Hat ein Treuchtlinger Ware vergessen oder "bewaffnet" gestohlen?

13.9.2019, 05:57 Uhr
Ein Treuchtlinger hat in einem Weißenburger Baumarkt Nägel in seine Tasche eingesteckt und nicht bezahlt. Da er ein Messer bei sich trug, wird das ganze als "Diebstahl mit Waffen" gewertet.

© Malte Christians/dpa Ein Treuchtlinger hat in einem Weißenburger Baumarkt Nägel in seine Tasche eingesteckt und nicht bezahlt. Da er ein Messer bei sich trug, wird das ganze als "Diebstahl mit Waffen" gewertet.

"Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer einen Diebstahl begeht, bei dem er (. . .) eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt." So steht es in Paragraf 244 des Strafgesetzbuchs. Was das bedeutet, hat Rentner Norbert W. (Name geändert) am eigenen Leib erfahren.

Der Treuchtlinger trägt seit seiner Jugend ein Messer bei sich – Klingenlänge elf Zentimeter, und damit genau am oberen Rahmen, um keine Waffenerlaubnis zu benötigen. Warum er es trägt, sagt er vor dem Amtsgericht in Weißenburg nicht, doch es wird ihn noch teuer zu stehen kommen.

Der 73-Jährige war im April in einem Weißenburger Baumarkt, um Zubehör für seinen Garten einzukaufen, darunter Dübel und Schrauben. Beim Schlendern durch die Reihen nahm er auch drei Päckchen Stahlnägel mit. Mit allem in der Hand – einen Einkaufswagen hatte W. nicht mitgenommen – ging er nach eigenen Angaben in den Freibereich, um sich dort nach Sichtschutzelementen für seinen Garten umzuschauen.

"Ich wollte die genau ausmessen, um zu sehen, ob sie auch in mein Auto passen", sagt W. über vier Monate später im Amtsgericht aus. Da das Ausmessen mit vollen Händen aber schwierig ist, legte er einen Teil der Waren auf die Seite – außer die drei Packungen Nägel, die landeten in der Jackentasche. "An die Nägel habe ich später gar nicht mehr gedacht, die habe ich vergessen", so W., der mit den restlichen Artikeln zur Kasse ging und bezahlte.

Kurz vor Verlassen des Baumarkts hielt ihn jedoch der Hausdetektiv auf und bat ihn, mit ins Büro zu gehen. Dabei fielen W. die Nägel wieder ein, die in seiner Jackentasche waren. Der Preis der Packungen: 13,47 Euro. Dennoch rief der Hausdetektiv die Polizei, die sich des Falls annahm. Und hier kam auch das Messer ins Spiel.

Vergessen oder bewusst eingesteckt?

Nicht, dass W. mit der elf Zentimeter langen Klinge gedroht oder jemanden verletzt hatte. Der Baumarktdetektiv erinnerte sich sogar, wie ruhig W. war, und dass er gleich zugegeben habe, die Nägel in seiner Jackentasche vergessen zu haben. Dennoch war die Tat für die Polizei ein "Diebstahl mit Waffen" nach Paragraf 244, der eben sechs Monate Mindestfreiheitsstrafe zur Folge hat.

"Hätte er das Messer nicht mitgehabt, wäre es wahrscheinlich niemals zu einer Verhandlung gekommen", so der Verteidiger des Angeklagten. Solche Fälle werden meistens mit einem Strafbefehl beendet. Und auch das Messer an sich war nicht strafbar – nur eben die Kombination aus Diebstahl und Waffe, egal ob diese benutzt wird, oder nicht.

Der Verteidiger bittet um Milde für seinen Mandanten, der schließlich noch nicht vorbestraft sei und das Einstecken als ein Versehen auch eingeräumt habe. Außerdem hat er Zweifel an den Aussagen des Baumarktdetektivs, der als Zeuge vor Gericht aussagt. Dieser kann sich zunächst nicht an den Vorfall erinnern, erst als Amtsrichter Ludwig Strobl dem Zeugen die Aussage von damals vorhält, kommen wieder Erinnerungen. "Wir haben solche Diebstähle 28- bis 32-mal im Monat, da kann ich mich nicht an jeden Einzelfall erinnern", so der Detektiv.

Empfindliche Geldstrafe

War es nun also Diebstahl oder nicht? Für den Vertreter der Staatsanwaltschaft steht das außer Frage – und auch, dass der Angeklagte ein Messer bei sich trug. Das hat W. ja selbst eingeräumt. Dennoch sieht der Staatsanwalt einen minderschweren Fall gegeben, da niemand verletzt wurde. In diesem Fall beträgt die Mindesstrafe drei Monate oder 90 Tagessätze. Der Vertreter der Anklage fordert 120 Tagessätze zu je 40 Euro als Geldstrafe, also 4800 Euro. W. erhält monatlich 1200 Euro Rente.

W.s Verteidiger hält das für völlig überzogen. Der Diebstahl sei nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachgewiesen, auch die Aussage des Zeugen sei dürftig. Und wenn es kein Diebstahl, sondern nur ein Versehen war, spiele auch das Mitführen des Messers keine Rolle. Der Anwalt fordert deshalb einen Freispruch für seinen Mandanten.

Richter Ludwig Strobl sieht das nicht so: Er verurteilt den Treuchtlinger Norbert W. wegen Diebstahls mit Waffen zu 100 Tagessätzen à 40 Euro, also 4000 Euro Geldstrafe. Der Richter sieht es als erwiesen an, dass W. die Nägel eingesteckt hat und nicht bezahlen wollte. "Wenn man mehr Sachen einkauft als man tragen kann, muss man sich eben einen Einkaufswagen nehmen", so Strobl. Spätestens an der Kasse hätte W. klar werden müssen, dass etwas fehlt.

Der Amtsrichter spricht in seinem Urteil auch die Gefährlichkeit von Messern an, die in den vergangenen Monaten in der öffentlichen Diskussion war. Deshalb habe der Gesetzgeber den Paragrafen 244 verschärft. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass jemand in emotionaler Erregung auch einmal zur Waffe greift. W.s Verteidiger ist mit dem Urteil nicht zufrieden, die Sache könnte also in die nächsten Instanz gehen.