Lehrerverband blickt besorgt in den Herbst

Appell an Söder: "Machen Sie jetzt den Lehrkräftemangel zur Chefsache!"

Kathrin Walther

Ressort Kinder, Familie und Bildung

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15.7.2022, 15:00 Uhr
Viele Pädagogen und Pädagoginnen, die ihren Job ernst nehmen, engagieren sich weit über ihr Soll hinaus für die Kinder. Das dürfe die Regierung als Dienstherr nicht ausnutzen, kritisiert der Bayerische Lehrerinnen- und Lehrerverband. 

© imago images/photothek, NNZ Viele Pädagogen und Pädagoginnen, die ihren Job ernst nehmen, engagieren sich weit über ihr Soll hinaus für die Kinder. Das dürfe die Regierung als Dienstherr nicht ausnutzen, kritisiert der Bayerische Lehrerinnen- und Lehrerverband. 

Der drohende Corona-Herbst, die Integration von rund 40.000 ukrainischen Kindern, Digitalisierung, Inklusion, Ganztag und und und - all diese Aufgaben sollen zusätzlich neben dem eigentlichen Job umgesetzt werden: dem Unterrichten, Erziehen, Beurteilen und Beraten von Kindern. Das größte Problem: Das Mehr an Pflichten verteilt sich auf ein Weniger an Schultern.

Bayerns Lehrerinnen- und Lehrerverband (BLLV) hat sich jetzt einmal mehr vor seine Mitglieder gestellt. In einer Pressekonferenz forderten Präsidentin Simone Fleischmann und ihr Vize Gerd Nitschke: Die Regierung müsse ihrer Fürsorgepflicht gerecht werden und dürfe nicht weiter den Berufsethos der Lehrerinnen und Lehrer ausnutzen.

Zwar benennt mittlerweile auch die Regierung den Lehrkräftemangel als Problem. Allerdings gingen die präsentierten Lösungen abermals auf Kosten des Personals, der Kinder - und damit auch auf Kosten der Bildungsqualität in Bayern. "Wir appellieren an den Ministerpräsidenten: Bildung muss in Bayern zur Chefsache werden, die Arbeitsbedingungen des Lehrerberufs müssen attraktiver werden, die Besoldung muss gleichgestellt und die Lehrkräfteausbildung flexibilisiert werden."

Eine Stichprobe im März 2022 ergab, dass 15 Prozent der Lehrkräfte abwesend gewesen seien - gleichzeitig sei aber nur 0,7 Prozent des Unterrichts ausgefallen. Aus solchen Ergebnissen würde die Politik ableiten: Es laufe. Doch die unbezahlte Mehrarbeit, die Lehrkräfte vor allem an Grund-, Mittel- und Förderschulen leisten, könne nicht länger als Teil der Lösung angerechnet werden, sagte Fleischmann. Vizepräsident Nitschke führte aus, dass es kein einheitliches System für zusätzlich geleistete Mehrarbeit gebe. Während Überstunden an Gymnasien und Realschulen abgerechnet werden könnten, sei das an Grund-, Mittel- und Förderschulen nicht der Fall. Dies habe auch der Oberste Rechnungshof moniert. Aktuell wehre sich etwa die Bezirksregierung von Oberbayern gegen die Auszahlung geleisteter Arbeit.

Gestückelte Besetzung der Leerstellen

Auch die zur Verfügung stehenden so genannten Anrechnungsstunden für Lehrkräfte gleichen eher dem Tropfen auf dem heißen Stein. Ein Beispiel: Bayerns Grund- und Mittelschulen haben Anspruch auf 3878 Anrechnungsstunden für digitale Systembetreuung. Bei 3364 Grund- und Mittelschulen bedeutet das: Der zuständigen Lehrkraft steht ein wenig mehr als eine Stunde pro Woche zur Verfügung.

Augenwischerei betreibe die Regierung laut BLLV auch in Sachen Stellenbesetzung. Der Leerstand werde Jahr um Jahr gestückelt gefüllt: durch die Anhebung des Ruhestands auf 65 Jahre zum Beispiel, durch das Streichen der Vorkurse Deutsch in Kindergärten oder durch die Freigabe von Stellen, die eigentlich im Haushalt als gesperrt galten. So waren etwa 1000 Lehrerstellen für das neue neunjährige Gymnasium bis zum 31. August 2025 gesperrt. Sie sollen nun im nächsten Schuljahr zur Beschulung von Kindern aus der Ukraine verwendet werden.

Viele fehlende Vollzeitkapazitäten werden außerdem durch externes Personal besetzt. Das findet sich in den Berufsgruppen wieder, die aktuell an Schulen tätig sind und mittlerweile auf fünf Seiten gelistet werden. Darunter fallen 17 Personengruppen, die keine ausgebildeten Lehrkräfte sind. Und die gerade auf die Verlängerung ihrer Jahresverträge warten. Die finanzielle Eingruppierung umfasse die Entgeltgruppen EG 3 bis EG 11 des Tarifvertrags für den Öffentlichen Dienst sowie die Beamten-Besoldungsgruppen A9 bis A 13. Fleischmann: "Das ist verwaltungstechnischer Wahnsinn."

Mit Blick auf den Herbst sagte die BLLV-Präsidentin: "Wir verfolgen das gleiche Ziel: die Vermeidung von Schulschließungen. Aber wir verlangen von der Regierung ein klares Corona-Management. Jetzt."

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