30. März 1970: Drahtzieher bis 1972 aus dem Schneider

30.3.2020, 08:05 Uhr
Die Vermittlungsstelle Steinbühl ist einer von den neuen Nägeln mit Köpfen: sie ist so groß ausgelegt, dass ihre Kapazität bis auf über 10.000 Anschlüsse ausgebaut werden kann. Im Augenblick sind hier 4500 Telefone angeschlossen.

© Contino Die Vermittlungsstelle Steinbühl ist einer von den neuen Nägeln mit Köpfen: sie ist so groß ausgelegt, dass ihre Kapazität bis auf über 10.000 Anschlüsse ausgebaut werden kann. Im Augenblick sind hier 4500 Telefone angeschlossen.

Im Ortsnetz Nürnberg-Fürth gibt es derzeit rund 2900 Antragsteller, die schon länger als vier Wochen auf Zuteilung einer Nummer warten. Solche Wartelisten sollen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Fernmeldeamt II bemüht ist, jeden Antrag möglichst umgehend zu erledigen. Aufgrund der Vermittlungskapazitäten (derzeit rund 25.000 freie Nummern) können 90 Prozent der Wartenden sofort – das heißt innerhalb von vier Wochen – an das Fernsprechnetz angeschlossen werden.

Der andere Extremfall ist deshalb häufiger zu verzeichnen als der erstgenannte: die Fernmeldetechniker der Post finden Wohnungen vor, die oft nicht einmal im Rohbau fertig sind. Vorsichtshalber, weil von langen Wartezeiten gesprochen wurde, hatte der Mieter den Antrag schon gestellt. Mit dem Erfolg, daß die Post zunächst umsonst pünktlich sein wollte.

Im Fernmeldeamt II ist man über solche vergeblichen Fahrten nicht besonders böse, weil Antragsteller im Bereich des Ortsnetzes Nürnberg-Fürth unter Umständen tatsächlich noch mit Wartezeiten rechnen müssen. So in verschiedenen Gebieten der Stadt Nürnberg, vor allem im Süden und Nordwesten: schon im letzten Jahr musste hier darauf verwiesen werden, der Anschluss könne nicht vor 1971 oder gar 1972 gelegt werden. Das bedeutet eine Wartezeit von drei Jahren.

Dabei ist es vor allem eine Entwicklung im Wohnungsbau, die der Post hinsichtlich ihres Fernsprechnetzes stark zu schaffen macht: die schwerpunktmäßige Besiedelung wie zum Beispiel in Langwasser. Über Nacht wurden Tausende von Wohnungen aus dem Boden gestampft, und die Zahl der Telefonanwärter schnellte entsprechend in die Höhe. In solchen Fällen offenbart sich das Handikap, das die Postplanung nicht flexibel genug ist und hinter den Ereignissen einherhinkt.

Das könnte wie ein Vorwurf klingen, soll es aber nicht, wenn man bedenkt, dass das Fernsprechmeldeamt II heuer zehn Millionen Mark für neue Vermittlungsstellen ausgibt. 1969 waren es etwas weniger und für das nächste Jahr wird mit einer noch höheren Summe gerechnet. Dass solche Investitionen gewissenhafte Planung – durch Fehlkalkulation könnten andere Stadteile für Jahre in eine Sackgasse geraten – vorausgehen muss, ist verständlich, auch wenn die Post dafür fünf Jahre ansetzt.

Zusammen mit der explosionsartigen Bevölkerungszunahme in verschiedenen Stadtbezirken bedeutet das für die Post: Behelfslösungen schaffen und neue Vermittlungsstellen bauen. Denn was nützen 1000 freie Nummern in der Vermittlungsstelle Herrnhütte, wenn die Kapazität in Langwasser erschöpft ist: die verfügbaren Kabel reichen nicht aus, um die Langwassergespräche über Herrnhütte zu schalten.

Allerdings stehen in der Herrnhütte-Vermittlung auch gar keine Nummern zur Verfügung: in Ziegelstein sind in letzter Zeit neue Hochhäuser emporgeschossen – und prompt hat die Post ein Sorgenkind mehr.

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