Netzausbau, Nahwärme, Wasserstoff: Wohin steuert Treuchtlingen?

22.3.2021, 06:04 Uhr
Netzausbau, Nahwärme, Wasserstoff: Wohin steuert Treuchtlingen?

© Foto: Landratsamt Weißenburg-Gunzenhausen

Die Tagesordnung im öffentlichen Teil der jüngsten Sitzung des Werk- und Bäderausschusses klang zunächst vor allem nach trockenen Zahlen und Sachstandsberichten – mit einer Ausnahme: dem Vertrag zur Gründung einer Betreibergesellschaft für das geplante Wasserstoff-Pilotprojekt der Altmühlstadt in Kooperation mit der Firma GP Joule. Doch genau um den ging es dann gar nicht – dafür aber um gar nicht so uninteressante Eckdaten zur Situation der Stadtwerke seit der Rückführung des Stromnetzes in kommunale Hand vor rund neun Jahren.


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Die Debatte über den Gesellschaftsvertrag mit GP Joule für das Sektorenkopplungsprojekt, an dem sich die Stadt Treuchtlingen dem Entwurf zufolge mit einer haftungsbeschränkten Einlage von 12.500 Euro beteiligen und sechs der sieben Aufsichtsratsmitglieder stellen soll (je eines pro Stadtratsfraktion sowie je einen Vertreter von Banken und Industrie), fand überraschend hinter verschlossenen Türen statt. Dafür hatte Susanna Hartl (SPD) zu Beginn der Sitzung mit einem Antrag zur Geschäftsordnung gesorgt. Wenn auch selbst größtenteils von dem Vorstoß überrascht, stimmten acht der zehn Ausschussmitglieder diesem zu – nur aus den Reihen von CSU und TBL gab es zwei Gegenstimmen.


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Auf Nachfrage unserer Zeitung begründete Hartl ihre Haltung tags darauf damit, dass die Sitzung "die erste Gelegenheit war, ausführlich und in die Tiefe gehend über das Thema zu diskutieren und dabei nicht herumeiern zu müssen". Immerhin sei die Materie hoch komplex – wie sich auch während der öffentlichen Sitzung an einigen Wortmeldungen ablesen ließ, denen ein nur geringes Verständnis für die technischen und physikalischen Hintergründe anzumerken war. Dennoch sei die anschließende nichtöffentliche Debatte "sehr gut und konstruktiv und nicht einmal sonderlich kontrovers verlaufen", so Hartl. Vor einer Entscheidung des Gesamtstadtrats werde das Vorhaben nun nochmals in den Fraktionen besprochen.

Wasserstoff ist kein Allheilmittel

Für die Sorgen der Stadtwerke angesichts der zu geringen Kapazität des Treuchtlinger Stromnetzes, deretwegen derzeit zahlreiche Photovoltaikanlagen nicht angeschlossen werden können, wäre die Zwischenspeicherung der Solarenergie mittels Wasserstoff freilich ohnehin nicht die alleinige Lösung. Fünf bis sechs Neuanmeldungen bekommen die Stadtwerke laut ihrem technischen Leiter Steffen Pause derzeit wöchentlich auf den Tisch – allein die aktuell zu bearbeitenden Anträge summieren sich auf eine Einspeiseleistung von etwa 4,4 Megawatt.


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"Das Wasserstoffprojekt kann das Problem entschärfen, aber nicht komplett lösen", betonte Werkleiter Max Filser. Der bereits im vergangenen Herbst ins Gespräch gebrachte Bau eines neuen Umspannwerks sei aber ebenso nur die "ultima ratio", würden dadurch neben den immensen Kosten in Höhe von rund 15 Millionen Euro doch auch die beiden gerade erst neu in Betrieb genommenen 20-Kilovolt-Zuleitungen zum Weißenburger Umspannwerk obsolet.

Das Problem müsse deshalb mehrgleisig angegangen werden, so Filser – mit Netzverstärkungs- und Optimierungsmaßnahmen, neuen Speichertechnologien, intelligenter Netzsteuerung einschließlich Spitzenkappung von EEG-Anlagen sowie Gesprächen mit den benachbarten und übergeordneten Netzbetreibern über neue Übergabepunkte zu deren 110- Kilovolt-Leitungen (namentlich den Lechwerken und der N-Ergie). Zur intelligenten Steuerung laufen dem Werkleiter zufolge bereits Gespräche mit der Firma Siemens.

Bürgernetze als Konkurrenz?

"Es geht darum, die hier erzeugte Energie auch hier zu behalten und zu verbrauchen", hielt Bürgermeisterin Kristina Becker Bedenken aus den eigenen politischen Reihen entgegen. Gleiches gelte für neue Nahwärme- und Glasfasernetze in Bürgerhand (wie etwa gerade in Wettelsheim geplant), in denen Altbürgermeister Wolfgang Herrmann (CSU) eine unerwünschte Konkurrenz zum Angebot der Stadtwerke sieht und eine Konzessionsabgabe ins Spiel brachte. "Schnelles Internet ist genauso dringend wie Photovoltaik und sollte schnellstmöglich ermöglicht werden", so Becker. Die Kombination aus örtlichen Bürgerinitiativen und Unterstützung durch die Stadtwerke sei "genau der richtige Weg", pflichtete ihr CSU-Fraktionschef Uwe Linss bei.

Gute Nachrichten hatte Werkleiter Filser zum Hackschnitzelheizwerk in der Hahnenkammstraße zu verkünden. Nachdem die Stadtwerke schon im Dezember rund 100 Haushalte im Umfeld angeschrieben und das Interesse an einem Anschluss ans Nahwärmenetz abgefragt hatten, habe man die Befragung im Februar wiederholt und mittlerweile rund 40 Interessenten beisammen. "Auf Basis der wirtschaftlichsten Trassenführung" werde man nun die konkreten Anschlusskosten berechnen und das gesamte Projekt dann nochmals in einer öffentlichen Infoveranstaltung vorstellen. Die finale Entscheidung über die Umsetzung solle noch in der ersten Jahreshälfte fallen und der Bau dann bis zum Winter 2022/23 abgeschlossen sein.

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Hat sich die Übernahme des N-Ergie-Stromnetzes durch die Treuchtlinger Stadtwerke vor neun Jahren gelohnt? Das ist eine Frage der Lesart. Schulden und Sanierungsbedarf drücken nach wie vor, die Kundenzahl steigt aber stetig. Ähnlich sieht es beim Wasser aus, und beim Gas bleibt der kommunale Versorger zumindest am Ball.

7413 Stromnetz-Kunden hatten die Stadtwerke zum Jahreswechsel, das sind 76 mehr als im Vorjahr und 261 mehr als 2015. Davon sind 5471 Eigenkunden (Vorjahr 5385 / 2015: 4966). Aber auch die Fremdkunden sind wegen der hohen Netzentgelte für die Bilanz wichtig. Gerade bei Betrieben sei es „schwer, sie als Eigenkunden zu halten, weil die Verträge oft ausgeschrieben werden und die Margen minimal sind“, erklärt Werkleiter Max Filser. Zusätzliche Kunden habe man vor allem durch den Boom der Elektromobilität gewonnen. Analog zu den öffentlichen E-Ladesäulen in der Fischergasse sollen bald zwei weitere auf dem Parkplatz der Altmühltherme entstehen.

Beim Trinkwasser ist die Kundenzahl seit 2015 von 2794 auf 3022 gestiegen. Dort wie auch in den beiden anderen Geschäftsbereichen spielen laut Filser „die große Loyalität der Kunden und der Trend zur Regionalität den Stadtwerken in die Hände“.

Beim Erdgas ist die Abnehmerzahl dagegen mit zuletzt 1578 seit sechs Jahren nahezu konstant. „Es gibt kaum Neuanschlüsse, aber wir halten den Bestand“, so der Werkleiter. Eine höhere CO₂-Bepreisung auf der einen und der Austausch alter Ölheizungen auf der anderen Seite böten hier Risiken und Chancen zugleich.

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