Häusliche Gewalt in Bamberg: Welchen Einfluss hat die Corona-Pandemie?

4.4.2021, 14:11 Uhr
Symbolbild: Laut der Kriminalstatistik 2020 nahm die häusliche Gewalt in Oberfranken ab.

© dpa Symbolbild: Laut der Kriminalstatistik 2020 nahm die häusliche Gewalt in Oberfranken ab.

Wenn es um häusliche Gewalt geht, denken viele an körperliche Misshandlungen wie blaue Flecken durch regelmäßiges Prügeln oder Vergewaltigungen. Doch die Erscheinungsformen sind vielfältig: Es reicht, Menschen durch Beleidigungen, Demütigungen und Einschüchterungen unter Druck zu setzen, um ihnen dauerhaft zu schaden und ihre Würde zu verletzen.


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Die bereits seit über einem Jahr andauernde Corona-Pandemie stellt eine extreme Situation für die Betroffenen dar. Menschen, die unter körperlicher und psychischer Gewalt in den eigenen vier Hauswänden leiden, haben es durch die Corona-Einschränkungen schwerer, persönlichen Kontakt zu anderen aufzunehmen.

Vor allem weibliche Opfer

Eine Studie der Uni Bamberg legt nahe, dass Frauen in Deutschland besonders stark unter der Pandemie leiden. Zudem leidet jedes dritte Kind psychisch unter der Pandemie - die Gewaltambulanz der Charité meldet 23 Prozent mehr häusliche Gewalt gegen Kinder als vor der Corona-Krise, wie die Zeit berichtete. Steigt die häusliche Gewalt auch in Bamberg?

Die Kriminalstatistik 2020 zeigt zunächst Gegenteiliges: Die Zahl der bestätigten Fälle häuslicher Gewalt ging im Vergleich zu 2019 in Oberfranken um 108 Fälle zurück. Das bedeutet einen Rückgang von 5,7 Prozent. Das Verhältnis von etwa 80 Prozent männlichen Tatverdächtigen und etwa 80 Prozent weiblichen Opfern ist laut der Statistik seit vielen Jahren konstant.

Allerdings versteht die Polizei unter häuslicher Gewalt keineswegs alle Fälle von Gewalt in der Familie, sondern ausschließlich (Ex-)Partnergewalt. Der Missbrauch von Kindern gehört beispielsweise nicht dazu.

Anstieg der Vergewaltigungen

Ein ganz anderes Bild zeigt sich bei den Sexualdelikten: Bei den Vergewaltigungen in Oberfranken liegt ein Zuwachs von 11,9 Prozent vor. Der sexuelle Missbrauch von Kindern stieg im Vergleich zum Vorjahr sogar um 12,5 Prozent.

Wie hängen diese Zahlen mit der Pandemie zusammen? Die Polizei weist darauf hin, dass die Statistik die kurzfristigen Auswirkungen der Corona-Pandemie nicht erfassen könne. Dafür brauche es weitere Untersuchungen. Weitere Hinweise liefern jedoch Menschen, die beruflich mit dem Thema häusliche Gewalt in Kontakt kommen.

Schwierige Situation - aber kein Gewaltanstieg?

"Wir haben in der sozialpsychatrischen Beratungsstelle kein verstärktes Beratungsaufkommen hinsichtlich häuslicher Gewalt", so Dr. Susanne Paulmann, Leiterin des Bamberger Gesundheitsamts.


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Ähnliches berichtet der Kinderschutzbund Bamberg: "Von einer Zunahme der häuslichen Gewalt habe ich nichts mitbekommen", berichtet die Vorsitzende Annerose Ackermann. "Wir beobachten jedoch, dass es nach einer Verschärfung der Maßnahmen zu einer größeren Belastung der Kinder und Jugendlichen kommt. Den meisten fehlt einfach eine Struktur für den Tag. Zudem leiden gerade die Jüngeren darunter, ihre Freunde nicht persönlich zu treffen. Zwischen den Lockdowns war die Stimmung besser."

Das Jugendamt der Stadt Bamberg äußert sich ebenso besorgt über die erschwerten Verhältnisse durch Corona: "Die aktuellen Rahmenbedingungen der Pandemie stellen die Gesellschaft vor große Herausforderungen. Geschlossene Kitas und Schulen, Kurzarbeit der Eltern, Home-Office und Home-Schooling sowie fehlende Vereinsaktivitäten oder Ähnliches bringen Familien an ihre Grenzen und einige Familien auch über diese hinaus", sagt Stephanie Schirken-Gerster, stellvertretende Amtsleiterin.

Mehr Probleme in Großstädten

Ein sprunghafter Anstieg der häuslichen Gewalt bei Kindern und Jugendlichen sei nicht zu beobachten. Allerdings würden Erwachsene über einen Anstieg der häuslichen Gewalt berichten. "Hierbei können dann auch Kinder und Jugendliche mittelbar betroffen sein, da sie sich zum Zeitpunkt des Vorfalls mit in der Wohnung aufgehalten haben", so Schirken-Gerster.

Die Zahl der Aufnahmen von Kindern und Jugendlichen durch das Jugendamt sei in der Stadt Bamberg derzeit nicht außergewöhnlich hoch. Schirken-Gerster geht davon aus, dass diese Probleme in Großstädten und großen Ballungszentren öfter auftreten.

Erschwerte Bedingungen für die Opfer

Bettina Hainke vom Bamberger Frauenhaus glaubt, dass die Möglichkeiten, sich Hilfe zu holen, besonders für Frauen schlechter geworden sind. „Die Männer befinden sich gerade vermehrt im häuslichen Umfeld beispielsweise wegen Homeoffice, Kurzarbeit oder Arbeitsplatzverlust. Diese Situation erschwert es den Frauen, zu telefonieren, Hilfe zu suchen oder auch unbemerkt die wichtigsten Sachen zusammenzupacken und mit ihren Kindern die Wohnung zu verlassen. Zudem fehlt oft der Mut, sich zu wehren.“

Ob die Gewalt tatsächlich zunehme, könne sie nicht einschätzen: "Wir hören von anderen Frauenhäusern unterschiedliche Erfahrungen. Bei uns in Bamberg gingen die Aufnahme- und Beratungsanfragen eher zurück".

Mehr Fälle zwischen den Lockdowns

Dabei kommt es jedoch auf den Zeitraum an: "Zwischen den Lockdowns, wenn die Kontrolle der Täter schwindet, sehen wir gerade zwischen dem Sommer und dem Winter 2020 einen deutlichen Anstieg der gemeldeten Fälle", stellt Hainke heraus. Aus ihrer Sicht stehen Frauen, die den Mut aufbringen, sich von Tätern zu befreien, vor dem nächsten Problem: Wie finde ich bezahlbaren Wohnraum?

Auch wenn die Zahlen für die Region Bamberg keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen gestiegener häuslicher Gewalt und der Corona-Pandemie nahelegen, so zeigen die Gespräche mit den Beratungsstellen, dass das Ausmaß der bislang unentdeckten Gewalt groß sein könnte. Egal ob vor, in oder nach der Pandemie: Es gilt, wachsam zu bleiben.


Von Gewalt Betroffene finden kostenfreie Hilfe beispielsweise beim Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" (08000 116 016), der Nummer bei sexuellem Missbrauch (0800 22 55 530) oder der Nummer gegen Kummer für Kinder und Jugendliche (116 111). Weitere Anlaufstellen finden Sie auf der Seite des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales.

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