Bayern-SPD will Übertrittauswahl nach Noten abschaffen

2.5.2016, 19:44 Uhr
Bayern-SPD will Übertrittauswahl nach Noten abschaffen

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Je nachdem wie das Rechtsgutachten ausfällt, behält sich die SPD vor, eine Popularklage vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof anzustreben. Dies teilte Ulrich Meyer, Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, mit. Gegen Ende des Jahres soll das Gutachten vorliegen.

Meyer vertritt Martin Güll. Der bildungspolitische Sprecher der SPD im bayerischen Landtag weilt derzeit in Kanada. "Wir wollen über das Rechtsgutachten den Druck auf die Staatsregierung erhöhen", erklärte Meyer. Der frühe, auf Noten basierende Übertritt sei nicht mehr zeitgemäß und lasse keine zuverlässigen Schlüsse über die Entwicklung eines Schülers zu.

Auf den Grundschülern laste durch die frühe Selektion übermäßiger Druck. Die Folge dieses Notendrucks sei oftmals, dass die Kinder in den Wochen und Monaten vor dem Zeugnis kurz vor dem Burn-out stehen und sogar krank werden. Die Landtags-SPD spricht sich dafür aus, die Grundschulen eine Empfehlung aussprechen zu lassen — und die Entscheidung, welche Schulform das Kind besuchen soll, den Eltern zu überlassen.

Auch der BLLV appelliert ans Kultusministerium, das gängige Übertrittsverfahren zu überdenken und Reformen einzuleiten, die die Situation für die Kinder entschärfen. Simone Fleischmann, Präsidentin des BLLV, betont: „Im Kern müssen wir uns endlich von der zu frühen Sortierung von Kindern auf verschiedene Schultypen verabschieden — wenn das aber  partout nicht gewollt ist, müssen wir wenigsten Verbesserungen im Prozedere herbeiführen.“ Ein erster Schritt sei die Freigabe des Elternwillens. Dieser Meinung ist auch der Bayerische Elternverband.

Im Kultusministerium herrscht "große Gelassenheit"

In 14 Bundesländern ist es längst Usus, dass Eltern die Schullaufbahn ihrer Kinder bestimmen. Lediglich Bayern und Sachsen halten an Übertrittszeugnissen fest. Für den Besuch des Gymnasiums benötigen Viertklässler in Bayern einen Notendurchschnitt von 2,33, für die Realschule liegt er bei 2,66. In das Übertrittszeugnis fließen nicht nur die Ergebnisse der rund 22 Proben ein, die von September bis Mai in den vierten Klassen geschrieben werden. Auch pädagogische Beurteilungen werden berücksichtigt. Eine Tatsache, mit der sich manche Eltern schwertun.

Ludwig Unger, Sprecher des bayerischen Kultusministeriums, sieht die Forderungen von SPD und BLLV "mit großer Gelassenheit". Die Elternverantwortung sei doch in den vergangenen fünf Jahren bereits gestärkt worden, argumentiert Unger: "Wir gehen mit dem bestehenden System einen richtigen Weg."

Unger bekommt Unterstützung von Max Schmidt, Vorsitzender des Bayerischen Philologenverbands: "Das in Bayern praktizierte Verfahren ist im Vergleich mit der völligen Freigabe des Elternwillens wesentlich prognosesicherer und kindgerechter." Unterdessen stehen in der Staatlichen Schulberatungsstelle für Mittelfranken die Telefone nicht mehr still. Besorgte Eltern holen sich nach Sichtung der Übertrittszeugnisse Rat.

Leiter Reinhard Zehnter hat Verständnis für die Sorgen der Eltern, weist aber darauf hin, dass auch die Lehrkräfte gestresst sind. Vielfach laufen Eltern Sturm und drohen mit Anzeigen, erzählt er. "Dabei lege ich meine Hand ins Feuer, dass sich 99,9 Prozent der Grundschullehrer für eine faire Entscheidung stark machen." Für ihn ist das Gymnasium nicht der alleinige Königsweg. "42 Prozent der Hochschulzugänge laufen nicht über das Gymnasium, das sollte so manchen beruhigen." Wichtiger sei es, dass Schüler gerne lernen und sich nicht ständig überfordert fühlen.

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