Neue Züge glänzen vor allem durch Pannen

30.8.2010, 07:00 Uhr

Ob sich mit den neuen Triebzügen das Angebot im Nahverkehr – wie von der Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG) versprochen – tatsächlich verbessert, wird sich erst noch zeigen müssen. Während Bahn und BEG mit „neuen, klimatisierten und beschleunigungsstarken Niederflur-Triebzügen“ werben, glänzen die neuen Züge derzeit hauptsächlich mit Pannen.

Im Jahr 2007 erhielt die DB Regio AG den Zuschlag für die von der BEG im Auftrag der Staatsregierung ausgeschriebenen Nahverkehrsleistungen im „E-Netz Würzburg“, zu dem unter anderem auch die Strecke Würzburg-Treuchtlingen gehört. Eigentlich sollte dabei die DB unter dem Namen „Mainfrankenbahn“ zum Fahrplanwechsel im Dezember 2009 die Strecke Würzburg-Nürnberg mit den neuen Zügen bedienen. Allerdings verweigerte das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) wegen diverser technischer Probleme und fehlender Dokumentation der Betriebssicherheit zunächst deren Zulassung.

Händeringend zog die DB damals Waggons aus dem ganzen Bundesgebiet in Würzburg zusammen und mietete sogar bei anderen Firmen Lokomotiven an, um den vom Freistaat bestellten Mehrverkehr bewältigen zu können.

Seit dem kleinen Fahrplanwechsel am 13. Juni fahren nun dort zwar die 440-er, verärgern aber mehr und mehr Fahrgäste und auch das Personal. Grund: Probleme mit Toiletten, Klimaanlagen, Türen und der Software im Fahrzeug sind an der Tagesordnung und lassen regelmäßig Züge ausfallen. Die Triebzüge sind zudem oftmals überfüllt, und Schaffner müssen Fahrgäste auf dem Bahnsteig zurücklassen. Nach Informationen der BEG ist derzeit der Schadbestand tatsächlich weit höher als erwartet, die Vertragsbedingungen würden durch die DB allerdings dennoch erfüllt: Die „für das Betriebskonzept in der ersten Stufe notwendige Fahrzeugflotte ist vollständig einsatzfähig“, ließ die BEG auf Anfrage verlauten. Fast schon harmlos erscheint da im Vergleich dazu die von vielen Fahrgästen geäußerte Kritik an zu unbequemer Bestuhlung und der geringen Anzahl an Fahrradstellplätzen.

Nicht anders ergeht es den Fahrgästen in der Region Augsburg, wo die 440-er als „Fugger Express“ eigentlich schon im Dezember 2008 hätten an den Start gehen sollen, am Ende aber erst mit rund einem Jahr Verspätung auf die Schiene gingen. Auch dort verweigerte das EBA zunächst die Zulassung. Auch dort kämpft man bis heute mit einer Reihe von Problemen an den Zügen und muss häufig auf Ersatzgarnituren zurückgreifen. Die von Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) und seiner Vorgängerin Emilia Müller (CSU) angekündigte Mehrqualität suchen die Fahrgäste vergebens.

Offizielle Zulassung verweigert

Der Hersteller Alstom ist mit den Problemen allerdings nicht allein. Auch bei „Flirt“-Triebzügen von Stadler Rail im Raum Freilassing oder dem „E-Talent 2“ von Bombardier (Moselbahn, S-Bahn Nürnberg) verweigerte das EBA die Zulassung. Ursachen hierfür sind aber eher die Begleitumstände. Es existiert zwar ein Normenkatalog für die Zulassung, jedoch wird dieser laufend überarbeitet und erweitert.

In der Phase der Entwicklung des 440 war beispielsweise nicht abzusehen, dass dem EBA zum Zeitpunkt der beantragten Zulassung die Abstände zwischen Türöffnung und Bahnsteig zu groß sein und entsprechende Änderungen in Form von zusätzlichen, ausfahrbaren Schiebetritten notwendig würden.
Hinzu kommt der kurze Zeitraum zwischen Verkündung des Ausschreibungs-Gewinners durch die Politik und der von der Politik vorgeschriebenen Betriebsaufnahme sowie der Kos-tendruck. Jeder Nahverkehrs-Triebzug ist heute eine regelrechte Spezialanfertigung für einen definierten Einsatzraum. Logischerweise beginnt der Hersteller mit der Entwicklung erst dann, wenn auch Aufträge vorliegen.

Kein Hersteller und kein Betreiber wird von sich aus mitteilen, dass die durch die BEG anvisierten rund drei Jahre für Planung, Bau, Erprobung und Abnahme zu kurz bemessen sind – viel zu groß wäre die Gefahr, den Auftrag zu verlieren. Erst im Nachhinein gab daher Alstom beim 440 zu, dass der Zeitraum „sehr ambitioniert“ war. Parallel hat die Branche mit steigendem Kostendruck zu kämpfen. Heutige Nahverkehrstriebzüge sind trotz hochgezüchteter Technik billiger als z.B. die Triebzüge der Baureihe ET420, die in den 1970-er Jahren für die S-Bahn München beschafft wurden. Leidtragender ist dabei der Fahrgast, der sich mit nicht ausgereiften Zügen abmühen muss. Eisenbahnfreunde sprechen daher von der „Triebwagenseuche“ und bezeichnen die Baureihe 440 scherzhaft nur noch als „Mops“.

Wie DB-Pressesprecher Franz Lindemair mitteilte, dient der jetzt aufgenommene Vorlaufbetrieb nach Treuchtlingen auch der Erprobung der Triebzüge im realen Fahrgasteinsatz und der Ausbildung der Lokführer und Zugbegleiter, die weiterhin mitfahren werden. Dies war ein Ausschreibungskriterium, betont Lindemair. „Von Würzburg nach Treuchtlingen und in der Gegenrichtung werden alle Züge begleitet sein“, hieß es. Die Mainfrankenbahn beschaffte drei- und vierteilige Triebzüge, die 172 bzw. 236 Sitzplätze bieten. Sollte dort allerdings jemand auf den Klappsitzen im Gang sitzen, wird der Zugang zum Mehrzweckabteil blockiert, wo im Sommer zusätzlich zwölf bzw. 20 Fahrradstellplätze durch Ausbau normaler Sitze geschaffen werden sollen.

Den Ausschreibungsbedingungen zufolge sollen die Züge in der Hauptverkehrszeit um eine zweite Garnitur ergänzt werden. Dennoch sind dann deutlich weniger Plätze vorhanden als bei den heute üblichen Züge mit drei, vier oder fünf Waggons (268/364/460 Sitze). Nach BEG-Meinung überschreitet die Kapazität der 440 dennoch die erwarteten Fahrgastzahlen. DB wie BEG gehen daher davon aus, dass für die bis zu 7.000 Fahrgäste pro Tag Sitzplätze zur Verfügung stehen werden. Ausnahmen soll es lediglich auf kurzen Abschnitten in der Hauptverkehrszeit geben. Vorsorglich gab die BEG allerdings den Schwarzen Peter bereits weiter: „Die Verantwortung für ausreichende Kapazitäten liegt beim Verkehrsunternehmen“, so Kelz.