Hat Treuchtlingen keine größeren Probleme?

31.3.2018, 06:04 Uhr
Hat Treuchtlingen keine größeren Probleme?

© Patrick Shaw

Vergleicht man mit der Beteiligung in vielen Ortsteilen, hätten in der Kernstadt mit ihren aktuell 13.136 Einwohnern (plus 100 gegenüber Januar 2017) mindesten 700 Bürger zur Versammlung in die Stadthalle kommen müssen. Das war schon immer utopisch, 80 bis 100 waren es in den Vorjahren aber fast immer. Ein Zeichen des Desinteresses oder der Wunschlosigkeit der Treuchtlinger?

Letzteres könnte man zumindest beim Ansehen des idyllischen Imagefilms meinen, den Bürgermeister Baum zu Beginn seiner Präsentation zeigte. „Treuchtlingen mausert sich und ist längst nicht so bieder und unattraktiv, wie es in mancher Diskussion den Anschein hat“, so seine Botschaft, die der Rathauschef mit zahlreichen Erfolgsmeldungen zu belegen suchte.

Da sind aus seiner Sicht an erster Stelle die Finanzen. „Wenn man auf die vergangenen Jahrzehnte schaut, war unsere Stadt nie auf Rosen gebettet“, so Baum. Im Vergleich zu den Prognosen könne sich die reale Schuldenentwicklung aber durchaus „sehen lassen“. 20,3 Millionen Euro Minus sollte die Kommune zum Jahresende 2017 haben, 15,9 Millionen waren es tatsächlich – den Rekordeinnahmen aus der Gewerbesteuer sei Dank.

Wann reißt die Stadt die 20 Millionen-Marke?

Das Stadtoberhaupt hofft nun, „dass wir auch heuer die 20-Millionen-Marke noch nicht knacken werden“. 2019 oder 2020 werde dies zwar wohl der Fall sein, aber nicht zuletzt wegen wichtiger „Zukunftsinvestitionen“ wie der Modernisierung der Therme, des Umbaus der Stadtmitte, der Aufstockung von Schul- und Kindergartenplätzen, der Ansiedlung der psychosomatischen Bezirksklinik sowie des Neubaus der Senefelder-Schule.

Zudem würden Bauplätze erschlossen, neue Feuerwehrhäuser gebaut, und auch Gewerbe und Sozialeinrichtungen investierten viele Millionen Euro – allen voran die Firmen Altmühltaler und Alfmeier sowie das Rote Kreuz. Die Breitbandversorgung in vielen Dörfern sei mittlerweile besser als die in der Stadt, und angesichts der großen Nachfrage zum Beispiel beim Kunsthandwerkermarkt, der heuer deshalb zweimal stattfinden soll, sei es schon ärgerlich, wenn „manche Bürger Geschäftsleute, die gerade erst hier eröffnen, fragen, ob das eine gute Entscheidung sei“.

Kritik kam aus den lichten Reihen der Versammlungsteilnehmer nur an zwei Themen. Zum einen bemängelte ein Bürger, dass Blinde oder Sehbehinderte wegen diverser „Stolperfallen und mangels eines barrierefreien Übergangs über die Elkan-Naumburg-Straße „kaum vom Bahnhof zum Rathausplatz kommen“. Da werde sich einiges im Zuge der Umgestaltung der Bahnhofstraße tun, versprach Bürgermeister Baum. Gerade im Bereich der Marienkirche seien die Verhältnisse aber tatsächlich schlecht: „Da werden wir etwas tun müssen.“

Derselbe Bürger machte überdies darauf aufmerksam, dass an etlichen Stellen in der Bahnhofstraße und der Wettelsheimer Straße Hundekot-­Eimer fehlen. „Da könnten wir mittlerweile schon eine Sammelbestellung aufnehmen“, scherzte das Stadtoberhaupt. Er wolle „zwar auch nicht an jeder Ecke einen unschönen und stinkenden Korb haben“, eine „Nachverdichtung“ sei aber denkbar.

Der Kommentar: Friede, Freude, Eierkuchen?

Engagement in den Dörfern, Politikverdrossenheit in der Stadt? So könnte man die schwache Beteiligung an der diesjährigen Treuchtlinger Bürgerversammlung interpretieren. Fast 100 Besucher im kleinen Gundelsheim und nicht einmal 50 in der Kernstadt? Schon traurig. Selbst etwas beitragen und bewegen? Fehlanzeige, sobald der Rahmen größer als der der Dorfgemeinschaft ist. „Das werden schon die anderen richten“ und „Die da oben machen doch sowieso, was sie wollen“, heißt es phlegmatisch.

Eine andere Erklärung wäre, dass Stadtrat und Verwaltung in jüngerer Zeit tatsächlich ihre Hausaufgaben gemacht haben und viele Missstände angegangen sind. Modernisierung der Stadtmitte? Häkchen. Mehr Geld für Jugend und Bildung? Auf dem Weg. Straßensanierungen? Noch viel zu tun, aber sichtbar. Ein bezahlbares Konzept für die Therme? Zumindest in Aussicht. Sogar der klamme Stadtsäckel scheint sich zu erholen, wenngleich dieser Verdienst eher der Konjunktur zuzuschreiben ist. Den Haushalt mit Förderprojekten so aufzublähen, dass er genehmigungsfähig bleibt, war und ist zwar ein riskantes Manöver. Wenn es gelingt und die Zeit überbrückt, die eine Neuausrichtung braucht, werden aber viele Unkenrufe verstummen.

Wahrscheinlich ist es also ein wenig von beidem, das die Treuchtlinger daheim bleiben ließ. Und dann war da ja auch noch das Testspiel der Fußball-Nationalelf gegen Brasilien...

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