Umwelthilfe-Chef: "Kein antiquiertes Diesel-Biotop"

24.9.2019, 06:04 Uhr
Umwelthilfe-Chef:

© Patrick Shaw

Jürgen Resch ist pünktlich auf dem Podium im Kulturzentrum Forsthaus, sein Diskussionspartner Stefan Borst hat Verspätung. Resch ist mit dem Elektroauto da, Borst mit der Bahn. Irgendwie symbolträchtig – genau wie das recht kleine Publikum. Der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH) hat einen Namen in Deutschland, aber nicht den besten. "Keine Bühne für Jürgen Resch!", haben Gegner im Vorfeld aufgerufen. Die Polizei hat sogar eigens ein Auge auf Reschs Elektroauto, das an der städtischen Stromzapfsäule in der Fischergasse parkt. Man weiß ja nie... Hauptgrund für das geringe Interesse ist aber wohl eher die zeitgleiche Einkaufsnacht in der Stadtmitte.

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Ein Feindbild ist es dennoch, das Autoindustrie sowie Teile von Politik und Medien in Resch sehen. "Das muss man aushalten, auch wenn es nicht um Sachargumente geht, sondern nur noch um Verunglimpfung von Organisation und Person", erklärt der 59-Jährige zunächst Hermann Drummer vom Gastgeber-Verein "Wir sind rot-weiß". Ein Autogegner sei er jedenfalls nicht, sondern lediglich der Auffassung, dass "wir sehr viel schneller weg von CO₂-intensiven Technologien müssen, wenn wir die Klima-Herausforderung ernst nehmen". Es sei eher traurig, dass unter den 15 besten Elektroautos keines aus Deutschland sei.

"Das sollte unser Ehrgeiz sein", so Resch. "In Norwegen oder den Niederlanden verkaufen sich die Stromer schon wie geschnitten Brot. Wir sollten kein antiquiertes Diesel-Biotop in Deutschland schaffen. Wenn wir die staatliche Diesel-Subventionierung so weiterführen, fliegt uns das international um die Ohren."

Gegen aufgezwungene Veränderung

Dem stimmt auch Stefan Borst zu, als er in die Debatte einsteigt. Die deutsche Autoindustrie sei "in den vergangenen Jahren alles andere als ein Innovationsmotor gewesen" und müsse einen erheblichen Wettbewerbsrückstand aufholen. Gleiches gelte in den Bereichen Digitalisierung und Infrastruktur. Nur müsse man der Wirtschaft dafür auch die Luft zum Atmen lassen. "Von der Regierung aufgezwungene Veränderungen sind selten gut", so Borst.

 

Dem Verweis aus dem Publikum auf den hohen Wasserverbrauch bei der Gewinnung von Lithium und die Kinderarbeit beim Abbau von Kobalt für die Batterien von E-Autos begegnet Resch mit der Gegenüberstellung der ungleich größeren Umweltschäden durch die Förderung und Verbrennung von Erdöl. "Es stimmt, dass das eine Wahl zwischen Pest und Cholera ist", so der DUH-Chef. Doch anders als bei fossilen Brennstoffen würden Technologie sowie ökologische und soziale Standards im Elektrobereich immer besser.

Deshalb fordern Resch und die DUH "ein Verbrenner-Aus bis 2025". Darauf müsse sich die Wirtschaft einstellen, die "jahrelang innovative, in Deutschland erfundene Technologien verschenkt und es versäumt hat, alternative Industrien aufzubauen".

Idealismus oder Pragmatismus?

Für Stefan Borst undenkbar, schon wegen der Arbeitsplätze. Anders als ein moderner Diesel könne ein Elektroauto jederzeit "in China zusammengeschraubt werden, und die Software kommt aus den USA". Die ersten deutschen Zulieferer seien bereits in Schieflage (spürbar beispielsweise auch bei der Treuchtlinger Firma Alfmeier). Er fürchte "ein ähnliches Dilemma wie beim Atomausstieg, nach dem wir nun wieder mehr Kohle verfeuern". Bei aller Sympathie für den Umweltschutz dürfe man "nicht in Hysterie verfallen" – und das tue die DUH.

Resch wiederum verweist auf die falsche Steuerung durch die EEG-Umlage, die gerade die energieintensive Braunkohleindustrie durch Befreiungen bei der Eigenstromnutzung zu Lasten alternativer Energien bevorteile. "Genau das sind auch die Industrien mit den wenigsten Arbeitsplätzen", so der DUH-Chef. Am Ende ist sich Stefan Borst, dessen vormaligem Arbeitgeber Focus Jürgen Resch immerhin eine ausgewachsene Verleumdungskampagne gegen die DUH vorwirft, mit seinem Kontrahenten erstaunlich einig: "Die Ziele der DUH finde ich sehr lobenswert, nur ihre Methoden halte ich für mehr als bedenklich", macht der Journalist und Unternehmensberater seine Abneigung gegen die Abmahnpraxis des als gemeinnützig anerkannten Umwelt- und Verbraucherschutzverbands deutlich.

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