Missbrauchsfälle in der Kirche: Erzbistum Bamberg ruft neue Kommission ins Leben

25.2.2021, 16:09 Uhr
Missbrauch im Zeichen des Kreuzes: 88 Menschen sollen bis 2015 im Erzbistum Bamberg Opfer von sexuellem Missbrauch geworden sein.

© Jule Dressler Missbrauch im Zeichen des Kreuzes: 88 Menschen sollen bis 2015 im Erzbistum Bamberg Opfer von sexuellem Missbrauch geworden sein.

Dass es in der katholischen Kirche immer wieder zu Missbrauchsfällen gekommen ist, ist hinlänglich bekannt. 2018 legte eine Studie die Missbrauchsfälle von 1946 bis 2015 im Bamberger Erzbistum dar, zudem auch Forchheim gehört. Demnach ist von 88 mutmaßlichen Opfern die Rede, die zum Zeitpunkt der Vorfälle zwischen vier und 20 Jahre alt waren - darunter 56 Männer und 32 Frauen.

Hat die katholische Kirche aus den Fehlern gelernt?

In 41 Fällen gab es Hinweise auf Grenzverletzungen und sexuellen Missbrauch. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Erzdiözese werteten damals 1711 Personalakten aus. Nun stellt sich die Frage, inwieweit das Erzbistum Bamberg seinem Versprechen nachgekommen ist, alles dafür zu tun, Präventionsarbeit zu leisten und die Opfer zu unterstützen.

Auf Nachfrage berichtet Harry Luck, Pressesprecher des Erzbistums, dass im Ordinariat eine Koordinierungsstelle zur Prävention sexualisierter Gewalt besteht. "Es gibt zudem ein umfassendes Präventionsprogramm, zu dem alle Mitarbeitenden im Kinder- und Jugendbereich verpflichtet sind", so Luck. Ziel sei es, in allen Einrichtungen eine Kultur der Achtsamkeit zu etablieren.

Um sexuelle Missbrauchsfälle aufzuarbeiten, ruft das Erzbistum zusätzlich eine neue Kommission ins Leben. Das Gremium tritt heute zu einer konstituierenden Sitzung zusammen und wählt eine/n Vorsitzende/n. Wie die Kommission dann weiterarbeitet, wird sie selbst entscheiden.

Opfer sollen eingebunden werden

Nach den Angaben von Luck besteht die Kommission aus zwei Betroffenen, zwei Mitarbeitern des Erzbistums Bamberg, einem Richter eines staatlichen Gerichts, einer freiberuflichen Diplom-Psychologin und einem Moraltheologen. Die Mitglieder der Kommission sind für drei Jahre berufen, eine wiederholte Berufung ist möglich.

An der Studie von 2018 beteiligte sich auch Eva Hastenteufel-Knörr, Rechtsanwältin und Missbrauchsbeauftragte des Erzbistums Bamberg. Sie wird als ständiger Gast ohne Stimmrecht der Kommission beiwohnen. "Die Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch ist sehr wichtig und soll unter anderem sowohl das erlittene Unrecht und dessen Folgen für Betroffene benennen, aber auch aufzeigen, welche Umstände und Strukturen sexuellen Missbrauch begünstigen und die Aufdeckung verhindert haben", so Hastenteufel-Knörr.

Die Ermittlungen der Kommission müssen ihrer Ansicht nach auch in die Schutzkonzepte der kirchlichen Einrichtungen einfließen. Dabei sei entscheidend, dass Betroffene an dieser Aufarbeitung beteiligt werden und sich einbringen können.

Immer noch laufende Verfahren

Generell zeigt sich Hastenteufel-Knörr davon überzeugt, dass sich das Erzbistum Bamberg auf einem guten Weg befindet: "Ganz wichtig ist, dass die Verfahrenswege nun bekannt sind. Die Sensibilität ist in jedem Fall gestiegen. Auch bei Fällen, die nicht den kirchlichen Bereich betreffen, wird die Präventionsstelle oder das Interventionsteam präventiv tätig, wenn Zusammenhänge entstehen können", meint die Rechtsanwältin.

Derzeit laufen noch Ermittlungen wegen des Verdachts des Missbrauchs. Die Fälle liegen allerdings Jahrzehnte zurück. Nach den Angaben von Hastenteufel-Knörr gab es seit 2019 zwei Meldungen, in denen es um ein problematisches Nähe-Distanz-Verhältnis geht. Darüber hinaus gingen bei der Missbrauchsbeauftragen Anfragen aus Kindergärten ein. Dabei handelt es sich um körperliche Gewalt bzw. Zwangsfütterung.

Frauen-Initiative kritisiert die Machtstrukturen

Zudem kam es auch zu Verurteilungen: "Ich bin seit 2011 Ansprechperson für Verdachtsfälle und mir sind in diesem Zeitraum zwei Verurteilungen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern bekannt. Die meisten Fälle, die wir umgehend nach Erhalt der Meldung in Abstimmung mit dem oder der Betroffenen angezeigt haben, wurden wegen Verjährung eingestellt", sagt Hastenteufel-Knörr.

Maria 2.0, eine Initiative von katholischen Frauen, fordert grundsätzliche Reformen in der katholischen Kirche. Die Frauen platzierten sieben Thesen an Dom- und Kirchentüren. Sie kritisieren "eklatante Missstände in der katholischen Kirche" und beziehen sich dabei auf mutmaßlichen Machtmissbrauch sowie den Umgang mit sexualisierter Gewalt bis hin zur Vertuschung. Der Bewegung geht es unter anderem darum, dass Frauen Zugang zu allen Ämtern in der Kirche erhalten und die Kirche ihre Sexualmoral erneuert.

Hastenteufel-Knörr begrüßt die Forderungen: "Die Kirche muss sich auch aus meiner Sicht dieser Kritik stellen. Gestern wurde zum ersten Mal in der Geschichte der Deutschen Bischofskonferenz eine Frau zur Generalsekretärin bestimmt, was auch mich gefreut hat. Inwieweit es strukturelle Veränderungen in dieser Hinsicht auch für eine konsequente Aufarbeitung braucht, wird sich zeigen."

Das Erzbistum ist gesprächsbereit

Auch Pressesprecher Luck zeigt sich offen: "Wir sind bereit zum Dialog mit den Kritikerinnen und Kritikern. Die genannten Themen stehen auf der Tagesordnung bei der Bischofskonferenz und vor allem auch beim Synodalen Weg, wo es um strukturelle Veränderungen und Konsequenzen aus den Missbrauchsfällen geht", so Luck.

Die Förderung von Frauen in Führungspositionen sei im Erzbistum ein großes Thema. Nach seinen Angaben werden drei von acht Hauptabteilungen im Ordinariat seit letztem Jahr von Frauen geleitet. Außerdem wurde das Amt einer Ordinariatsdirektorin geschaffen.

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