Bauern jubeln: Gebiete mit Nitrat-Auflagen halbiert

22.10.2020, 06:00 Uhr
Der klassische Prallteller war gestern: Gülle wird heutzutage nicht mehr in hohem Bögen verspritzt, sondern durch Schleppschuhverteiler bodennah ausgegeben.  

© Karl-Josef Hildenbrand, dpa Der klassische Prallteller war gestern: Gülle wird heutzutage nicht mehr in hohem Bögen verspritzt, sondern durch Schleppschuhverteiler bodennah ausgegeben.  

Verantwortlich war vielmehr die Europäische Kommission. Diese forderte nämlich mehr Verursachergerechtigkeit bei der Ausweisung der roten Gebiete. Dennoch ist Günther Felßner, Präsident des Bayerischen Bauernverbandes (BBV) in Mittelfranken, überzeugt: „Das ist vor allem dem massiven Einsatz des Verbandes und dem Druck der Straße zu verdanken. Ohne diese Bewegung hätte sich da nichts getan.“

Bislang genügte es, wenn bei 20 Prozent der Messstellen in einem großräumigen Grundwasserkörper mehr als 50 Milligramm Nitrat pro Liter (oder mehr als 37 Milligramm bei steigendem Trend) gemessen wurde, damit die gesamte Fläche als rotes Gebiet ausgewiesen wurde. Die Folge: 25 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche in Bayern waren betroffen.

"Wir müssen falsch düngen"

Weil die Auflagen für die Landwirte in diesen Gebieten zunächst noch erträglich waren, hielten sich die Proteste anfangs in Grenzen. Doch mit der Verabschiedung der neuen Düngeverordnung im März 2020 wurden die Daumenschrauben deutlich angezogen. Unter anderem darf in den roten Gebieten nur noch 20 Prozent unter Bedarf gedüngt werden.

„Uns wird also quasi vorgeschrieben, die Pflanzen falsch zu düngen. Das ist nicht nachvollziehbar“, meint Felßner. Auch gegen das Verbot der Herbstdüngung für Zwischenfrüchte will man weiter vorgehen. „Nur so bekommt man die Zwischenfrüchte vernünftig hin. Wenn sie nicht wachsen, ist das kontraproduktiv für den Wasserschutz“, betont Felßner und bekommt in diesem Fall tatsächlich viel Zustimmung aus den Wasserwirtschaftsämtern.

Weil die Bauern durch die Einschränkungen erhebliche Ertrags- und Qualitätseinbußen fürchten, gingen sie auf die Barrikaden und wollten durch mehr Messstellen erreichen, dass die roten Gebiete kleinräumiger ausgewiesen werden können. Mehr Messstellen kommen nun tatsächlich. Innerhalb von sechs Jahren will die Staatsregierung ihre Zahl von 600 auf 1500 erhöhen. Erste Messstellen wurden bereits gebohrt, können allerdings nur vereinzelt schon in die Bewertung eingehen.


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Dass die Ausweisung der roten Gebiete nun trotzdem deutlich kleinräumiger ausfällt, liegt an einem veränderten Vorgehen. Neben den 600 offiziellen Messstellen werden bei der Beurteilung nun auch alle oberflächennahen Trinkwassergewinnungsanlagen berücksichtigt. Die betroffenen Grundwasserkörper werden anschließend durch zusätzliche sogenannte „Stützmessstellen“ in belastete und unbelastete Bereiche unterteilt. „Diese Regionalisierung ist neu“, betont das Bayerische Landwirtschaftsministerium.

Emissionsdaten der Landwirtschaft mit einberechnet

Neu ist zudem, dass die tatsächlichen Emissionsdaten der Landwirtschaft, die der Landwirtschaftsverwaltung vorliegen, mit einberechnet werden sollen. Dadurch kann der Stickstoffüberschuss aus der Landbewirtschaftung dem tolerierbaren Stickstoffeintrag gegenüber gestellt werden.

Hier wehren sich die Bauern aber noch. „Da geht es um Datenschutz. Wir wollen nicht die internen Daten der Betriebe herausgeben, das gilt auch für die Düngedaten“, erklärt Felßner. Er plädiert dafür, dass von Auflagen betroffene Landwirte ihre Daten freiwillig zur Verfügung stellen könnten, um damit einschränkenden Maßnahmen zu entgehen.

„Kaum muss man die Einteilung in rote Gebiete wirklich fachlich begründen, ist nur noch die Hälfte da. Das ist ein Erfolg der Vernunft“, kommentiert Felßner den nun vorliegenden Entwurf der Gebietseinteilung, bei der nur noch etwa elf bis zwölf Prozent der landwirtschaftlichen Fläche in roten Gebieten liegt. Bei der Neubeurteilung der Gebiete gibt es allerdings auch einzelne bisher grüne Gebiete, die nun rot sind. So etwa ausgerechnet die Heimatregion des BBV-Präsidenten Walter Heidl im niederbayerischen Landkreis Dingolfing-Landau.

Wasserwirtschafts- und Landwirtschaftsverbände können zu dem Karten-Entwurf nun noch Stellung nehmen, Anfang Dezember soll die endgültige Karte verabschiedet werden, ab dem 1. Januar 2021 ist sie dann gültig.

"Einteilung war nicht nachvollziehbar"

Natürlich freue es die Bauern. wenn es nun weniger rote Gebiete gebe. „Es geht uns aber nicht vorrangig darum, wie groß diese Gebiete sind, sondern darum, dass man die Einteilung auch nachvollziehen kann. Und das war vorher eben nicht der Fall“, meint Felßner.

Was die Bauern vor allem wurmt, ist eine neu eingeführte Kategorie: die gelben Gebiete für Regionen mit zu hoher Phosphorbelastung. Auf einen Schlag wurden nun knapp 30 Prozent der Landwirtschaftsfläche zu gelben Gebieten. Hier sollen laut Landwirtschaftsministerium erweiterte Gewässerabstände und der Zwischenfruchtanbau verpflichtend werden. „Das ist eine einseitige Benachteiligung der deutschen Betriebe. Von der EU war das nicht zwingend vorgeschrieben – und andere machen das auch nicht“, sagt Felßner.


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Nachteilig könnten sich die für die Bauern auch die von ihnen selbst geforderten zusätzlichen Messstellen auswirken. „Wenn die Messstellendichte erhöht wird, wird sich wieder ein anderes Bild ergeben. Dann können Flächen wieder in die roten Gebiete hineinrutschen – sich aber natürlich auch rote in grüne Gebiete verwandeln“, verdeutlicht Thomas Keller, Leiter des Wasserwirtschaftsamtes Ansbach. Allem Jubel zum Trotz könnte also in vier Jahren ein böses Erwachen bei den Bauern folgen.

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