Ortssprecherwahl: Treuchtlinger Dörfer sind erbost

28.2.2019, 06:04 Uhr
Ortssprecherwahl: Treuchtlinger Dörfer sind erbost

© Patrick Shaw / privat / Montage: TK

Schon die ers­ten Gerüchte über die Änderung sorgten am Wochenende in Wettelsheim für unverhohlenen Zorn und Aufrufe zum Widerstand. „Die Leute sind erbost. Da wird sich massiver Gegenwind auftun, denn der Wählerwille wird damit überhaupt nicht mehr berücksichtigt“, sagt Matthias Strauß (CSU), selbst Ortsbeauftragter und eines der zwölf Stadtratsmitglieder, die gegen die Neuregelung gestimmt haben.

Worum geht es? Seit der Eingemeindung vieler eigenständiger Dörfer in den 1970er Jahren haben diese größtenteils das Recht auf einen Vertreter im Stadtrat sowie als Ansprechpartner für örtliche Belange. Stellt der Ort ein gewähltes Stadtratsmitglied, so übernimmt dieses das Amt (in Abgrenzung zu den direkt gewählten Ortssprechern dann eigentlich als „Ortsbeauftragter“ bezeichnet) und hat somit im Gremium auch Stimmrecht. In Treuchtlingen betrifft dies derzeit die Dörfer Bubenheim, Falbenthal, Möhren, Schambach und Windischhausen. Kandidaten, die dort zwar mehr Stimmen erhalten, es aber nicht in den Stadtrat schaffen, gehen gemäß Gemeindeordnung leer aus.

Eine Wahl, drei mögliche Fälle

Für Dörfer, die keinen Bewohner in den Stadtrat entsenden (und ihre Eigenständigkeit nach 1952 verloren haben), besagt das Gemeinderecht dagegen, dass dort „auf Antrag eines Drittels der ansässigen Bürger der Bürgermeister eine Ortsversammlung einzuberufen hat, die aus ihrer Mitte in geheimer Wahl einen Ortssprecher wählt“. Letzteres wird in der Altmühlstadt ebenfalls schon immer so gehandhabt und ist aktuell in Auernheim, Graben, Grönhart, Haag und Heumödern der Fall. Ihre Sprecher haben im Stadtrat kein Stimm-, aber Rede- und Antragsrecht.

Seit Jahren für Diskussionen sorgt indes die Frage, wer Ortsbeauftragter in den Dörfern wird, die mehrere Mandatsträger stellen. Dies betrifft Dietfurt mit den Ratsmitgliedern Christian Früh und Richard Zäh, Wettelsheim mit Susanna Hartl, Gustav Kapp, Manfred Kreß, Günter Schwimmer und Matthias Strauß sowie Gundelsheim mit Jürgen Bachmeier-Auer, Klaus Fackler und Karl Heckl. Der Treuchtlinger Gemeindevertrag besagt hier lediglich sinngemäß: „Wer die meisten Stimmen erhalten hat.“ Ob sich dies jedoch nur auf das örtliche Wahllokal oder das Gesamtergebnis im Stadtgebiet bezieht, ist bislang unklar.

Zweimal Zweiter und trotzdem Ortssprecher

Hier hat der Stadtrat nun mit dem denkbar knappsten Votum von 13 zu 12 quer durch die Fraktionen die einfachste Lösung beschlossen: Ortsbeauftragter wird, wer die meisten Stimmen aus der gesamten Kommune erhält, nicht nur aus dem eigenen Wahllokal.

Dies war bisher umgekehrt: In Gundelsheim ist beispielsweise Karl Heckl Ortsspecher, weil er bei der Wahl 2014 vor Ort 294 Stimmen holte. Aus ganz Treuchtlingen votierten allerdings nur 1663 Bürger für ihn – gerade einmal gut die Hälfte des Ergebnisses von Klaus Fackler, für den 3210 Wähler stimmten. In Gundelsheim selbst waren es mit 292 aber zwei weniger als für Heckl. Komplett kurios wird es, wenn man nun noch weiß, dass der klare Wahlsieger im Dorf eigentlich Wolfgang Ritter hieß. Ihn wählten 327 Gundelsheimer, mit 848 Gesamtstimmen verpasste er aber den Einzug in den Stadtrat.

Ähnlich, aber nicht ganz so verwirrend sieht es in Dietfurt aus, wo Christian Früh mehr Wähler im Dorf von sich überzeugte, insgesamt aber nicht einmal halb so viele wie Richard Zäh. Klar ist die Situation lediglich in Wettelsheim, wo Matthias Strauß auf beiden Ebenen den Wahlsieg holte.

Briefwähler sind nicht zuzuordnen

Hintergrund für die jetzt beschlossene Änderung ist vor allem das veränderte Wahlverhalten der Bürger. „Bei der Kommunalwahl 2008 hatten wir 23 Prozent Briefwähler, sechs Jahre später schon knapp 44 Prozent, und 2020 werden es vermutlich über 50 Prozent sein“, machte Bürgermeister Werner Baum das Problem deutlich. Zudem wurden in den vergangenen Jahren etliche Briefwahlbezirke zusammengelegt, wodurch die Stimmen dort nicht mehr den einzelnen Dörfern zuzuordnen sind.

Matthias Strauß hielt dem entgegen, dass die meisten Bürger bislang gar nicht wüssten, auf welche Weise sie ihren Ortssprecher wählen. „Wenn man das entsprechend kommuniziert, wird der Briefwahlanteil zurückgehen“, glaubt er. Zudem sei es immer noch besser, wenn nur die Hälfte der Dorfbewohner über ihren Sprecher befinde, als wenn diese Entscheidung zu 70 oder 80 Prozent auswärtige Wähler träfen. Bei der Sprecherwahl in den Ortsteilen ohne eigenes Stadtratsmitglied sei die Beteiligung im Übrigen oft noch viel geringer.

„Wir sollten immer auch im Hinterkopf behalten, dass der Gemeindevertrag die Mitbestimmung eines Ortes regeln soll und sich viele Ortsteile ohnehin gegenüber der Kernstadt benachteiligt fühlen“, so Strauß. Der Ortssprecher oder -beauftragte sei immerhin so etwas wie „der kleine Bürgermeister im Dorf“. „Der Wählerwille ist das wichtigste Gut“, pflichtete ihm CSU-Fraktionschef Uwe Linss bei. „Und wer die zweitmeisten Stimmen hat, aber aus dem Dorf kommt, ist immer noch eher der Kandidat des Ortsteils als ein ganz anderer, der nur weiter oben auf der Liste stand“, ergänzte Hans König (TBL).

„Jeder Stadtratsmitglied ist geeignet“

UFWG-Sprecher Klaus Fackler fände es nach eigenen Worten „ebenfalls richtiger, wenn die Stimmen den Wahllokalen zuzuordnen wären“. Er glaube aber nicht, dass der Briefwahlanteil zurückgehen würde, wenn die Bürger ihre Ortssprecher nur im eigenen Wahllokal wählen könnten. Gerade die Kommunalwahl mit ihren vielen Kandidaten und Möglichkeiten, Stimmen frei zu verteilen, sei für ältere Mitbürger „eher schwierig, sodass sie es lieber daheim machen“. Er hege außerdem „keine Sorge, dass jemand Ortssprecher wird, der völlig unpassend ist, weil alle Stadtratsmitglieder dazu fähig und geeignet sind“.

Ähnlich äußerte sich SPD-Fraktionschefin Susanna Hartl. Sie sehe schlicht keine Möglichkeit mehr, die ortsspezifische Wahl der Sprecher umzusetzen. Durch das Kummulieren (Häufeln) von Stimmen sei bei der Kommunalwahl überdies bereits „eine sehr bewusste Wahl möglich“. Wenn der Briefwahlanteil weiter steige, sei dagegen gerade in den kleineren Dörfern kaum noch eine geheime Ortssprecher-Wahl im eigenen Wahllokal zu gewährleisten.

Die Größenverhältnisse verdeutlichte abschließend Marco Satzinger (CSU) am Beispiel Wettelsheim. Dort gibt es rund 900 Wahlberechtigte, von denen zuletzt etwa 600 ihre Stimme abgaben, davon gut die Hälfte im Wahllokal. Bei zirka 3300 Wählern in der Gesamtgemeinde (ohne Briefwahl) bedeutet dies laut Satzinger, dass die Wettelsheimer nach der Neuregelung bei der Bestimmung ihres Ortsbeauftragten nur noch zu weniger als zehn Prozent mitzureden haben.

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