Nitratbelastung: Neue Messstellen in Altmühlfranken

5.3.2020, 06:04 Uhr
Nitratbelastung: Neue Messstellen in Altmühlfranken

© Patrick Shaw

"Das Thema wird vollkommen verquer diskutiert", bedauert Thomas Keller, Leiter des Wasserwirtschaftsamtes in Ansbach. "Die EU hat Deutschland nicht wegen eines unzureichenden Messnetzes verklagt, sondern wegen zu hoher Nitratwerte." Nun sei es "fünf nach zwölf" und der Bundestag müsse überstürzt handeln, da sonst Strafen in Höhe von 850.000 Euro drohen – am Tag.

Keller ärgert sich einerseits über die Politik, die glaube, die aufgebrachten Landwirte mit einem engmaschigeren Messnetz zufriedenstellen zu können. Er warne davor zu glauben, "dass dann auf einmal alle roten Gebiete grün werden". Schon die Daten der aktuell rund 600 Messstellen, die im Freistaat über die Düngeauflagen entscheiden, würden mit den Zahlen von 9500 weiteren Stellen (zum Beispiel von Wasserversorgern) abgeglichen, um die Ergebnisse zu plausibilisieren.

Die binnen sechs Jahren geplante Aufstockung auf 1500 Messpunkte wird laut Keller nichts daran ändern, dass lediglich ein Trend in Sachen Nitratbelastung abgebildet wird. "Das bringt die Rot-Grün-Debatte nicht weiter", so der Amtschef. Auftrag seines Amtes sei es, "ein repräsentatives Bild des Grundwasserzustands zu geben, und nicht punktuell zu bestimmen, was daraus für die Landwirtschaft resultiert".

Trendmessungen reichen nicht aus

Das verdichtete Messnetz müsste dazu nach Kellers Worten um die Emissionswerte der einzelnen bäuerlichen Betriebe sowie um eine Modellierung bezüglich Geologie und Witterung durch die Wasserwirtschaftsämter ergänzt werden. Nur so sei eine verursachergenaue Zuweisung von Auflagen möglich, statt – wie zum Beispiel in Dänemark – den Düngemitteleinsatz pauschal zu reduzieren und damit die vorbildlichen Betriebe in einen Topf mit den Verursachern von Überdüngung zu werfen.

Deutlich tritt der Behördenleiter andererseits Gerüchten entgegen, dass große Teile der Belastung nicht aus der Landwirtschaft, sondern aus Kläranlagen und undichten Kanälen stammen, Messpunkte an hanebüchenen Stellen gewählt oder äußere Faktoren die Ergebnisse verfälschen würden. "Die Landwirtschaft ist bundesweit für zwei Drittel des Nitrats verantwortlich", so Keller. "Das kann man nicht wegdiskutieren." Kläranlagen würden streng kontrolliert und hätten Abflusswerte zwischen fünf und 15 Milligramm Nitrat pro Liter – der Schwellenwert liegt bei 50 Milligramm. Zudem gelange deren Abwasser in die Flüsse und kaum ins Grundwasser – wo es angesichts der niedrigen Belastung die Nitratwerte meist "sogar verbessern würde". Das Kanalnetz sei zwar bisweilen sanierungsbedürftig, meist aber eher wegen eindringenden Wassers als umgekehrt.

Unterschiedlich Messergebnisse im oberflächennahen Grund- und im Trinkwasser sind laut Keller ebenfalls ganz normal, da viele Versorger ihr Trinkwasser aus tieferen Schichten oder Fernwasserleitungen beziehen. Und auch der von Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger zitierte "Hundehaufen" neben einem Messpunkt verfälsche die Daten nicht, da Kamerabefahrungen, Temperaturabgleich und vorgeschriebene Pumpzeiten externen Einflüsse ausschließen würden. Überdies brauche verunreinigtes Sickerwasser Jahre, bis es ins Grundwasser gelangt.

Solidarität oder Sippenhaft?

Doch was, wenn auch benachbarte staatliche Messstellen gegenläufige Werte liefern? Das wollten Vertreter des Bayerischen Bauernverbands bei einem Treffen mit Keller und seinen Kollegen wissen. So weise etwa eine Messstelle in Nordstetten im Vergleich zum gesamten Grundwasserkörper eine sehr geringe Belastung auf. "Müsste man dem nicht auf den Grund gehen?", so die Bauern.

Grundsätzlich ja, aber das sei mit dem aktuellen System nicht möglich, pflichtet Keller bei. Da Grundwasserleiter nicht stillstehen, seien sehr kleine Einzugsgebiete nicht abbildbar. "Dann gilt der Solidaritätsgedanke", konfrontierte der Amtschef die Landwirte mit genau dem Aspekt, den diese als "Sippenhaft" ablehnen. Ziel seien nun aber mindestens vier Messpunkte pro Grundwasserkörper (aktuell haben viele nur zwei, manche gar keine). Die Kosten: 15.000 bis 20.000 Euro pro Stelle.

Für die Landwirtschaft bringt eine pauschale Reduzierung der Düngung Probleme mit sich. So seien die Lagerkapazitäten für Gülle gar nicht so schnell erweiterbar. Weniger Stickstoffeinsatz bedeute zudem geringere Qualität bei Getreide und Gemüse. Darüber hinaus befürchtet das Fachzentrum für Agrarökologie sogar eine schädliche Gegenreaktion, nämlich dann, wenn künftig gerade viehlose Betriebe eher auf Mineraldünger zurückgreifen, statt die Gülle der Kollegen abzunehmen. Und auch ein reiner "Verschiebebahnhof" von roten in grüne Gebiete sei sicher nicht im Sinne des Erfinders, meint Wasserschützer Thomas Keller.