Angebot nun auch in Ansbach

"Vertrauliche Spurensicherung": Hilfe für Opfer von sexualisierter Gewalt in der Notaufnahme

Stefan Blank

Region/Bayern

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16.12.2022, 11:45 Uhr
Sexualisierte Gewalt wird häufig nicht zur Anzeige gebracht. 

© colourbox.com Sexualisierte Gewalt wird häufig nicht zur Anzeige gebracht. 

Jede dritte Frau auf der Welt erlebt häusliche oder sexualisierte Gewalt, auch Männer, Kinder und Jugendliche sind betroffen. Doch viele Taten, auch von schweren Gewaltverbrechen werden nicht unmittelbar angezeigt. Die Dunkelziffer ist nach Einschätzung von Experten sehr hoch. Betroffenen falle es meist sehr schwer, über das Erlebte zu sprechen, heißt es in einer Mitteilung der ANregiomed-Kliniken Ansbach. "Fällt die Entscheidung, die Tat doch zur Anzeige zu bringen, aber erst später, ist oft keine gerichtsfeste Beweissicherung mehr möglich."

Deshalb soll in Mittelfranken ein möglichst flächendeckendes Angebot von "vertraulicher Spurensicherung" aufgebaut werden. Im Klinikum Nürnberg, der Uniklinik Erlangen und dem Klinikum Fürth ist diese Form der Untersuchung bereits möglich, nun wird Opfern von sexualisierter Gewalt auch in der Notaufnahme der Klinik Ansbach mit diesem Angebot geholfen.

Erste Anlaufstelle: Notaufnahme

"In Deutschland besteht seit 2020 die Möglichkeit, eine sogenannte vertrauliche Spurensicherung durchführen zu lassen", erklärt ANregiomed-Pressesprecher Rainer Seeger. Doch was passiert da genau? Ärztinnen oder Ärzte untersuchen die Betroffenen, meist Frauen. "Tatbeweise werden gesichert und Spuren asserviert", erklärt Seeger. „Erste Anlaufstelle für Betroffene sind die Kolleginnen und Kollegen der Zentralen Notaufnahme“, wird Dr. Martin C. Koch, Chefarzt für Gynäkologie und Geburtshilfe am Klinikum Ansbach, in einer Mitteilung der Klinik zitiert. Möglich sei es, eine vertraute Person mitzubringen, welche das Opfer begleitet.

Die Ergebnisse der Untersuchung werden mindestens zwei Jahre gespeichert. Eine wichtige Frage ist: Wer hat Zugriff auf diese Ergebnisse, vielleicht sogar der Täter? "Die persönlichen Daten werden zwar gespeichert, unterliegen aber aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht absoluter Vertraulichkeit", heißt es von der Klinik. "Sie werden geschützt, anonymisiert gespeichert", sagt Seeger. Erst wenn das Opfer zur Polizei geht, Anzeige erstattet, es zu einem Ermittlungsverfahren kommt, werden die Ergebnisse dieser "vertraulichen Spurensicherung" auf richterliche Anordnung herausgegeben.

Dr. Martin C. Koch, Chefarzt Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe am ANregiomed Klinikum Ansbach, mit Lisa-Marie Buntebarth, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Ansbach (rechts), und Kirstin Kasecker, Ansprechpartnerin für Kriminalitätsopfer bei der Kriminalpolizeiinspektion Ansbach.

Dr. Martin C. Koch, Chefarzt Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe am ANregiomed Klinikum Ansbach, mit Lisa-Marie Buntebarth, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Ansbach (rechts), und Kirstin Kasecker, Ansprechpartnerin für Kriminalitätsopfer bei der Kriminalpolizeiinspektion Ansbach. © Tyler Larkin/ANregiomed

Kripo muss ermitteln

Die betroffene Person könne nach der "vertraulichen Spurensicherung" in Ruhe entscheiden, ob und wann sie Anzeige erstatten will. Wenn das Opfer den Täter oder die Täterin jedoch sofort anzeigen will, raten Expertinnen und Experten zu einem anderen Vorgehen. „Dann ist es am besten, umgehend die nächstgelegene Polizeidienststelle zu kontaktieren, wo erfahrene Polizeikräfte für eine Beratung zur Verfügung stehen“, erklärt Kirstin Kasecker, Ansprechpartnerin für Kriminalitätsopfer bei der Kriminalpolizeiinspektion Ansbach. Dann werde aber automatisch durch die Kripo ermittelt, sagt Kasecker, dazu seien Beamtinnen und Beamten verpflichtet, sobald sie davon Kenntnis haben.

Doch es gibt auch andere Möglichkeiten für Opfer: „Wenn sich Betroffene nicht sicher sind, wie Sie sich in einer konkreten Situation verhalten sollen, können sie sich auch jederzeit in einer Beratungsstelle über alle möglichen Schritte informieren“, wird Lisa-Marie Buntebarth, Leiterin der Gleichstellungsstelle und Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Ansbach, zitiert. „Dort wird ihr Anliegen immer vertraulich behandelt.“
Beratungsstellen finden Betroffene über den Krisendienst Mittelfranken unter www.krisendienst-mittelfranken.de beziehungsweise Telefon 0800/6553000 oder 0911/4248550. Der Krisendienst ist rund um die Uhr telefonisch erreichbar. Unter www.krisendienst-beratung.de ist auch eine Online-Beratung möglich.

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