31. März 1970: Das Frühlingsfest erstarrte im eisigen Wind

31.3.2020, 07:18 Uhr
Mit Kopftuch und hochgeschlagenem Mantelkragen, so wagten sich die Nürnberger gerade noch auf die Achterbahn (oben). – Aber der Wind war auch ohne zusätzliche „Luftfahrt“ kalt genug, so daß die meisten Plätze leer blieben (r.).

© Kammler Mit Kopftuch und hochgeschlagenem Mantelkragen, so wagten sich die Nürnberger gerade noch auf die Achterbahn (oben). – Aber der Wind war auch ohne zusätzliche „Luftfahrt“ kalt genug, so daß die meisten Plätze leer blieben (r.).

Bei Temperaturen, die nur unwesentlich über den Gefrierpunkt rutschten, brachten "böige Winde" auch Schneeschauer mit und ließen alle Hoffnungen auf ein schönes Wetter gefrieren. Viele Nürnberger hatten wohl so etwas geahnt, denn schon am Gründonnerstag verzeichnete die Bundesautobahnwache Fischbach einen gewaltigen Troß nach Süden. Und auch die Fluggesellschaften sprachen von einem starken Osterverkehr, dessen Trend eindeutig in die gleiche Himmelsrichtung wies. Athen, Italien, Spanien und Mallorca waren die begehrtesten Ziele.

Den Daheimgebliebenen scheint ob Petrus‘ kalter Schulter die Lust an großen Taten vergangen zu sein: grollend blieben sie zumeist in ihren vier Wänden. So klagte die Tiergartenverwaltung über einen "ganz miesen" Besuch, der seinesgleichen während der letzten Jahre nicht hatte. Der Hader ist verständlich, denn nur wenig mehr als 5000 Menschen fanden sich in der Zeit vom Karfreitag bis einschließlich Ostermontag im Tiergarten ein.

Auch das Frühlingsfest kam über seinen wohlklingenden Namen kaum hinaus: vom Frühling kündete nur der Kalender, und sonderlich festlich ging‘s auch nicht zu. Dreimal, jeweils von Mitternacht bis zum nächsten Morgen, mussten die Wasserleitungen abgeschaltet werden, weil Rohrbrüche drohten. Nur ein dünner Besucherstrom, ein Bruchteil wie in früheren Jahren, bewegte sich durch die Budenstraßen, und auch das Bierzelt war nicht so belegt, wie die Nürnberger es vom Frühlingsfest gewohnt sind. Bemerkenswert, wenn auch verständlich war, dass sich wenige Amerikaner sehen ließen: "payday" ist erst am heutigen Dienstag.

Einem Menschen kostete die müde Festivität sogar das Leben: dem 64jährigen Rudolf H., der in die kalten Fluten des großen Dutzendteiches stürzte und ertrank. Seine Leiche wurde gestern in der Nähe des Ufers von Ruderern beim Training entdeckt und von der Feuerwehr geborgen.

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