An der Uni lernen Senioren, mit einem Tablet-PC umzugehen

29.8.2012, 08:33 Uhr
An der Uni lernen Senioren, mit einem Tablet-PC umzugehen

© Bernd Böhner

„Ja und?“, könnte man jetzt denken. „Das ist doch Alltag.“ Aber nein, ist es eben nicht. Nicht für Menschen ab 65 Jahren. In diesem Alter befindet sich nämlich der jüngste der anwesenden Senioren, die sich auf das Inserat des Instituts für Lern-Innovation (ILI) der Uni Erlangen gemeldet haben.

Die Psychologin Amrei Tenckhoff-Eckhart und die Geografin Sonia Hetzner untersuchen, ob Tablet-PCs als Einsteigermodell besser geeignet sind als Notebooks mit Tastatur. Die Vergleichsgruppen: je knapp 20 Personen zwischen 65 und 85 Jahren. Vorkenntnisse im Umgang mit Computern: nicht oder kaum vorhanden.

„Ich bin ein Papier- und Buchmensch, wenn ich etwas wissen möchte, gehe ich in meine Bibliothek“, erzählt einer der Jüngsten. Aber: „Mich reizt schon sehr vieles, vor allem der schnelle Weg der Kommunikation.“ Diese Möglichkeit habe er während des Seminars intensiv genutzt, und es hat ihm viel Spaß gemacht. „Das Team war wirklich sehr einfühlsam und geduldig.“ Andernfalls wäre die Scheu, die die meisten der Senioren vor der völlig unbekannten Technik zu Beginn empfanden, wohl kaum zu überwinden gewesen. Immerhin: Drei von ihnen besaßen bereits vorher ein eigenes iPad. „Das habe ich von meinen Kindern zum 79. bekommen. Ich hatte regelrecht Angst vor dem Gerät!“, gesteht eine Dame. „Und jetzt ist es für mich sowohl Spielzeug und Zeitvertreib als auch ein großartiger Helfer beim Beschaffen von Informationen beispielsweise beim Planen von Ausflügen.“

Sie spricht noch einen ganz anderen Aspekt an, nämlich dass es ihr zuletzt, aufgrund krankheitsbedingter Veränderungen der Hände, kaum möglich gewesen sei, durch Briefe mit den Kindern und Enkeln zu kommunizieren. Der leicht zu bedienende Touchscreen habe sie wieder sehr viel näher an ihre Familie gebracht.

Für die meisten war es bis zu diesem Punkt ein durchaus steiniger Weg. Von null mussten sie sich an eine Technik heranführen lassen, die den jüngeren Generationen quasi schon in die Wiege gelegt wurde. Link, scrollen, App, WLan, E-Mail – sehr viele neue Begriffe, die man da lernen muss. Beim gemeinsamen „Downloaden“ des Internet-Telefon-Dienstes „Skype“ werden die Hürden deutlich.

Der Startbildschirm mit mehr als 20 „Icons“, also Symbolen, unter denen dann das passende gefunden werden soll, überfordert viele. Die per Fingerdruck zu akzeptierenden Geschäftsbedingungen „können Sie natürlich in Ruhe lesen, aber ich warne Sie – das sind 43 Seiten – manchen Sachen muss man einfach vertrauen“, versucht Sonia Hetzner zu beruhigen.

Vertrauen, sagt sie, sei ohnehin ein großes Thema, da viele Senioren massiv verunsichert reagieren, aufgrund der negativen Nachrichten über Internet-Kriminalität. Die große Skepsis habe sich jedoch innerhalb der ersten Unterrichtseinheiten gelegt und sei wachsender Begeisterung und Neugierde gewichen.

Per Fragebogen und Lerntagebuch sollten die Senioren ihre Erfahrungen dokumentieren, zusätzlich wurden Videoaufnahmen gemacht. Viel Material, das die beiden Wissenschaftlerinnen nun bis Ende des Jahres auswerten müssen. 2012 wurde von der Europäischen Union zum „Jahr des aktiven Alterns“ ausgerufen. Im Zuge dessen unterstützt das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen der Initiative „Deutschland – Land der Ideen“ das Projekt MobiSen des Instituts für Lern-Innovation.

Ein gesellschaftspolitisch wichtiges Thema, das leider, so Amrei Tenckhoff-Eckhardt, finanziell viel zu sehr vernachlässigt werde. Dabei könne man gerade mit Hilfe der neuen Medien die Phase der Selbstständigkeit massiv verlängern. Online-Sprechstunden von Ärzten und Versand-Apotheken könnten eine Alternative für Senioren mit eingeschränkter Beweglichkeit sein. Internet-Netzwerke können als soziales Auffang-Netzwerk dienen. Doch dem voran steht noch ein langer Entwicklungsweg – den die Teilnehmer der Forschungsgruppe überwiegend freudig zu beschreiten gestimmt sind.

„Ich möchte mein geliehenes iPad bitte gleich zurückgeben, geht das?“ fragt ein munterer Senior nach Abschluss des Seminars. Ob er nicht noch ein bisschen üben wolle? Nein, sagt er, nicht auf dem Leihgerät. Aber auf dem, das er sich bald zu kaufen gedenkt.
 

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