperaturen fallen in den Keller. Die Zeichen des Herbstes sind unübersehbar. Mit der dunklen Jahreszeit und dem schlechten Wetter häufen sich auch wieder die Krankheiten – bei Mensch und Tier. Im vergangenen Herbst sorgte H5N8 für Aufregung. Das Kürzel steht für eine Art der Vogelgrippe, ein aggressives Virus, das die gefiederten Tiere darnieder rafft.

Auch die Mitglieder des Treuchtlinger Geflügelzuchtvereins haben das Virus noch in ganz schlechter Erinnerung. Nicht etwa, weil es ihre Tiere befallen hat. Sondern weil die Krankheit eine Welle an Maßnahmen ausgelöst hat, die sie nur schwer ertragen konnten. Bei einem Diskussionsabend haben sie auf den vergangenen Herbst zurückgeblickt.

Allgemeine Ausgangssperre

Mitte November 2016, die Vogelgrippe-Fälle im Freistaat häuften sich, ordnete das bayerische Umweltministerium eine allgemeine Stallpflicht an. Sie galt sowohl für gewerbsmäßige Geflügelhalter als auch für Züchter und Privatpersonen, die Geflügel halten.

Dass die Stallpflicht in Bayern ausnahmslos für alle Geflügelhalter galt, ärgert die Züchter. Sie legen Zahlen einer Interessengemeinschaft vor. Demnach gebe es in Deutschland etwa 180.000 private Geflügelbetriebe und gut 8000 Gewerbliche. In der vergangenen Grippesaison habe es bei den privaten Haltern nur elf Krankheitsausbrüche gegeben, bei den Gewerblichen 25.

Schlecht für Freilandhaltung

"Dabei arbeiten die ganzen Großbetriebe doch schon mit diversen Hygienemaßnahmen und bekommen solche Ausbrüche trotzdem nicht auf die Reihe", sagt Zuchtwart Siegfried Holert. Nicht die Wildvögel brächten die Krankheit in die Mastbetriebe, sondern sie entwickele sich dort. Die Tierfreunde sehen deshalb auch die Verbraucher in der Pflicht. Billiges Fleisch und billige Eier können auf Dauer nicht gut sein. "Wer zehn Eier für 99 Cent kauft, muss mit solchen massiven Krankheitsausbrüchen leben", so Holert.

Leidtragende der Stallpflicht seien also die kleinen Geflügelhalter mit Freilandbetrieben. Die bekommen nämlich ihre Ware nicht mehr los. So wurden im vergangenen Jahr Eier aus Freiland- oder Bio-Haltung knapp, weil eine solche nicht mehr möglich war. Auch mussten einige Halter ihre Weihnachtsgänse bereits Ende November schlachten, weil ihre Ställe nicht groß genug waren für alle Tiere. "Freilandhaltung ist ein Muss, man kann die Tiere nicht dauerhaft in Ställen halten", sagt Holert.

Über 1000 Tiere leben in den 13 Zuchtanlagen am Espan, einige Mitglieder des Vereins besitzen noch Ställe daheim auf ihren Grundstücken. Die Behausungen sind eigentlich nur für die Nacht gedacht, um Schutz vor Raubtieren zu bieten – und nicht für die monatelange Unterbringung.

Die Geflügelzüchter fordern, dass die Kontrolle von Seuchen wieder mehr auf den Einzelfall zugeschnitten wird. "Wir sehen ja, wenn es unseren Tieren schlecht geht", sagt Holert. Eine pauschale landesweite Stallpflicht bringe nichts.

Unabhängigkeit bezweifelt

In Deutschland ist das Friedrich-Löffler-Institut auf der kleinen Insel Riems bei Rügen federführend für den Nachweis von Infektionskrankheiten und Tierseuchen wie der Vogelgrippe. Das Institut ist direkt dem Bundeslandwirtschaftsministerium unterstellt. Doch die Geflügelzüchter zweifeln an der Unabhängigkeit der Einrichtung.

So stört die Züchter etwa der Förderverein des Instituts, der die Organisation bei der Erforschung der Tiergesundheit unterstützt. Dem Verein gehören 140 Mitglieder an, darunter 25 Firmen und Verbände. Mit dabei sind namhafte Hersteller von Tierarzneimitteln und Impfstoffen.

Als Gegengewicht zur Bundesbehörde führen die Geflügelzüchter das Wissenschaftsforum Aviäre Influenza (WAI) an. Dabei handelt es sich um ein nach eigenen Angaben politisch wie auch wirtschaftlich unabhängiges Forum, das sich um Aufklärung in Sachen Geflügelpest bemüht. Es wirft der zuständigen Fachbehörde vor, dass sie "mit ihren Desinformationen sowohl Öffentlichkeit als auch Politik falsch berät und nicht der tatsächlichen Situation angemessen mit der Seuche umgeht."

So wurden im vergangenen Jahr zunächst infizierte Wildvögel gefunden, die an dem Virus verendet sind. Eine zent­rale Rolle spielen die nach Angaben des WAI aber nicht. "Vielmehr zeigen sich Zusammenhänge mit betrieblichen Abläufen in der Geflügelwirtschaft", heißt es in einem Informationsschreiben.

Das WAI vermutet, dass das Virus im vergangenen Jahr durch den interkontinentalen Geflügelhandel nach Europa eingeschleppt worden ist. In manchen Gegenden seien hunderttausende Tiere auf Verdacht gekeult worden, um ein Ausbreiten der Krankheit zu verhindern.

Soweit kam es in Altmühlfranken nicht, dennoch haben einige Treuchtlinger Züchter den Umgang der Behörden mit ihnen in schlechter Erinnerung. "Ich wollte einen Antrag stellen, um von der Stallpflicht befreit zu werden. Doch das Amt hat gleich gesagt, dass es keine Anträge geben werde", erinnert sich Züchterin Michaela Stettinger.  

Durch Zufall verschont

Amtstierarzt Christian Lechner hat das anders in Erinnerung. Während der allgemeinen Stallpflicht habe es nur einen Antrag auf Befreiung gegeben, und der sei relativ spät gestellt worden. „Damals war schon absehbar, dass die Stallpflicht im ganzen Land aufgehoben wird. Deshalb wurde der Antrag abgelehnt.“

Letztlich blieb der Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen von der Vogelgrippe verschont. Nur ein Wildvogel wurde am Brombachsee bei einer ersten Probe positiv auf das Virus getestet. Das Ergebnis bestätigte sich bei einem Zweittest allerdings nicht. Lechner verteidigt das restriktive Verhalten der Landesbehörden: "Es war nur Zufall, dass nichts passiert ist. Immerhin war der Landkreis ja vom Virus umgeben."

Wäre das Virus in einem Hausgeflügelbestand zum Ausbruch gekommen, hätte dies europaweite Sperren zur Folge gehabt. Nur durch die Stallpflicht habe man die Ansteckungsgefahr gering halten können, so Lechner.

Bürgermeister Klaus Fackler, der bei der Diskussion zu Gast war, hält die hohen Standards für wichtig, allerdings findet er, dass die Verhältnismäßigkeit bei der Umsetzung nicht immer gewahrt ist. Er macht ein Problem dafür verantwortlich: "Die Öffentlichkeit ist nicht mehr bereit, dass jemand Fehler macht."

Nun steht also bald wieder der Winter an. Die Geflügelzüchter befürchten, dass wieder rechtzeitig vor Weihnachten die Schreckensmeldungen kommen und ihnen eine Stallpflicht droht. Oder im schlimmsten Fall die Keulung ganzer Bestände. "Durch so ein amtliches Handeln kann eine ganze Tierrasse unwiderruflich aussterben", sagt Zuchtwart Holert.

Vollzeit-Aufgabe

Die Geflügelzucht sei ein Hobby mit Herzblut, sagt Holert: "Wir sind 365 Tage im Jahr damit beschäftigt und nehmen hohe Kosten in Kauf." Auch er sieht ein, dass das Virus für seine Tiere gefährlich werden kann. Dennoch wünscht er sich ein bedächtigeres Vorgehen der Behörden, etwa gezielte Quarantänemaßnahmen statt einer generellen Stallpflicht. "Wenn ein Mensch die Grippe hat, kuriert er sich auch im Bett aus und es müssen nicht alle anderen daheim bleiben."

Nein, Angst vor dem Virus an sich haben die Geflügelzüchter nicht. Sondern davor, was die Ämter daraus machen. Die müssen sich hingegen schon für die nächste Tierseuche wappnen: Die afrikanische Schweinepest steht vor der Tür...

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