Seit zehn Jahren "Schlossherren" in Möhren

6.9.2015, 07:59 Uhr
Seit zehn Jahren

© Lepper

Mit „Sack und Pack“ zog das Paar Sandra de Greeff und Ruud van Klaveren samt Eltern und Schwiegereltern aus ihrer holländischen Heimat in den südlichsten Zipfel Mittelfrankens. Durch Zufall waren sie nach einem Urlaub auf das Möhrener Schloss gestoßen und hatten sich verliebt – in die fast 1000-jährige Geschichte des Gemäuers, in den großen „Traumbaum“ im Schlosshof und die ganze Gegend. Das Anwesen stand zum Verkauf. Direkt nach dem Umzug im Jahr 2005 kam die Tochter Rose zur Welt. 2006 und 2011 folgten Sterre und Jasmijn. Das Schloss ist seitdem Lebensmittelpunkt der siebenköpfigen Familie.


Sandra kümmert sich „ums Haus“. Da gibt es mehr als genug zu tun, denn es handelt sich immerhin um ein vier Hektar großes Areal mit ungeheuer großen, historischen Gebäuden. Das will alles gepflegt und erhalten werden. Zudem wurden im Laufe der Jahre Ferienwohnungen eingerichtet. So können Gäste standesgemäß im Pförtnerhaus, im Torturm oder im Schweizerhaus logieren. Alles ist mit hohem Wohnstandard versehen.


Seit zehn Jahren

© mf monumenten fotograaf

Das gesamte Anwesen ist kinderfreundlich erschlossen. Der Schlosshof wirkt beinahe wie ein Spielplatz. Dass die Gäste hauptsächlich mit gelben Nummernschildern anreisen, liegt vor allem daran, dass sich Sandra de Greeff in der niederländischen Werbebranche gut auskennt. Dort tut sie sich sprachlich einfach leichter als mit dem Deutschen, das sie mittlerweile allerdings nahezu perfekt spricht – wie auch ihr Mann. Das Klischee des holländischen Wohnwagen-Touristen wird in Möhren allerdings eindrucksvoll widerlegt.


Ruud betreibt derweil im Schloss einen Großhandel für Elektronikbauteile. Viel mehr als ein Büro ist dazu nicht nötig. Und die Senioren der Familie genießen einfach das großzügige Ambiente und den Hauch der Geschichte, den Wijk als Historiker besonders schätzt. Er hat ein regelrechtes Geschichtsmuseum eingerichtet.


Ein ganzes Schloss zu erhalten und mit Leben zu erfüllen – dazu gehört viel Idealismus. Der ist der gesamten Familie zu eigen. Es gibt noch viele Pläne für das ehrwürdige Gemäuer. Und es gibt laufend viel zu entdecken und zu erforschen – über die Vorbesitzer des Schlosses, das im Hochmittelalter einst Burg war und später Jagdschloss; über die vielen kleinen Geschichten am Rande, als nach dem letzten Krieg zum Beispiel Vertriebene in den Mauern einquartiert waren; über den zugeschütteten Geheimweg...


Engagement auch fürs Dorf


An den Schlossmauern hört das Leben der Familie aber längst nicht auf. Ganz bewusst ist sie auch im Dorf aktiv und öffnet die Tore für vielerlei Veranstaltungen – offen und überaus gastfreundlich. Schon über die Kinder gibt es viele Kontakte und Freundschaften. Und so wird in dem his­torischen Ambiente immer wieder gefeiert, beispielsweise zu St. Martin, zu Schulabschlüssen, bei allen möglichen Kinderveranstaltungen oder zum Dreikönigsfest. Die neuen Schloss­herren leben nur räumlich hoch über den Dächern des Dorfes, fühlen sich aber als Teil der Gemeinschaft.


Der Idealismus geht so weit, dass Wijk van Klaveren mit dem leerstehenden „Grünen Baum“ die ehemalige Wirtschaft des Dorfes erworben hat. Das Anwesen will er der Dorfgemeinschaft überlassen, um damit etwas gemeinsam anzufangen. Ob die Dorfgemeinschaft mit so viel Offenheit und Gemeinsinn umgehen kann, bleibt allerdings noch abzuwarten.


Es gibt auch für die Familie van Klaveren immer wieder neue Erfahrungen, was „deutsch“ ist und „fränkisch“. Das fängt schon beim Frühschoppen mit Weißwurst und Bier an – was in Holland als sehr ungewöhnlich gilt. In jedem Fall trifft die offene, niederländische Lebensart auf die eher verschlossene fränkische – ein interessanter, sympathischer und bislang sehr gelungener „Feldversuch“.
 

Bewegte Schlossgeschichte

Die urkundlich belegte Geschichte des Möhrener Schlosses reicht bis ins 12. Jahrhundert zurück. 1137 wurden die Grafenbrüder Otto und Heinrich von Mern erstmals urkundlich erwähnt. Im 13. Jahrhundert wurde die damalige Burg zerstört und ging später an die Marschälle von Pappenheim, die sie stärker befestigt wieder aufbauten. Im späteren Mittelalter gab es viele verschiedene, meist miteinander verbandelte Adelsgeschlechter, die Eigentümer der Burg samt Ländereien waren – von den Oettingern über die Seckendorffs bis hin zu den Bimbachs und den Markgrafen von Ansbach. Eine zeitlang war das Gemäuer wohl auch unbewohnt und zerfiel. 1711 wurde das heutige Schloss vom Nordendorfer Grafen von Fugger auf den Resten der Burg errichtet. Im 19. Jahrhundert fiel das Schloss mangels Erben an die bayerische Krone. Später ging es wieder an eine Pappenheimer Linie, die das Schloss 1880 historisierend erneuerte. Der letzte Graf war Max von Pappenheim, der es bis 1966 besaß. Danach gehörte das Gut der Hensoltshöhe, die es 2004 an die heutigen Schlossherren verkaufte.

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