Treuchtlinger kämpft sich nach Trampolin-Unfall zurück ins Leben

26.2.2020, 13:02 Uhr
Treuchtlinger kämpft sich nach Trampolin-Unfall zurück ins Leben

© Patrick Shaw

Acht Monate ist es her, als sich Nathanael Flisars Leben radikal und für immer veränderte. Beim Trampolinspringen im Garten brach sich der damals 16-Jährige die Halswirbelsäule. Querschnittslähmung. Es war der Beginn eines langen Wegs des Leidens und neu Lernens für den einst so sportlichen jungen Treuchtlinger und seine Familie – aber auch einer beispiellosen Welle der Solidarität. Im April kommt Nathanael nun voraussichtlich aus der Reha nach Hause – in ein Zuhause, mit dem er erst wieder zurechtkommen muss.

Davor gibt es noch ein großes "Mutmach-Konzert" mit dem ebenfalls querschnittsgelähmten Schauspieler und ehemaligen Wetten-Dass-Kandidaten Samuel Koch. Wie aber geht es Nathanael, und wie geht es für ihn weiter? Das haben wir ihn und seinen Vater Michael Flisar bei einem Besuch in der Rehaklinik gefragt.

Nathanael, was waren Deine ersten Gedanken, als Du von Deiner Querschnittslähmung erfahren hast?

Nathanael: Ich hatte schon eine Lähmung vermutet, als ich da auf dem Trampolin lag und mich nicht mehr bewegen konnte. An das alles erinnere ich mich noch genau. Mein erster Gedanke war: Falls ich gelähmt bin, will ich ein glückliches Leben mit einem neuen Sinn finden – oder sterben.


Besonderes Konzert: Samuel Koch will in Treuchtlingen Mut machen


Und wie denkst Du heute darüber?

Nathanael: Ich habe in den letzten Monaten Leute in ähnlichen Situationen getroffen, die trotzdem studiert oder sich selbstständig gemacht haben. Vieles ist möglich. Inzwischen habe ich mich an meine Situation gewöhnt, psychisch ist es aber noch schwer.

Michael Flisar: Nathanael hatte einen großartigen Arzt in der Unfallklinik in Murnau. Der hat uns gesagt, dass man so kurz nach einem solchen Unfall nicht nüchtern entscheiden kann.

Nathanael: Anfangs war es aber sehr hart. Man hatte mir die Freiheit genommen.

In einigen Wochen kommst Du nun hoffentlich nach fast neun Monaten nach Hause. Dort wird alles anders sein. Weißt Du schon, wie Du im Alltag zurechtkommen und ob Du vielleicht wieder zur Schule gehen wirst?

Nathanael: Ganz normal zur Schule zu gehen, geht nicht. Die Senefelder-Schule ist nicht komplett barrierefrei, ich könnte zum Beispiel an keinem Unterricht im ersten Stock teilnehmen. Das Mitschreiben ist ebenfalls schwierig, auch wenn ich ein Tablet mit Sprach- und Mundsteuerung habe. Außerdem kann ich derzeit maximal drei Stunden sitzen und habe drei Stunden Therapie am Tag, nach denen ich erschöpft bin. Ich habe aber definitiv Pläne, die Schule zu Ende zu machen. Eine Möglichkeit wäre ein Privatlehrer. Zuhause muss ich mich erst einmal einfinden und auch schauen, wie es geht, mit dem Rollstuhl durch die Stadt zu fahren. Das habe ich gestern schon probiert – auch über Bordsteine, was mit der Kinnsteuerung aber schwierig ist.

"Ich fände es so cool, wenn ich anderen Frühverletzten helfen könnte"

Michael Flisar: Derzeit sind wir auf Personalsuche. Rund um die Uhr muss ein Pflegedienst da sein, und es braucht dafür Profis. Wegen des Pflegenotstands ist das nicht so einfach. Im Haus haben wir viel umgebaut, aber viele Hilfsmittel werden erst bewilligt, wenn Nathanael daheim ist. Das ist ziemlich unsinnig. Die neue Treppe hat die Krankenkasse anhand von Fotos genehmigt, die Rampe zur Terrasse nicht. Es gäbe auch einen steuerbaren Greifarm, der Nathanael helfen würde. Ohne kann er ja nicht einmal eine Fliege von seinem Gesicht verscheuchen, mit dem Arm kann er sogar essen und trinken. Das wäre ein großer Schritt hin zur Selbstbestimmung, weil nicht ständig eine Pflegekraft da sein müsste. Der Arm kostet aber 80 000 Euro. Manches geht auch mit Sprachsteuerung: Meine Frau wollte schon vorher immer Alexa haben, aber ich habe gesagt, wenn die einzieht, ziehe ich aus. Jetzt überwiegt jedoch der Nutzen.

Nathanael: Das ist für mich so wertvoll!

Hast Du Dir schon überlegt, wie es für Dich danach weitergehen soll, auch beruflich?

Nathanael: Mein alter Plan war, Sportlehrer zu werden. Aber ich habe das Glück, dass ich noch am Anfang stehe. Mein Traum wäre etwas mit IT, Computertechnik oder Psychologie. Und ich möchte unbedingt mit anderen Frühverletzten sprechen und ihnen Tipps geben, denn das hätte ich mir am Anfang bei mir mehr gewünscht. Inzwischen habe ich Leute wie Samuel Koch getroffen, die mir extrem geholfen haben, und ich fände es so cool, wenn ich das auch machen könnte.

Gibt es noch andere Dinge, die Du Dir wünscht?

Nathanael: Einen doppelt so schnellen Rollstuhl. Und einmal Fallschirm zu springen.

Wird Nathanael beim Konzert mit Samuel Koch am 12. März in der Treuchtlinger Stadthalle dabei sein?

Michael Flisar: Das ist noch unsicher – er muss ja hinkommen, braucht Pflegekraft und Beatmungsmaschine. Die Unterstützung von Holm und all den anderen Menschen ist für uns aber immer noch sehr bewegend. Und wir wissen, dass wir in vielen Punkten auch Glück im Unglück hatten: Nathanael ist noch da, körperlich und als Persönlichkeit, und wir sind froh, dass wir ihn noch haben.

Ein Spendenkonto ist eingerichtet bei der Raiffeisenbank Weißenburg-Gunzenhausen, IBAN: DE72 7606 9468 0000 9252 50, BIC: GENODEF1GU1, Spendenzweck: "Nathanael" (unbedingt angeben).

Keine Kommentare