Wie neutral muss die Stadt Treuchtlingen berichten?

5.9.2019, 06:04 Uhr
Wie neutral muss die Stadt Treuchtlingen berichten?

© Patrick Shaw

Hintergrund ist die Juli-Ausgabe des von der Stadt als Herausgeber halbjährlich veröffentlichten Informationshefts. Darin hatte Rathauschef Werner Baum mit einem zweiseitigen Artikel unter der Überschrift "Klarheit zum Projekt Tiefengrundwasser" die Rahmenbedingungen für die mittlerweile vom Landratsamt kassierte Fördermengenerhöhung für die Firma Altmühltaler erläutert. Zwar bezieht das Stadtoberhaupt darin nicht politisch Stellung, aus seinen Argumenten ist aber recht klar die Position pro Wassermehrentnahme (samt Verknüpfung mit der Aussiedlung des Unternehmens aus der Stadtmitte) herauszulesen.

Im Vorwort weist Baum nach Ansicht der BI sogar darauf hin, "gezielt in die Meinungsbildung eingreifen" zu wollen. "Lesen Sie den nebenstehenden Artikel und bilden Sie sich Ihre eigene Meinung! Sie werden sie brauchen, sofern der angestrebte Bürgerentscheid ansteht", heißt es dort. Das widerspricht der BI zufolge der bayerischen Gemeindeordnung, die besagt: "Die im Gemeinderat und die von den vertretungsberechtigten Personen des Bürgerbegehrens vertretenen Auffassungen zum Gegenstand des Bürgerentscheids dürfen in Veröffentlichungen und Veranstaltungen der Gemeinde nur in gleichem Umfang dargestellt werden."

Schon in der Stadtratssitzung vom 11. Juli, als das Gremium einen möglichen Bürgerentscheid für zulässig erklärte, hatte die BI deshalb schriftlich die Möglichkeit zu einer Gegendarstellung in gleicher Größe und Platzierung gefordert. Windischhausens Ortssprecher Hans König hatte sogar wegen "Meinungsmache" die Verteilung des Blatts im Dorf verweigert. Doch eine Reaktion der Stadt ließ auf sich warten – bis nun Ende August zusammen mit dem Einstellungsbescheid in Sachen Bürgerentscheid ein anderthalbseitiger Brief bei der BI einging.

Sachlichkeit, aber keine Waffengleichheit

Darin schreibt Treuchtlingens dritter Bürgermeister Klaus Fackler, dass es "Ziel der Regelung in der Gemeindeordnung ist, dass vor einem Bürgerentscheid die Bürger gleichberechtigt über das Pro und Contra (...) informiert werden". Der Stadtrat habe die Zulässigkeit des Entscheids jedoch erst acht Tage nach Erscheinen des Informationsblatts festgestellt. Demzufolge habe für die Broschüre zu diesem Zeitpunkt nur das "allgemeine Sachlichkeitsgebot" gegolten. Da der Bürgerentscheid überdies nun gar nicht stattfindet, sei auch eine nachträgliche Gegendarstellung obsolet.

Die BI sieht das anders. "Als das Infoblatt verteilt wurde, lagen Ihnen bereits seit drei Wochen die Unterschriften zu dem Bürgerbegehren vor, und es war auch bereits rechtlich geprüft", schreiben die Vertreter in ihrem Offenen Brief an Bürgermeister Baum. Die Entscheidung über eine Gegendarstellung sei jedoch "mehrfach mit dem Hinweis auf Prüfung hinausgezögert worden". Auch die jetzige Auffassung der Stadt, dass sich eine Erwiderung nach Absage des Bürgerentscheids erledigt habe, teilt die BI nicht: "Mit der einseitigen Darstellung im offiziellen Informationsblatt (...) haben Sie eindeutig gegen demokratische Spielregeln verstoßen. Mit der ausschließlichen Veröffentlichung der Stadtratsmehrheit und mit der Werbung für die Pläne der Firma Altmühltaler haben Sie das Prinzip verletzt, dass beide Auffassungen zum Thema des Bürgerentscheids gleiche und faire Chancen erhalten müssen."

Die Forderung nach einer Möglichkeit zur Gegendarstellung ist den BI-Vertretern zufolge auch deshalb weiter aktuell, weil sich der Bürgermeister "bisher nicht ausdrücklich hinter den Stadtratsbeschluss vom 25. Juli gestellt hat". Damit lasse er offen, ob er nicht auch in Zukunft Pläne verfolge, "der Firma Altmühltaler den Nagelbergbrunnen in irgendeiner Form zur Verfügung zu stellen". Ebenso habe er sich nicht dazu bekannt, ob er sich "bei den Verhandlungen über Wasserrechte, die in wenigen Jahren anstehen, mit aller Kraft für nachhaltige Lösungen einsetzen und damit die Daseinsvorsorge zur Chefsache machen" wolle.

Durch Ablehnung andere Situation?

"Vom Grundsatz der Chancengleichheit her bin ich voll und ganz bei der Bürgerinitiative", räumt auch Rathaus-Geschäftsleiter Christian Kundinger ein. Allerdings sei die Druckfreigabe für das Stadtmagazin schon am 19. Juni erfolgt, nur eine Woche nach Abgabe der von der BI gesammelten Unterschriften. Zudem sei "die Situation wegen des ablehnenden Bescheids des Landratsamts anders, denn den Anliegen der Bürger, die unterschrieben haben, wurde so in anderer Form voll und ganz Rechnung getragen". Da dies am 11. Juli bereits absehbar gewesen sei, habe man mit der Antwort an die BI "bewusst gewartet, bis sich der Stadtrat positioniert hatte und die Klagefrist abgelaufen war".

Die BI habe indes wohl eine klarere Stellungnahme erwartet und sei enttäuscht worden, so Kundinger. Dass der Stadtrat das Nein aus Weißenburg akzeptiert, alle bisherigen Beschlüsse aufgehoben und keine Rechtsmittel eingelegt habe, sei jedoch durchaus eine Positionierung. "Der Stadt liegt es fern, das Gut Wasser nicht nachhaltig zu behandeln. Wir ziehen da mit der BI an einem Strang", betont der Geschäftsleiter. Es sei freilich nicht möglich, auch künftige Stadtratsgenerationen dazu zu verpflichten. Die nächste Ausgabe von "Treuchtlingen Aktuell", in der eine Gegendarstellung möglich wäre, erscheint im Dezember.


DER KOMMENTAR

Sachlich wohl schon, aber fair?

Was darf ein kommunales Mitteilungsblatt? Diese Frage treibt viele Gemeinden um. Denn immer öfter verbreiten solche Hefte nicht nur Bekanntmachungen, sondern „kapern“ die Aufgabe der Medien und berichten – oft schönfärberisch – über lokale Ereignisse und Politik. Das widerspricht laut Bundesgerichtshof dem Wettbewerbsrecht und dem Gebot der Staatsferne der Presse.

Um die Neutralität eines solchen Blatts geht es auch in Treuchtlingen, allerdings (zumindest aktuell) nicht um die Abgrenzung zur Presse, sondern um eine einseitige Darstellung. Parteipolitisch hat sich Bürgermeister Baum jedoch nicht geäußert – der Stadtrat war ja quer durch alle Fraktionen mehrheitlich für die Wasserrechtsvergabe. Und aus der Gemeindeordnung lässt sich tatsächlich herauslesen, dass der Grundsatz der „Waffengleichheit“ in kommunalen Veröffentlichungen nur im Vorfeld eines zugelassenen Bürgerentscheids gilt, nicht schon für die Phase des Bürgerbegehrens. Hier kommt allein das Sachlichkeitsgebot zum Tragen, und ein Verstoß dagegen wird dem Rathauschef kaum anzukreiden sein.

Wer Recht hat, klären andere. Unabhängig davon wäre es aber ein Gebot der Fairness (und auch Zierde eines guten Verlierers), der Bürgerinitiative im Mitteilungsblatt nachträglich die sachliche (!) Darstellung ihrer Position zu ermöglichen. Denn „die Stadt“ besteht nicht nur aus Bürgermeister, Stadtrat und Verwaltung. Ein solch transparenter Austausch auf Augenhöhe hätte der Debatte von Anfang an gutgetan. Daraus sollte man im Rathaus lernen.

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