Schausteller sind außer sich

Angst vor Saufgelagen? Darum bleiben Volksfeste in Bayern verboten

3.9.2021, 08:10 Uhr
Die Schausteller betonen, dass sie vor allem Familienfeste veranstalten wollen. So wie hier am ersten Wochenende im NürnBärLand.

© Roland Fengler Die Schausteller betonen, dass sie vor allem Familienfeste veranstalten wollen. So wie hier am ersten Wochenende im NürnBärLand.

Es herrscht Aufbruchstimmung bei den Schaustellern in Deutschland. Die Allerheiligenkirmes in Soest, die normalerweise in fünf Tagen eine Million Besucher anlockt? Darf wie alle Volksfeste in Nordrhein-Westfalen auch ohne Sondergenehmigung des Landes stattfinden. Ab 2500 Besuchern gelten hier die 3G-Regeln. Die müssen aber nur stichprobenartig kontrolliert werden.

Bayern kennt keine Gnade

Der Bremer Freimarkt? Darf mit bis zu 20.000 Besuchern stattfinden. Die Martinikirmes Dinslaken? Darf wohl auch wieder Tausende Gäste an den Niederrhein locken. Und die Volksfeste in Bayern? Sind allesamt komplett verboten. Auch die mittlerweile vierzehnte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung kennt da in Paragraf 15 wieder keine Gnade.

"Mein Telefon explodiert momentan fast, so sauer sind meine Schaustellerkollegen", sagt Lorenz Kalb, Vorsitzender des Süddeutschen Schaustellerverbandes. Sehr hatte man bis zuletzt auf ein Entgegenkommen der Staatsregierung gehofft, die jetzt wieder Sport- und Kulturveranstaltungen mit bis zu 25.000 Besuchern erlaubt. Messen dürfen sogar bis zu 50.000 Gäste am Tag besuchen.

"Es ist mit erhöhtem Alkoholkonsum zu rechnen"

Doch selbst die kleinste Dorf-Kirchweih bleibt verboten. "Im Gegensatz dazu bestehen bei Messen und sonstigen Veranstaltungen andere Schwerpunkte, zum Beispiel mit beruflichem oder kulturellem Fokus", erklärt das Bayerische Gesundheitsministerium.

Und nicht nur das. Volksfeste seien insgesamt mit einem erhöhten Risiko von Infektionsübertragungen verbunden, weil sie auf Geselligkeit und Feiern ausgelegt seien. "Bei Volksfesten ist üblicherweise mit erhöhtem Alkoholkonsum zu rechnen. Im Zuge dessen sinkt auch die Bereitschaft zur Einhaltung von Hygieneregeln wie Abstand- und Maskenpflicht", teilt das Ministerium mit. Aus diesem Grund gilt auch bei anderen Veranstaltungen ab 1000 Besuchern ein striktes Alkoholverbot.

Die Argumentation der Staatsregierung lässt bei den Schaustellern nur noch mehr den Kamm schwellen. "Sie setzt das Volksfest mit der Party gleich, mit Trinkgelagen außer Rand und Band. Die Mehrzahl unserer Feste ist aber familienorientiert", heißt es von Seiten des Süddeutschen Schaustellerverbandes. Es gehe vor allem um Eltern mit ihren Kindern und Großeltern mit ihren Enkeln, um Menschen, die Karussell fahren, eine Rose schießen oder einen Spießbraten essen wollen.

Keine "Zehn nackten Friseusen"

Oder wie Lorenz Kalb es ausdrückt: "'Griechischer Wein' ist erlaubt, 'Zehn nackte Friseusen' dagegen nicht. Das ist der Unterschied zwischen Spaß haben und Ballermann. Mit Musik kann man sehr viel steuern."

Mit Veranstaltungen wie dem "Nürnbärland" als Volksfest-Ersatz in Nürnberg habe man gezeigt, wie verantwortungsvoll die Branche auftreten könne. Dort gilt eine Einbahnstraßenregelung, die Wege sind breiter, Fahrgeschäfte und Tische sind weiter voneinander entfernt als sonst.

Die Schausteller sind sehr dankbar für diese Möglichkeit, endlich einmal wieder ihrem Beruf nachzugehen. Doch weil nur 6000 Gäste aufs Gelände dürfen (an guten Volksfesttagen sind es sonst schon mal 40.000 am Tag), sind die Einnahmen natürlich auch geringer. Außerdem fanden nur 100 statt sonst 175 Schausteller Platz. "Da gab es eine wahnsinnige Solidarität. Die Schausteller haben alle freiwillig nur ein Fahrgeschäft oder einen Stand aufgebaut, damit zumindest noch möglichst viele andere noch Platz finden", erzählt Kalb.

Fürther Kirchweih? Wäre in zehn Tagen aufgebaut

Die Schausteller sind zwar dankbar für solche Ersatzveranstaltungen, doch diese reichen bei weitem nicht aus. Zwar sind in diesem Jahr ohnehin schon alle bayerischen Volksfeste abgesagt, bei einer anderen Regelung hätte man jetzt aber sehr spontan reagieren können. "Wir wären sofort zum Fürther Oberbürgermeister und Wirtschaftsreferenten gegangen und hätten gefragt, was da jetzt noch möglich ist. Innerhalb von zehn Tagen können wir Schausteller ein Volksfest aus dem Boden stampfen", verdeutlicht Kalb.

Die Schausteller wünschen sich mehr Differenzierung von Seiten der Politik. "Die haben immer das Oktoberfest im Kopf mit seinen vielen internationalen Gästen, wo 8000 Menschen dicht an dicht in einem Zelt stehen und sich die Hucke vollsaufen. Aber so sind unsere Volksfeste überhaupt nicht", meint Kalb.

Sein Verband weist darauf hin, dass die Landesregierung ja durchaus zwischen den erlaubten Biergärten und unkontrollierten Trinkgelagen und Partyambiente zu unterscheiden wissen. "Sie sollte auch die Vielschichtigkeit unserer Volksfeste erkennen", heißt es. Zumal diese viel leichter zu kontrollieren seien als das eigentlich immer noch ebenso verbotene Feiern auf öffentlichen Plätzen und Anlagen, das aber vielerorts zu beobachten ist.

Was ist mit den Weihnachtsmärkten?

Auch das Gesundheitsministerium unterscheidet in seiner Argumentation durchaus nach der Größe der Feste. Je mehr Menschen teilnähmen, desto größer sei das Infektionsrisiko, heißt es - besonders wenn noch ein überregionales Publikum zu erwarten sei. Verboten bleiben trotz alle Volksfeste.

"Es geht um Familienunterhaltung, um das Gemeinschaftsgefühl mit Familie und Freunden, nicht um Party", betont Kalb. Möglichst schnell wollen die Schausteller jetzt geklärt wissen, ob denn zumindest die für die Branche so überlebenswichtigen Weihnachtsmärkte stattfinden können. Doch dazu gibt es auch München noch keine Aussage.

Verwandte Themen