Ansbacher Pornokino verwandelte sich in eine Kulturstätte

11.9.2014, 08:07 Uhr
Ansbacher Pornokino verwandelte sich in eine Kulturstätte

Entspannt sitzen sie auf der Terrasse. Grüne Bäume geben ein mediterranes Flair, der Gartentisch wackelt auf dem Kieselboden. Es ist ruhig. Kaum vorstellbar, dass hier fast jeden Abend volles Haus ist. Nur zwei Männer sind zu hören, sie lachen, erzählen und blicken zurück auf zwanzig Jahre Kammerspiele Ansbach. Der eine gediegen in Hemd und Stoffhose, der andere in roten Shorts, Turnschuhen mit bunten Schnürsenkeln und einem Eulen-T-Shirt.

Wolfgang Bartusch und Wolfgang Sonnenleitner, besser bekannt als Sonny, sind die Urgesteine des Vereins. Der ehemalige Lehrer und Fußballtrainer Bartusch ist Gründer und erster Vorsitzender der Ansbacher Kammerspiele e.V. und seit 24 Jahren Mitglied im Stadtrat. Er ist präsent und zeigt Gesicht. Sonny ist Programmchef und kümmert sich um das Büro.

Angefangen hat alles im einem Kinderzimmer im Oktober 1991. Wolfgang Bartusch hastete oft in den Schulpausen nach Hause zur Bürokraft Conny, die bis heute diese Aufgabe erledigt. Sie saß im Kinderzimmer und machte die Organisation. Manchmal war das Zimmer auch von der Schwiegertante belegt, dann konnte man nicht ins Büro.

„Es war kuschelig“, sagt „Sonny. „Um gehört zu werden, brauchten wir möglichst viele Mitglieder“, also gingen sie verkleidet auf die Straße, führten Kleinkunst vor oder machten Musik mit befreundeten Künstlern. Sie verkauften „Luft in Dosen“, so Bartusch, mit der Hoffnung es würde sich etwas entwickeln. Die vielen Kontakte und das Vertrauen der Bürger bescherte ihnen innerhalb dreier Monate über tausend Mitglieder. Die geplante Kleinkunstbühne entwickelte sich zum heute bayernweit mitgliederstärksten Kulturverein (2200 Mitglieder) mit durchschnittlich 120 Veranstaltungen pro Jahr.

Die Räumlichkeiten nahe der Altstadt wurden früher als Kino benutzt, auch als Pornokino. Aus den Kammerlichtspielen wurden dann die Kammerspiele. Heute beherbergt der Verein ein Restaurant, eine Bar und einen großen Saal für Veranstaltungen.

Ohne die Hilfe der Stadt wäre die Verwandlung kaum möglich gewesen. Heute beträgt der jährliche Zuschuss etwa 130.000 Euro. Das wichtigste Standbein sind jedoch die Mitglieder, die den Verein durch ihre Beiträge finanzieren und die „hochwertigen Veranstaltungen“ erhalten. Die Kammer in Ansbach ist zum größten Teil auf dem Ehrenamt aufgebaut. Außer einigen wenigen Angestellten, übernehmen Freiwillige Aufgaben wie Einlasskontrolle oder Garderobe. Die Gastronomie ist verpachtet.

Die Vision der Macher war und ist, Kleine groß zu machen. Und sie bedienen Nischen, egal ob Metal, Funk, Jazz oder Volksmusik. Natürlich müsse man auch „Kracher“ im Programm haben, sagt Bartusch „es muss sich eben die Waage halten“. „Die meisten Künstler kennt keiner“, sagt Bartusch, doch die Leute wissen, dass sie hier Qualität bekommen. Besonders regionale Akteure haben in der Kammer eine Bühne. Musikcontests, wie das „Anton“, bieten auch jungen Bands die Möglichkeit, sich einen Namen zu machen und auch die NN-Rocktour macht jedes Mal Halt in Ansbach.

Auf Künstlersuche

„Kulturverein heißt für mich, Kultur zu fördern“, betont Sonny mit Nachdruck. Seit über zwanzig Jahren fährt er auf Künstlerbörsen und sucht nach guten Acts, die er nach Ansbach holen kann. Dieter Nuhr, Urban Priol oder auch Rosenstolz machten ihre Anfänge in den Kammerspielen vor wenigen Leuten, heute füllen sie große Hallen. Das macht ihn natürlich stolz.

Die beiden Wolfgangs schwelgen in Erinnerungen, schwärmen vom „großen Miteinander“ mit Stars, erzählen, beinahe zu Tränen gerührt, wie sie einen „strammen Max“ mit Dieter Hildebrandt aßen (bei einem seiner letzten öffentlichen Auftritte) oder mit Ottfried Fischer am Tisch im Wirtshaus einschliefen.

Sonny holte Django Asyl bei seinem ersten Auftritt in Ansbach mit dem Fahrrad vom Bahnhof ab. „Mensch hat der große Augen gemacht“, lacht der große sympatische Kerl mit den langen, grauen Haaren.

Die Tische, Stühle und besonders der menschenleere, große Saal sehen vormittags trostlos aus, ja einsam. Wird Zeit, dass alles wieder mit Leben gefüllt wird. Die neue Spielzeit beginnt am 15. September mit dem 93. Ansbacher Poetry-Slam.

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