Attentat von Würzburg: Bundesanwaltschaft ermittelt

20.7.2016, 14:44 Uhr
Die angebliche Herkunft des Attentäters aus Afghanistan bezweifeln Sprachexperten.

© dpa Die angebliche Herkunft des Attentäters aus Afghanistan bezweifeln Sprachexperten.

Die Bundesanwaltschaft hat die Ermittlungen zum Axt-Angriff eines 17-jährigen Afghanen in einem Regionalzug bei Würzburg übernommen. Es bestehe der Verdacht, "dass der Attentäter die Tat als Mitglied des sogenannten Islamischen Staats zielgerichtet begangen hat", teilte die Behörde am Mittwoch in Karlsruhe mit. Die Bundesanwaltschaft verfolgt Straftaten gegen die innere Sicherheit der Bundesrepublik.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte dagegen in Berlin, der Attentäter sei ein Einzeltäter, der sich durch die Propaganda der Terrormiliz IS "angestachelt" gefühlt habe. Nach den bisherigen Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden hatte der 17-Jährige keinen konkreten Auftrag vom IS erhalten.

Der Flüchtling hatte am Montagabend in einem Regionalzug bei Würzburg-Heidingsfeld vier Menschen mit einer Axt und einem Messer angegriffen. Bei den Opfern handelte sich um eine Urlauberfamilie aus Hongkong. Danach attackierte er während seiner Flucht eine Spaziergängerin. Polizisten eines Sondereinsatzkommandos erschossen den Mann. Zwei seiner Opfer schweben in Lebensgefahr.

IS reklamiert Tat für sich

Die Bundesanwaltschaft begründete die Übernahme der Ermittlungen damit, dass die Terrororganisation IS die Tat für sich reklamiert. Außerdem habe das IS-Sprachrohr Amak ein Video des Attentäters veröffentlicht. "Vor diesem Hintergrund ist zu klären, ob weitere bislang unbekannte Tatbeteiligte oder Hintermänner in die Tat eingebunden waren." Die Behörde ermittle daher wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung und versuchten Mordes "gegen nicht namentlich bekannte Beschuldigte".

Ermittlern zufolge hatte die Tat einen islamistischen Hintergrund. Der 17-Jährige bezeichnete sich selbst in der Videobotschaft als Kämpfer des IS. Das Bekennervideo enthalte aber keine Hinweise auf eine Anordnung des IS, sagte de Maizière in Berlin. "Es ist vielleicht auch ein Fall, der im Grenzgebiet zwischen Amoklauf und Terror liegt", sagte er und sprach sich für mehr Videoüberwachung, mehr Polizei, und einen besseren Schutz der Polizeibeamten aus.

De Maizière sieht bisher keinen Anlass, an der afghanischen Nationalität des Attentäters zu zweifeln. Gegen die seit Dienstagabend diskutierte Annahme, es könne sich um einen Pakistaner handeln, spreche, dass möglicherweise der Tod eines Freundes in Afghanistan ein auslösendes Motiv gewesen sein solle. Zudem gebe es einen Antrag auf Zusammenführung der Familie - und dieser beziehe sich auf Afghanistan und nicht auf Pakistan.

Wann sich der junge Mann radikalisierte, ist bislang unklar. Die Ermittler äußern sich noch nicht dazu, wann das Bekennervideo aufgenommen wurde und ob der 17-Jährige den Text dafür allein verfasst hat. Das bayerische Innenministerium bestätigte lediglich die Echtheit des Videos. Dafür wurden Gesichtsvergleiche des Bundeskriminalamtes genutzt. Außerdem hätten Zeugen auf dem Video klar erkannt, dass dieses in Würzburg aufgenommen wurde.

Die Polizei hatte in seinem Zimmer unter anderem eine handgezeichnete Flagge des IS und einen Abschiedsbrief an seinen Vater gefunden. Den Sicherheitsbehörden war der Jugendliche zuvor nicht aufgefallen.

Zwei Opfer in Lebensgefahr

Die zwei Opfer, die in Lebensgefahr schweben, werden in Würzburg behandelt. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur handelt sich um den 62-jährigen Vater der Urlauberfamilie aus Hongkong und den 30-jährigen Freund der Tochter. Außerdem wird dort die schwer verletzte 51-jährige Fußgängerin behandelt. Die Tochter (26) der Familie aus Hongkong wurde ins Klinikum Nürnberg gebracht. Sie sei auf dem Weg der Besserung, sagte eine Sprecherin. Ein weiteres Opfer wird in der Missionsärztlichen Klinik in Würzburg behandelt - wohl die 58 Jahre alte Mutter. Ein Sprecher bestätigte dies nicht.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bekräftigte angesichts der Bluttat die Forderung seiner Partei, den Zuzug von Flüchtlingen zu begrenzen. Nur dann könne man sich mit jenen, die wirklich fluchtberechtigt sind, intensiv befassen und "alles dafür tun, dass die nicht derartig aus dem Ruder laufen", sagte Herrmann der ARD.

Die Staatsanwaltschaft Würzburg leitet unterdessen die Ermittlungen zu den Schüssen, die den 17-Jährigen töteten. Nach Angaben des Leitenden Oberstaatsanwalts Bardo Backert wurde der Mann von vier Kugeln getroffen. Zwei der Schüsse waren demnach tödlich. Wie viele weitere Schüsse die Beamten abgaben, die den 17-Jährigen verfehlten, müsse noch untersucht werden. Der junge Mann sei von einem der Polizisten, die ihn stellten, wohl seitlich in den Kopf getroffen worden.

Dieser Artikel wurde aktualisiert am 20. Juli um 18.21 Uhr.