Ansbach: Drogeriemarkt verbietet Verkäuferin Kopftuch

26.1.2019, 06:00 Uhr
Ansbach: Drogeriemarkt verbietet Verkäuferin Kopftuch

© Monika Skolimowska/dpa

Seit 2002 arbeitet Erin K. in der Parfümerie des Drogeriemarkts Müller in Ansbach als Verkaufsberaterin und Kassiererin. Nie gab es Probleme - bis die junge Frau im Oktober 2014 aus der Babypause zurückkam. Denn plötzlich trug die 33-Jährige ein Kopftuch. Für ihre Chefin ein klarer Verstoß gegen die Kleiderordnung, die es Müller-Mitarbeitern untersagt, religiöse, politische oder sonstige weltanschauliche Zeichen am Arbeitsplatz zu tragen.

Gleich am ersten Arbeitstag wurde Erin K. deshalb nach Hause geschickt. Doch die nun freigestellte junge Mutter wehrte sich. Vertreten durch Rechtsanwalt Georg Sendelbeck (Kanzlei Manske & Partner, Nürnberg) klagte sie im November 2014 vor dem Ansbacher Arbeitsgericht und verlangte von der Firma Müller, wieder arbeiten zu dürfen. Es war der Beginn eines Prozess-Marathons, der nach wie vor andauert.

Nur noch Inventurarbeiten

Im Frühjahr 2015 einigte man sich zwischenzeitlich auf einen Kompromiss: Erin K. sollte im Drogeriemarkt Inventuraufgaben übernehmen - Kunden beraten und kassieren durfte sie nicht. Das Gerichtsverfahren ruhte derweil. Doch die 33-Jährige wurde mit der Regelung nicht glücklich, so Rechtsanwalt Sendelbeck: "Sie fühlte sich wie eine Praktikantin, außerdem gab es Probleme mit den Arbeitszeiten."

Deshalb traf man sich im März 2016 erneut vor dem Arbeitsgericht. Erin K. hoffte dadurch zu erreichen, dass sie wieder an der Kasse sitzen darf. Das Gericht machte den Vergleichsvorschlag, Erin K. mit Kopftuch als Verkäuferin zu beschäftigen. Doch die Firma Müller akzeptierte nicht, im Gegenteil: Ab Juni 2016 wurde die Mitarbeiterin weder beschäftigt noch bezahlt.

Das Urteil des Arbeitsgerichts in Ansbach am 28. März 2017 fiel eindeutig aus: Erin K. hätte trotz des Kopftuchs weiterbeschäftigt werden müssen - und das Gehalt, das ihr wegen des Kopftuchs entgangen war, musste nachgezahlt werden.

Besonders pikant: Nur 14 Tage zuvor hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem ähnlichen Fall entschieden, dass ein Kopftuchverbot am Arbeitsplatz zulässig ist, wenn es sich dabei um eine diskriminierungsfreie und einheitliche Neutralitätsvorgabe handelt.

"Das deutsche Arbeitsgericht hat aber das Grundrecht meiner Mandantin auf Religionsfreiheit höher bewertet als das Grundrecht der Firma auf Ausübung ihrer unternehmerischen Freiheit", so Rechtsanwalt Sendelbeck. Doch die Firma Müller ließ nicht locker und ging in die Berufung vor dem Landesarbeitsgericht Nürnberg - und wurde auch dort abgewiesen.

Allerdings: Wegen der großen Bedeutung des Falles ließ das Gericht die Revision vor dem Bundesarbeitsgericht zu. Diesen Weg ist das Unternehmen jetzt gegangen und erklärte auf Anfrage der Fränkischen Landeszeitung (FLZ): "In unserem Konzernverbund positionieren wir uns unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs unter anderem religiös neutral. Demnach ist es ein legitimes Unternehmensziel, sich weltanschaulich, politisch und religiös neutral zu stellen, indem das sichtbare Tragen entsprechender Zeichen unternehmensintern untersagt wird."

Ende vorerst nicht absehbar

Bei der Firma arbeiteten in sieben EU-Ländern rund 35.000 Mitarbeiter mit rund 80 verschiedenen Nationalitäten einträchtig zusammen, so die Firma. Mit deutlich sichtbaren Symbolen konfrontiert zu werden, könne die "negative Religionsfreiheit" von Mitarbeitern und Kunden verletzen und zu Spannungen führen.

"Im Interesse der Klärung noch immer offener arbeitsrechtlicher Fragen, sowie aufgrund der unterschiedlichen Beurteilung in der deutschen und europäischen Rechtsprechung streben wir daher eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts an", so das Unternehmen in einer schriftlichen Erklärung.

Rechtsanwalt Sendelbeck erwartet tatsächlich ein "wegweisendes Urteil". Zu Ende sein muss die Geschichte damit aber nicht. Das Gericht könnte das Verfahren ans Landesarbeitsgericht zurückverweisen. Oder es könnte den Fall an den EuGH übergeben. Da es sich um eine Grundrechtsabwägung handelt, könnte das Verfahren sogar vor dem Bundesverfassungsgericht landen.