Axt-Angreifer von Würzburg radikalisierte sich wohl selbst

19.7.2016, 15:14 Uhr
Axt-Angreifer von Würzburg radikalisierte sich wohl selbst

© dpa

Bei dem Axt-Angriff in einem Regionalzug bei Würzburg sieht Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bisher keine Hinweise für eine Vernetzung des Täters mit der Terrormiliz IS. Der selbst ernennte Islamische Staat (IS) hatte die Tat mit fünf Verletzten laut IS-nahen Medien für sich beansprucht. Die Ermittler hätten am Wohn- und Tatort jedoch "keinerlei Indizien" für eine Vernetzung des 17 Jahre alten Angreifers mit islamistischen Organisationen gefunden, sagte Herrmann am Dienstag in München.

Nach der Axt-Attacke hatten Ermittler Hinweise auf einen möglichen islamistischen Hintergrund des erschossenen Täters entdeckt. "Bei der Durchsuchung seines Zimmers ist auch eine handgemalte IS-Flagge gefunden worden", sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Dienstag im ZDF-Morgenmagazin. Auch ein Zeuge berichtete Herrmann zufolge, der Täter habe bei seinen Attacken "Allahu akbar" ("Gott ist groß") gerufen.

Bei dem Angreifer, einem Jugendlichen aus Afghanistan, sei ein Text gefunden worden, der darauf hindeutet, dass sich der 17-Jährige "in letzter Zeit selbst radikalisiert hat", sagte Herrmann später. Doch "das ist alles noch nicht erwiesen". Der Text drehe sich um das Leben der Muslime, wonach diese sich zur Wehr setzen müssten.

Der Asylbewerber war am Montagabend mit einer Axt und einem Messer auf Fahrgäste in einem Regionalzug bei Würzburg-Heidingsfeld losgegangen. Vier Menschen wurden schwer und einer leicht verletzt. Mindestens zwei Menschen schwebten am Morgen noch in Lebensgefahr, wie Herrmann im Bayerischen Rundfunk und im ZDF-Morgenmagazin mitteilte: "Wir hoffen, dass die Schwerverletzten überleben." Bei der Flucht aus dem Zug habe der Angreifer eine weitere Person verletzt.

"Er war (...) allein in dem Zug. Er hat allein die Taten begangen", sagte Herrmann. Unter den Opfern im Zug sind vier Mitglieder einer Touristenfamilie aus Hongkong. 14 Menschen erlitten einen Schock. Die Polizei erschoss den Angreifer, als er flüchtete. Das bayerische Landeskriminalamt hat die Ermittlungen übernommen. Der Staatsschutz konzentriert sich darauf, das Motiv des Täters aufzuklären.


Amoklauf in Zug bei Würzburg: Täter erschossen


Den Ermittlungen zufolge war der Jugendliche vor etwa zwei Jahren als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Deutschland gekommen. Seit vergangenem Jahr war er als Asylbewerber registriert. Seit März war er in einem Heim im Landkreis Würzburg untergebracht, die letzten zwei Wochen in einer Pflegefamilie.

Nach Angaben der Bundespolizei hatten etwa 25 bis 30 Menschen in dem Regionalzug von Treuchtlingen nach Würzburg gesessen. Die Bahn war kurz vor dem Ziel, als der Angreifer losschlug. Als der Zug per Notbremse stoppte, sprang er aus dem Zug und flüchtete.

Ein Spezialeinsatzkommando der Polizei, das zufällig wegen eines anderen Einsatzes in der Nähe gewesen war, nahm die Verfolgung auf. Als der Jugendliche auch auf die Einsatzkräfte losgegangen sei, hätten diese das Feuer eröffnet, sagte Herrmann in der Nacht.

Man wisse nicht, welche Pläne der Täter auf seiner Flucht noch verfolgt habe. Es sei nicht ausgeschlossen gewesen, dass er noch weitere Menschen attackiert hätte. Deshalb sei es "gut und richtig", dass die Polizei mit ihrem Vorgehen "weitere schreckliche Taten" ausgeschlossen habe, sagte Herrmann. Grünen-Politikerin Renate Künast kritisierte die Schüsse auf Twitter und verursachte damit einen gewaltigen Shitstorm.

Vier Verletzte gehörten zu einer Urlauberfamilie aus Hongkong. Der Vater (62) und die Mutter (58) einer Tochter (26) sowie deren Freund (30) wurden verletzt, wie die Deutsche Presse-Agentur in Hongkong erfuhr. Ein fünfter Mitreisender, der 17-jährige Sohn, sei unverletzt davon gekommen, berichtete eine amtliche Quelle, die nicht genannt werden wollte.

Der Hongkonger Regierungschef Leung Chun-Ying verurteilte den Angriff und sprach den vier Verletzten und ihren Angehörigen sein Mitgefühl aus. Repräsentanten der Hongkonger Wirtschaftsvertretung in Berlin besuchten die Opfer im Krankenhaus in Würzburg.

Der Vater und der Freund hätten versucht, die anderen Mitglieder in der Gruppe vor dem Angreifer zu schützen, berichtete die Hongkonger Zeitung South China Morning Post, die das Alter der Tochter und des Freundes etwas anders angab.

Der Fall erinnert an eine Messerattacke vor gut zwei Monaten in einer S-Bahn in Grafing nahe München. Damals hatte ein Mann einen 56 Jahre alten Fahrgast getötet, drei weitere wurden teils lebensgefährlich verletzt. Der mutmaßliche Täter hatte nach seiner Festnahme wirre Angaben gemacht und war deswegen vorläufig in eine psychiatrische Klinik eingewiesen worden. Nach einer ersten Einschätzung war der Mann aus dem hessischen Grünberg bei Gießen schuldunfähig oder zumindest vermindert schuldfähig.