Nach 40 Jahren: Der Bamberger Wagen 72 kehrt zurück

25.3.2020, 12:59 Uhr
Noch liegt viel Arbeit vor Harald Wessely und seinen Mitstreitern. Spätestens nächstes Jahr soll Wagen 72 wieder in seinem alten Glanz erstrahlen. Die letzten 40 Jahre hat der Oldtimer erstaunlich gut überstanden - sogar die historische Werbebeklebung eines Bamberger Baumarktes ist noch vorhanden.

© Martin Regner Noch liegt viel Arbeit vor Harald Wessely und seinen Mitstreitern. Spätestens nächstes Jahr soll Wagen 72 wieder in seinem alten Glanz erstrahlen. Die letzten 40 Jahre hat der Oldtimer erstaunlich gut überstanden - sogar die historische Werbebeklebung eines Bamberger Baumarktes ist noch vorhanden.

"Stadtwerke Bamberg Verkehrsbetrieb" steht in gelben Buchstaben auf dunkelgrünem Grund auf dem Blech unter dem Fenster des Fahrers. Damit ist unverkennbar, dass es sich tatsächlich um einen originalen Bamberger Linienbus handelt. Gebaut anno 1963 bei Magirus-Deutz in Mainz, damals einer der größten deutschen Omnibushersteller.

Bis zu seiner Ausmusterung Ende der 1970er-Jahre spulte der Bus stolze 529.715 Kilometer auf den Bamberger Straßen ab. Mit dem Verkauf an einen Schrotthändler, der für das Fahrzeug im Jahr 1980 genau 100 D-Mark bezahlte, hätte die Geschichte von Wagen 72 zu Ende sein können. Doch es sollte anders kommen: Auf einem heute nicht mehr im Detail rekonstruierbarem Weg gelangte der Bus vom Typ "Saturn II" nach Wien ins Depot des dortigen Omnibusmuseums. 

Das Wiener Depot wurde vor rund 10 Jahren "ausgemistet", zahlreiche unrestaurierte Fahrzeuge wurden wieder abgestoßen. Darunter auch Wagen 72 aus Bamberg. In jener Zeit schlug der Inhaber einer Bamberger Lkw-Werkstatt zu und holte das Fahrzeug in die fränkische Heimat zurück. Aber auch der Bamberger Unternehmer kam dann nicht dazu, die notwendigen Restaurationsarbeiten anzupacken. So ging ein weiteres Jahrzehnt ins Land. 

Bis die Geschäftsleitung der Bamberger Stadtwerke darauf aufmerksam wurde, dass gar nicht weit von dem Betriebshof, wo der Bus einst stationiert war, ein einmaliger Oldtimer aus der Geschichte des Bambergers Straßenverkehrs nur darauf wartete, wachgeküsst zu werden. Unter Federführung von Harald Wessely, der für die Stadtwerke arbeitet, gründete sich der Verein "Historischer Stadtverkehr Bamberg e. V." mit inzwischen 35 Mitgliedern. 

Seltenes Stück: Die bis heute erhalten gebliebenen und restaurierten Exemplare der Omnibusbaureihe "Saturn II" von Magirus-Deutz wie dieses aus Nordrhein-Westfalen kann man an einer Hand abzählen.

Seltenes Stück: Die bis heute erhalten gebliebenen und restaurierten Exemplare der Omnibusbaureihe "Saturn II" von Magirus-Deutz wie dieses aus Nordrhein-Westfalen kann man an einer Hand abzählen. © Martin Regner

Mit finanzieller Anschubhilfe durch die Stadtwerke konnte der Verein den alten Bus Ende 2019 erwerben. Mit Hilfe einer Schleppstange und einem Lkw als Zugfahrzeug kam der Oldtimer vor Kurzem wieder auf dem Betriebshof der Stadtwerke an der Georgenstraße an - mit einem stolzen Harald Wessely am Steuer. "Das war schon ein ganz  besonderes Gefühl", erinnert sich der Vereinsvorsitzende lächelnd an die Fahrt. 

Noch liegt ein weiter Weg vor Wessely und seinen Mitstreitern: Als erstes wurde der Bus komplett von seiner Blechbeplankung aus Aluminium befreit. Darunter kam das tragende Stahlgerippe zum Vorschein, mit dessen Erhaltungszustand Wessely ganz zufrieden ist: Zwar gibt es diverse Roststellen, die sich seiner Einschätzung nach aber reparieren lassen dürften. Auch der luftgekühlte V6-Deutzmotor mit 150 PS, der sich unter einer Klappe im rundlichen Heck des Wagens verbirgt, läuft tadellos. Völliges Neuland ist die Erkundung des alten Fahrzeugs derweil nicht: "Es gibt einen Kollegen in der Fahrdienstleitung, der kann sich daran erinnern, dass er genau diesen Bus damals in den 70er-Jahren noch gefahren hat. Der hat uns schon ein paar wertvolle Tipps gegeben." 

Viele alte Busse wurden, wenn sie nicht verschrottet wurden, irgendwann zum Wohnmobil umgebaut. Nicht so in diesem Fall, der Bus ist komplett: "Es sind noch alle Fensterscheiben, alle Zierleisten und alle Sitze da", freut sich Harald Wessely. Nur die ovale Frontmaske mit dem Markenzeichen ist durch eine kleine Karambolage, die sich irgendwann zwischen 1980 und 2019 ereignet haben muss, ziemlich verbeult. "Aber wir haben einen jungen Schlosser im Betrieb. Der hat sich das angeschaut und gemeint, dass er das wieder hinkriegt." Der Plan: Bis zum 80. Gründungsjubiläum des Bamberger Verkehrsbetriebs im April 2021 soll der alte Bus wieder dastehen wie neu. ; im Moment wurde der Umfang der Arbeiten jedenfalls stark reduziert. 

Falls es aber doch klappen sollte, wird die Stadt Bamberg eine absolute Rarität beherbergen: Omnibusse der Marke Magirus-Deutz, die zwischen 1975 und 1982 im Iveco-Konzern aufging, sind heute sehr selten geworden. Vergleichbare Fahrzeuge des Typs "Saturn II" gibt es sonst nur noch in der Hansestadt Hamburg und bei zwei Sammlern in Nordrhein-Westfalen.