Geldwäschegesetz: Dorfverein soll zahlen

3.3.2021, 06:04 Uhr
Geldwäschegesetz: Dorfverein soll zahlen

© Archivfoto: Siegfried Stadelbauer

Als Anfang Februar ein Gebührenbescheid des "Bundesanzeiger Verlags" aus Köln über 13 Euro in seinem Briefkasten lag, vermutete Treuchtlingens dritter Bürgermeister Hubert Stanka dahinter zunächst "Rattenfänger, die für irgendein dubioses Werberegister Kohle abzocken wollen". Doch der "Bescheid über die Jahresgebühr für die Führung eines Transparenzregisters" war echt.

7,44 Euro sollte der Dietfurter Dorfverein, dessen Vorsitzender Stanka ist, rückwirkend für die Jahre 2017 bis 2019 bezahlen, weitere 5,57 Euro für 2020 – für den Eintrag in ein Register, von dem der Verein bis dato nicht einmal gehört hatte, und das diesen de facto in die Mithaftung für organisiertes Verbrechen nimmt. Widerspruch? Nicht zugelassen.

"Geldwäsche im gemeinnützigen Verein? Als wenn die Zeiten nicht schon schwer genug wären", schrieb Stanka als erste Reaktion auf seiner Facebook-Seite. Und er ist nicht der einzige, den der Gebührenbescheid äußerst irritiert. Auch die Karnevalsgesellschaft, der TSV Dietfurt und der Kindergarten-Förderverein haben gleichlautende Schreiben erhalten.

Sogar die Polizei war irritiert

Doris Birnthaler vom Verein für interkulturelle Begegnung "So fremd? So nah?" ging mit dem Brief gleich zur Polizei – die den Bescheid ebenfalls für eine "Fake-Abzocke" hielt und die Vereinschefin ermutigte: "Werfen Sie ihn weg. Das war gut, dass Sie nicht darauf reingefallen sind."

Woher sollten die Verantwortlichen also wissen, dass sie die Gebühr zu entrichten haben, und wie können sie sich dagegen wehren? Hintergrund des Bescheids sind das "Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten" (Geldwäschegesetz) und das damit seit 2017 verbundene zentrale Transparenzregister. "Die Eintragung ist kostenlos", steht groß auf der entsprechenden Internetseite des Bundesverwaltungsamts.

Erst wer die dazugehörige "Transparenzregistergebührenverordnung" liest oder bis auf Seite 41 des 42-seitigen Gesetzestextes blättert, erfährt von den Gebühren und der Möglichkeit, sich als gemeinnütziger Verein befreien zu lassen – allerdings nicht rückwirkend. Für die Jahre 2017 bis 2020 müssen die Betroffenen also zahlen, obwohl ihnen nicht einmal ein Bescheid vorlag. So viel zum Thema Transparenz. . .

"Die Säulen der Gesellschaft"

Von der undurchsichtigen Umsetzung abgesehen ärgert Stanka der Fall aber auch grundsätzlich. "Vereine wie der unsere sind meiner Meinung nach die Säulen der Gesellschaft. Wir sind selbstlos ehrenamtlich tätig und (...) halten in unserer sich entfremdenden Gesellschaft zusammen, was noch geht", schreibt der stellvertretende Rathauschef weiter. "Dabei sind wir transparent wie Gebirgsluft. Einmal im Jahr halten wir eine öffentliche Versammlung ab, bei der jedem erklärt wird, was wir tun und welche Gelder wir wie einnehmen und ausgeben."


Datenleck enthüllt Schwächen bei Geldwäsche-Bekämpfung


Er sei deshalb "der Meinung, dass die Gesellschaft eher uns etwas schuldet, als dass wir für den Eintrag in irgendein Register zahlen sollten", so Stanka. "Wenn uns nun auch noch unsere eigene Verwaltung den Krieg erklärt und uns unterschwellig Geldwäsche unterstellt, dann mache ich mir wirklich Sorgen. (...) So lange ganze Heerscharen von Aufsichtsbehörden und professionellen Controllern einen Wirecard-Skandal zulassen, Milliarden über Cum-Ex jahrelang in Milliardärs-Taschen wandern und Tausende von Lobbyisten in Berlin intransparent Gesetze diktieren oder beeinflussen, so lange zahlt unser kleiner Dorfverein nicht einen Cent für irgendeinen Eintrag im Transparenzregister. Da müsst Ihr uns schon den Gerichtsvollzieher schicken."

Statt auf letzteren zu warten, hat sich Stanka kurz darauf an den hiesigen Bundestagsgabgeordneten Artur Auernhammer (CSU) sowie am vergangenen Wochenende mit einem Offenen Brief an Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) gewandt. "Wir begrüßen ausdrücklich, dass in unserem Land etwas gegen Geldwäsche und Steuerflucht getan wird", schreibt er darin. Gegen ein Transparenzregister sei deshalb grundsätzlich auch nichts einzuwenden – wobei die Daten von Vereinen ohnehin bereits in den gerichtlichen Registern zugänglich seien.

Eigentlich eine staatliche Aufgabe?

"Wenn dafür allerdings rückwirkend für vier Jahre eine Gebühr erhoben wird, ohne den Eingetragenen mitzuteilen, dass sie in diesem Register geführt werden, mutet das zumindest seltsam an", kritisiert Stanka. Für Kopfschütteln sorge bei ihm und anderen Bürgern zudem, dass das Finanzministerium mit der Führung dieser überschlägig rund 600.000 Vereine umfassenden Datenbank einen privaten Verlag beauftragt habe – "ohne Ausschreibung im Rahmen einer Beleihung". Neben Zweifeln an der Rechtmäßigkeit dieser Vergabe frage er sich, "ob es bei solch einem wichtigen Thema nicht grundsätzlich die originäre Aufgabe des Staates wäre, solch ein Register zu führen".

Dazu kommt dem Brief zufolge, dass der Bundesanzeiger-Verlag mit Gewinnüberführungsverträgen die Umsätze aus der Führung des Registers verschleiere und "sich somit selbst intransparent macht". Ähnlich undurchsichtig seien die Bestimmungen zur Einsichtnahme.

"Verheerende Außenwirkung"

"Dem Ganzen setzt die Krone auf, dass der Geschäftsführer des beauftragten Verlags führendes Mitglied einer politischen Partei ist [gemeint ist der FDP-Politiker Matthias Schulenberg – Anm. d. Red.]. Es dürfte selbsterklärend sein, welch verheerende Außenwirkung die hier geschilderte Vorgehensweise beim Bürger und insbesondere bei Menschen hinterlässt, die sich selbst als Stütze der Gesellschaft empfinden und ehrenamtlich für die Allgemeinheit einsetzen", fasst Stanka zusammen. Er bitte eindringlich darum, "sich mit diesem Thema nochmals auseinanderzusetzen und das Transparenzregister selbst sowie dessen Führung transparent zu gestalten."

Die Antwort von Artur Auernhammer traf am Montagabend ein. Das Ehrenamt leiste "einen unverzichtbaren Beitrag für den Zusammenhalt in unseren Städten und Gemeinden", so der CSU-Wahlkreisabgeordnete. Es sei ihm deshalb "unverständlich, warum unsere Vereine mit dieser Gebühr zusätzlich finanziell belastet werden". Das Transparenzregister solle "natürliche Personen kenntlich machen, die hinter zum Teil stark verschachtelten Strukturen von juristischen Vereinigungen und Rechtsgestaltungen stehen", um auf diese Weise Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu verhindern.

Zur Finanzierung des Registers würden "alle Vereinigungen herangezogen, über die dort Informationen erhältlich sind", so Auernhammer. Er freue sich aber darüber, dass gemeinnützige Vereine "wenigstens zukünftig von diesen Gebühren befreit werden können".

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