Katholizismus, Konversion und Kondome

3.12.2018, 06:04 Uhr
Katholizismus, Konversion und Kondome

© Patrick Shaw

„Zeiten, in denen der katholischen Kirche ein rauer Wind entgegenweht und Zehntausende die Kirche verlassen, vertragen vielleicht auch die Erinnerung an Menschen, die sich ganz bewusst eben dieser Kirche angeschlossen haben und anschließen“, erklärt Adolf Hochmuth seinen Antrieb, das 123 Seiten starke Taschenbuch als Herausgeber zu veröffentlichen. Dabei gehe es ihm „keineswegs um Jubelkatholizismus oder kirchlichen Triumphalismus“.

Vielmehr wolle er in der Sammlung aus Biografie-Fragmenten und religiösen Bekenntnissen insgesamt 60 historischer und aktueller Persönlichkeiten „Menschen zu Wort kommen lassen, die keine bloßen Überläufer sind, sondern in einem langen Prozess des Suchens, Zweifelns und Ringens um Wahrheit einen oft einsamen Weg gegangen sind“. Denn die Hinwendung zu den Wurzeln der christlichen Kirche werden heute nicht selten als anachronistisch, autoritär und unaufgeklärt wahrgenommen.

Etwas Absolutes gesucht

Der 77-jährige Treuchtlinger führt in seinem Buch in die Begrifflichkeit der „Konversion“ ein und berichtet teils lexikalisch knapp, teils ausführlicher von (vornehmlich nordeuropäischen) Konvertiten aus Atheismus, Agnos­tizismus, Judentum, Bohéme sowie protes­tantischer Landeskirche und Universitätsthoelogie. Wichtig ist ihm die Ernsthaftigkeit dahinter, die bewusste Entscheidung für einen in all seiner Nichtbeweisbarkeit doch absoluten Wahrheitsgedanken als Gegenpol zu „Beliebigkeit und Relativismus“ der heutigen Gesellschaft.

Dabei stellt Hochmuth immer wieder implizit die Frage: Ist „katholisch“ ein Widerspruch zu „evangelisch“, oder nicht vielmehr der ursprüngliche Begriff für „christlich“? Denn: „Auch wir Katholiken beten im Glaubensbekenntnis nicht für die römisch-katholische Kirche, sondern für eine katholische Kirche im Sinne von ,umfassend‘.“ Gerade Konvertiten aus dem Protestantismus brächten wertvolle Impulse mit: „Die Liebe zur Bibel, den Mut des offenen Wortes gegenüber Kirchenoberen und Geistlichen sowie das synodale Kirchenverständnis mit einer flachen Hierarchie und Mitbestimmung.“ In der katholischen Kirche müssen laut Hochmuth „sehr viele Frömmigkeitsformen Platz haben dürfen“. So hat der Autor in sein Werk auch einige wenige Konversionen von der katholischen zur evangelischen Lehre einbezogen.

Katholizismus, Konversion und Kondome

© Patrick Shaw

Flucht und Konversion

Lediglich muslimische Konvertiten fehlen. Er habe zunächst den islamkritischen italienischen Journalisten Magdi Allam im Auge gehabt, der 2008 von Papst Benedikt XVI. getauft wurde, erzählt Hochmuth. Allam kehrte der katholischen Kirche jedoch fünf Jahre später den Rücken – aus Protest gegen die seiner Ansicht nach zu schwache Haltung des neuen Papstes Franziskus gegenüber dem Islam. Dennoch geht der Treuchtlinger Theologe auch auf die jüngste Übertrittswelle aus dem Islam ein, die mit Flucht und Vertreibung einhergeht – nicht selten wegen der Konversion.

Drei Bekenntnisse in Hochmuths Werk sind Erstveröffentlichungen: das der bekannten TV-Journalistin Maria von Welser, das der Ordensschwester und Lepra-Ärztin Ruth Pfau sowie in Teilen das der umstrittenen Jugendpsychotherapeutin und Abtreibungsgegnerin Christa Meves. Teils sind sie eher emotional, insbesondere bei Ruth Pfau aber sehr gesellschaftspolitisch.

Die 2017 verstorbene Leipzigerin konvertierte 1953 vom Protestantismus zum Katholizismus und wurde vier Jahre später Nonne. Bekannt wurde sie als „Mutter Theresa von Pakistan“, wo sie erfolgreich gegen die Lepra kämpfte und trotz ihrer christlichen Konfession zur nationalen Beraterin der islamischen Republik avancierte.

Katholisch zu sein, macht Spaß

„Katholisch bin ich wegen des Paps­tes geworden“, schreibt Pfau in ihrer „Konfessio“. „Jemandem musste es ermöglicht werden zu entscheiden, was [im neuen Testament] richtig ist und was verfälscht.“ Ansonsten seien „evangelisch und katholisch so gleich“. Auf dem Weg habe ihr außerdem gefallen, „dass die Katholiken mehr Humor hatten. Es schien ihnen meistens Spaß zu machen, katholisch zu sein.“

Das aktuellste Beispiel eines Übertritts ist schließlich der vormals evangelische Pfarrer Andreas Theurer, der 2012 konvertierte und erst vor wenigen Wochen in Augsburg zum katholischen Priester geweiht wurde. „Warum werden wir nicht katholisch?“, hatte er im Titel seines Buchs gefragt, das mit seiner Spaltungskritik und Bibelworttreue vielerseits als Provokation und „gegenreformatorische Kampfschrift“ aufgefasst wurde. „Vielleicht ist das Beifall von der falschen Seite“, überlegt auch Hochmuth, der mit dem Autor „ein langes Telefonat geführt“ hat. Dennoch sei es ihm wichtig, „Theurers ernsthaftes Ringen um die christliche Wahrheit (...) ernstzunehmen“.

Und Steffen Seibert und die Kondome? Angela Merkels Regierungssprecher wird fast am Ende des Buchs mit Auszügen aus einem Interview zitiert, in dem er erzählt, dass sein Übertritt zum Katholizismus für viele seiner Kollegen „ein ganz schwer verständlicher, ein bisschen verrückter Schritt war – als hätte ich gestanden, dass ich in meiner Freizeit gern Kaufhausdieb sei“. Wenn er dann erkläre, dass ihn nicht zuletzt die Person Papst Johannes Pauls II. sehr beeindruckt habe, komme als Gegenreaktion stets dessen Einstellung zur Verhütung. „Immer Kondome, Kondome! Als wenn ein Stückchen Gummi die Basis unseres Glaubens wäre“, so Seibert.

Zum Autor

Adolf Hochmuth wurde 1941 im böhmischen Erzgebirge geboren. Nach der Vertreibung 1946 verbrachte er seine Jugend im Fränkischen. In Innsbruck, Würzburg und München studierte er katholische Theologie, Germanistik und Geschichte. Von 1967 bis 2003 war Hochmuth Gymnasiallehrer, davon zwölf Jahre in Roth sowie die letzten 22 Jahre an der Treuchtlinger Senefelder-Schule und am Weißenburger Werner-von-Siemens-Gymnasium. Seit 1995 engagiert er sich im deutsch-tschechischen Versöhnungswerk. Sein erstes Buch „Schritte zu einer Kritik der christlichen Vernunft. Aufklärerische Impulse des Christentums“ ist 2009 im Treuchtlinger wek-Verlag erschienen, die Briefesammlung „Gestatten – katholisch. Im Schreiben das Du suchen“ 2013 im Herbert-Utz-Verlag.

Das Buch „Orientierung und Halt“ von Adolf Hochmuth (Hg.) ist im Kallmünzer Verlag Michael Laßleben erschienen (ISBN: 9 783 7847 1247 5) und kostet 9,80 Euro. Garniert ist das Buch mit neun wunderbar menschlichen Karikaturen von Gerhard Joksch.

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