Aus Erfahrung gut - und süß

8.10.2009, 00:00 Uhr
Aus Erfahrung gut - und süß

© Paul

Ein Bild von einem Baum

Thomas Protze wird nicht müde, all den Unkundigen vor seinem Stand in der Königstraße zu erklären, dass sie mit ihrer Annahme auf dem Holzweg sind. Denn das große braune Schokoladending ist nicht etwa ein Baumkuchen, sondern ein Baumstamm. «Ich werde eigentlich jeden Tag gefragt, was das ist», sagt Protze mit ein bisschen Stolz über seine Spezialität mit Tradition. Seine Familie steht schon seit 59 Jahren auf der Michaelis-Kirchweih und bietet dabei allerlei Süßes an, was schon die Großeltern kannten. Das Rezept für den Baumstamm stammt von seinem Großvater, und der 58-Jährige hütet es wie einen Schatz. Doch das Wesentliche erschmecken wir selbst: Waffeln, Schokolade und vor allem viele verscheidene Buttercremes, die diese Süßigkeit zur echten Versuchung machen. Doch Sündigen lohnt sich!

Gut und bekömmlich

Semantisch betrachtet ist dieses Zuckerl eigentlich eine Zumutung. Denn Magenbrot und Magenzucker erinnern eher an Gastritis und Bauchschmerzen als an süße Versuchungen beim Kirchweihbesuch. Und in der Tat tun die kleinen braunen Stückchen gut. « Es sind sicher die Gewürze wie Ingwer oder Zimt, die gut bekömmlich sind», sagt Thomas Protze, der es wissen muss. Auch wenn er Magenzucker verkauft: herrlich süße und doch scharfe Stückchen, die auf der Zunge zergehen und vor allem aus Zucker, Zimt, Ingwer «und ein paar Geheimnissen» bestehen. Das Magenbrot ist da schon bissiger. Denn im Grunde handelt es dich dabei um nichts anderes als eine Art Lebkuchenteig, der geschnitten und schön glasiert wird. Dem bekömmlichen Ruf vertrauen übrigens vor allem ältere Kärwa-Besucher, wie Protze verrät.

So schmeckt die Liebe

Die Kunden, die sie am liebsten haben, wissen noch nicht viel von der Liebe. Denn Liebesperlen sind vor allem bei kleinen Kindern der absolute Renner. «Ich denke mal, dass liegt auch an der Flasche, in der sie sind. Da sind sie die Kleinen stolz, wenn sie so was dann festhalten dürfen», sagt Thomas Protze. Doch die kleinen Kügelchen, die unter anderem aus Zucker, Dextrose und Aromastoffen bestehen, gibt es entsprechend der Zielgruppe natürlich auch in Plastikspielzeug verpackt. Dabei sind sie vor allem sehr süß und flüchtig im Geschmack, denn schnell sind sie verputzt. Ein Klassiker bleiben sie trotz der Verpackung. Denn sie gibt es schon seit Beginn des 19. Jahrhunderts für Kleine und die, die darin den Geschmack der Liebe suchen.

Schmelz mit Frische

Ältere Semester könnten beim Anblick der rosa-weißen Tafeln Angst um ihre Dritten bekommen. Aber weit gefehlt. Pfefferminz zerfließt sofort im Mund. Denn neben Pfefferminzöl und Zucker steckt in den Täfelchen auch Fondant - eine Masse aus Wasser, Saccharose sowie Glucosesirup und Invertzuckercreme. Der zarte Schmelz schmeckt dabei nicht nur süß, sondern Dank der Pfefferminze auch frisch und lässt den Genießer kräftig durchatmen.

Verführerischer Apfel

Manches lässt sich einfach nicht ergründen. Auch bei dem x-ten Besuch in der Friedrichstraße erfahren wir nicht das Geheimnis von «Willi‘s Mandeln». Denn das Rezept wird von seiner Witwe gut gehütet und lockt jedes Jahr aufs Neue Stammkunden und Neugierige an. Freilich gehört bei diesem Traditionsbetrieb zwischen Mandeln und Magenbrot auch der Liebesapfel. Eingetütet in Zellophan strahlt er in verführerischem roten Zuckerguss und ist dabei alles andere als ein Zufallsprodukt. «In der Regel haben sie einen Größe von 70 bis 80 im Durchmesser», sagt Peter Protze, der hier mit Frau Petra und Gunda Müller die Geschäfte führt. Zuerst kommt ein Apfelspieß in das Apfelhäuschen. Danach nimmt der Apfel ein kurzes, aber sehr heißes Bad in einem Gaskocher. Bei 160 Grad wird er in einer Masse aus Zucker und Glucosesirup plus Farbstoff getaucht, um danach sofort zu erkalten. Ein echter Klassiker, hinter dem sich am Ende doch nur ein schön verpackter Apfel verbirgt. In der

Friedrichstraße greift man am liebsten zu Gala oder Golden Delicious. Diese Sorten sind schön säuerlich und ideal für die süße Schicht, die man am besten schleckt.

Gute Besserung, mei Scheißerla!

Es gibt ja eine Menge, was man sich sagen kann, und über Kosenamen kann man sich streiten. Doch zu jeder ordentlichen Kirchweih gehört seit Generationen auch ein Lebkuchenherz. Es gibt sie garniert mit Sinnsprüchen, bestückt mit Gummibärchen oder Sympathiebekundungen. Bei den Protzes aus Seukendorf (Kreis Fürth) wird man deutlich: «Gute Besserung», «Mei Scheißerla» oder einfach nur «Ich liebe Dich» - eigentlich lässt sich mit den Herzen alles sagen. Das mag auch der Grund dafür sein, dass es bei diesem Kirchweihoriginal keine Zielgruppe gibt. Gebacken sind sie von den Protzes selbst. Mehl, Zucker, Honig und eine gute Gewürzmischung verkürzt die Zeit bis Weihnachten. Denn dann genießen wir Lebkuchen wieder in runder Form.

Drei Farben Süß

«Das schmeckt jedem» - sagt zumindest Thomas Protze und reicht wie zum Beweis selbstsicher ein leckeres Exemplar seiner Kokoswürfel über den Tresen. Die dreifarbige Süßigkeit besticht durch ihr kleines Feuerwerk der Geschmacksrichtungen, denn hier treffen sich Schokolade, Kokos und Pfefferminze, wobei der Bestandteil freilich wieder Zucker ist. Wegzudenken ist der dreifarbige Klassiker nicht von den Süßwarenständen der Michaelis-Kirchweih und wird sicher noch zu haben sein, wenn Chili–Nüsse, fettreduzierte Mandeln und Wasabi-Kerne längst anderen Vorlieben wieder Platz gemacht haben.

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