Grzega: "Die Krise ist längst nicht vorüber“

7.10.2010, 08:01 Uhr
Grzega:

© Hedwig

Für den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Sparda Bank München, Vorstandsvorsitzenden des Institutes für gemeinwohlorientierte Politikberatung in Bonn sowie Mitglied im Bundessenat des Bundesverbandes für Wirtschaftsförderung und Außenwirtschaft (BWA) ist die Krise noch lang nicht vorüber. Neue Finanzblasen seien bereits wieder im Entstehen. Zudem sind in seinen Augen die Konsequenzen aus dem Finanzdebakel nicht gezogen und die Weichen für die Zukunft nicht bzw. falsch gestellt.

Grzega betrachtet die nähere Zukunft mit einiger Skepsis. So sieht er in den aktuellen Ereignissen rund um den Euro, die für ihn klar aus der weltweiten Finanzkrise resultieren, am Horizont statt der weithin befürchteten Inflation eher eine mindestens ebenso riskante Deflation heraufziehen. Entwicklungen wie die Ausweitung des Billiglohnsektors, der zunehmende Missbrauch der Zeitarbeit durch viele Unternehmer als Allheilmittel gegen Konjunkturschwankungen, der tendenzielle Rückgang sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse und die wachsende Zahl von Mini-Jobs sind für ihn klare Indikatoren dafür, dass künftig mit einem weiteren Verlust an Massenkaufkraft und einer Stagnation der Binnenwirtschaft zu rechnen ist.

„Entwicklungen, die nicht allein für Deutschland zutreffen, sondern in unterschiedlicher Ausprägung für den Euro-Raum.“ Grzega sieht den Euro daher ernsthaft in Gefahr, was in seinen Augen zusätzlich einigen entscheidenden Konstruktionsfehlern bei der Gründung der Euro-Zone geschuldet ist. „Seinerzeit wurde lediglich eine gemeinsame Wirtschafts- und Währungsunion aus der Taufe gehoben, jedoch keine Union für eine gemeinsame Lohn- und Sozialpolitik.“ Am Ende könnte das Auseinanderbrechen des Euro-Raumes stehen. In diesem Fall könnten durch Währungsabwertungen oder -aufwertungen die einzelnen Volkswirtschaften sogar stabilisiert werden.

Bei einer weiteren Schwächung der Binnennachfrage ist nach seinem Dafürhalten jedenfalls ein wirtschaftlicher Niedergang nicht mehr aufzuhalten – mit welcher Währung auch immer. Die Krise des Euros sei dabei nur ein Teilaspekt der gesamten Weltfinanzkrise. Der neoliberale „Raubtier-Kapitalismus“ müsse endgültig „als großer Irrtum erkannt und auf den Müllhaufen der Geschichte geworfen werden“. Es sei an der Zeit, zu Ethik und Moral zurückzukehren sowie die bewährten Elemente einer wirklich sozialen Marktwirtschaft zu einer gemeinwohlorientierten, ökosozialen Marktwirtschaft weiterzuentwickeln, „die auch einem vernünftigen und nachhaltigen Umgang mit der Umwelt und damit den Lebensgrundlagen des Menschen gerecht wird“.

Grzega sprach sich im Weiteren für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes aus, um die vor Jahren geöffneten „Klappen nach unten“ zu immer mehr Lohndumping endlich zu schließen. Er plädierte zudem für die Einführung einer Finanz-Transaktionssteuer, für ein Verbot von Währungsspekulationen sowie die Abschaffung der Steuerparadiese. „Man kann am Ende Geld nicht allein durch Geld verdienen. Jedem Kapital muss ein wirtschaftlicher und vor allem erwirtschafteter Gegenwert gegenüberstehen“, so seine Überzeugung. Und: „Ökologie und Nachhaltigkeit müssen vor Gewinnorientierung stehen.“ Ein guter Anfang wäre bereits gemacht, wenn endlich die Firmen-Parteispenden verboten würden. „Dadurch erführen Klientel-Politik, politische Korruption und überbordender Lobbyismus ein rasches Ende“, so Grzega abschließend.