Treuchtlingen muss für sein Guthaben „Strafe“ zahlen

21.9.2017, 06:08 Uhr
Treuchtlingen muss für sein Guthaben „Strafe“ zahlen

© Patrick Shaw

Ohne den Hinweis von Kämmerer Dominik Wenzel hätte die Änderung in der Stadt wohl zunächst kaum jemand bemerkt. An die große Glocke hängt der Bundesverband deutscher Banken seinen Schritt jedenfalls nicht. Dabei hat die Interessenvertretung von 210 privaten Kreditinstituten bereits im April beschlossen, Bund, Länder und Kommunen ab dem 1. Oktober 2017 nicht mehr unter den Schutz der freiwilligen Einlagensicherung zu stellen. Neue Geldanlagen bei Privatbanken sind somit ab diesem Zeitpunkt nicht mehr gegen eine Pleite geschützt.

Das betrifft Treuchtlingen nicht, weil die Stadt sowieso kaum Geld im Säckel hat? Falsch. „Trotz der Verschuldung verfügt Treuchtlingen über einen Kassenbestand von aktuell rund sieben Millionen Euro“, erklärt Kämmerer Wenzel. Immer wieder kommen Steuern und Fördermittel herein, werden „zwischengeparkt“ und mit einiger Verzögerung wieder ausgegeben.

Ein Teil des Geldes ist zum Beispiel für laufende oder verschobene Bauprojekte reserviert, ein anderer stammt aus den aktuell recht üppigen Gewerbesteuereinnahmen und soll den Etat in den kommenden Jahren entlas­ten. Für die Zwischenzeit „schreibt der Gesetzgeber den Kommunen vor, dieses Geld sicher und ertragreich anzulegen“, so Wenzel. Spekulationsgeschäfte sind verboten, Anlagen bei Privatbanken und mit einer lukrativen Verzinsung aber erlaubt.

Treuhänder der Bürger oder Investor?

Letztere konnten Städte und Gemeinden aber bisher nur wagen, weil ihnen der Bundesverband deutscher Banken über die freiwillige Einlagensicherung die geforderte Sicherheit vor Zahlungsausfällen garantierte. „Die Möglichkeit von Bankenpleiten ist zwar nicht mehr so präsent, aber durchaus weiterhin denkbar“, erläutert Treuchtlingens Finanzchef.

Ab Oktober stuft die Bankenlobby die öffentlichen Haushalte nun jedoch als „professionelle Investoren“ ein. Die Mitarbeiter in den Ministerien und Kämmereien seien Finanzprofis, die anders als „die Hausfrau von nebenan“ keines besonderen Schutzes bedürfen. „Das stimmt vielleicht für Bund und Länder“, kritisiert Wenzel. In den Rathäusern kleinerer Gemeinden könne aber niemand Risiken und Ratings verlässlich genug einordnen.

Das habe zur Folge, dass Kommunen wie Treuchtlingen ihr Guthaben künftig nur noch absolut konservativ anlegen werden. „Die Stadt sieht sich nicht als Investor, sondern hat den gesetzlichen Auftrag, Steuermittel der Bürger, die aktuell nicht für demokratisch legitimierte Aufgaben benötigt werden, sicher anzulegen“, so der Kämmerer. Mögliche Partner seien dabei in Zukunft wohl nur noch die durch eigene Sys­teme abgesicherten Sparkassen und Raiffeisenbanken.

Das wiederum hat aber einen anderen Haken. Denn diese Kreditinstitute verlangen wegen der derzeitigen Niedrigzinsphase für größere Beträge das sogenannte Verwahrentgelt von jährlich 0,4 Prozent der Anlagesumme – im Volksmund auch „Strafzins“ genannt. Einen dicken Reibach machen freilich auch Sparkassen und Raiff­eisenbanken nicht mit dem Geld – sie müssen es an die Bundesbank und die Europäische Zentralbank abführen.

„Letztlich bleibt der Stadt nur der Ausweg, diese Zinsen zu bezahlen“, meint Kämmerer Wenzel. Das sei auch die Mehrheitsmeinung im Stadtrat – die Sicherheit der angelegten Steuergelder gehe vor. Selbst das bayerische Innenminis­terium habe nichts gegen die Anlage kommunaler Mittel zu Negativzinsen einzuwenden.

Treuchtlingen entstehen so laut Wenzel „jährliche Kosten im niedrigen fünfstelligen Euro-Bereich“. Andererseits profitiere die Altmühlstadt bei Investitionen auch von den günstigen Darlehenskonditionen, die mit den niedrigen Zinsen einhergehen. So hat die Stadt, Bürgermeister Werner Baum zufolge, gerade erst einen Altkredit umgeschuldet und die Zinsen dabei für die nächsten zehn Jahre von über zwei auf 0,95 Prozent verringert.

Investieren, statt zu sparen

Auf politischem Weg sieht der Rathauschef keine reelle Chance, den Erhalt der Einlagensicherung doch noch durchzuboxen. Bei einigen Privatbanken gebe es zwar noch über ein Prozent als Guthabenzins. „Das Risiko können wir als Kommune aber nicht eingehen“, bestätigt Baum den Standpunkt seines Kämmerers und schlussfolgert: „Das zeigt uns umso mehr, dass wir in der jetzigen Zeit, in der das Geld auf dem Konto nichts wert ist, verstärkt investieren müssen.“

Eher nicht in Frage kommen für Kämmerer Dominik Wenzel „kreativere“ Anlageformen, wie sie beispielsweise gerade die Gemeinde Rohr im Nachbarlandkreis Roth diskutiert. Der 3600-Einwohner-Ort ist verhältnismäßig „reich“ und trägt sich mit dem Gedanken, spezielle Bausparmodelle für seine Rücklagen zu nutzen. Diese bringen aktuell zumindest um die 0,1 Prozent Zinsen.

„Unser Problem ist, dass wir in Treuchtlingen nicht in der Situation sind, Geld über mehrere Jahre parken zu können“, macht Wenzel der Stadt in dieser Hinsicht jedoch wenig Hoffnung. „Wir brauchen kurzfristige Anlageformen, und da kommen wir um die Strafzinsen nicht herum.“

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