Angeklagter bestritt Vorwürfe

Altenpfleger misshandelt dementen Senior: 1690 Euro Strafe

Manfred Scherer

11.5.2022, 14:41 Uhr
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© Thomas Frey/dpa/Symbolbild Symbolbild

Aus Polen reiste der 75-jährige Angeklagte an, um sich im Prozess bei Strafrichterin Christiane Breunig zu verteidigen. Der Mann berichtet, er sei Professor für Ökonomie gewesen, jedoch reiche seine Rente von 800 Euro nicht zum Leben. Deshalb arbeitet er seit fünf Jahren als ausländische Pflegekraft in Deutschland.

Im Sommer bekam er den Auftrag, für einen 90-Jährigen aus Hollfeld zu sorgen. Was zwischen Juni und August im Haus des dementen Mannes passierte, klagte die Staatsanwaltschaft als Misshandlung von Schutzbefohlenen an.

Vorwurf bestritten

Der Angeklagte bestritt den Vorwurf im Prozess vehement: Er habe täglich mehr als 14 Stunden gearbeitet, den alten Mann versorgt, ihn gefüttert, geduscht, ihn zu Bett gebracht, ihn angekleidet. Ja, er habe den alten Mann einmal an die Nase gefasst, um zu sehen, ob er noch atme. Einmal habe er ihn nach dem Duschen auf der Toilette sitzend mit dem Handtuch abgetrocknet. Lautes Anbrüllen? Das verneinte der Angeklagte.

Zeugen berichten anderes. Ein Nachbar, der durch den Garten blicken kann, sagt: Das Pflegebett des 90-Jährigen stand im Wohnzimmer. Das Verhalten des Pflegers sei ihm aufgefallen als "unfreundlich", "respektlos". Der Nachbar machte sich Sorgen und vereinbarte mit einer Bekannten, die als Putzfrau im Haus des Kranken arbeitete, einen "Besuch". Hierfür nahmen die zwei eine dritte Bekannte, eine Krankenschwester, mit.

Bei dem Besuch, so die Zeugen, habe der 90-Jährige einen "eingeschüchterten" Eindruck gemacht. Der Demente sei noch mit Essen im Mund ins Bett gebracht worden. "Das ist gefährlich, wir haben es ihm wieder aus dem Mund geholt." Über Schreie und grobes Anfassen sagte die Putzfrau: Ja, das habe sie bemerkt, aber: "Vielleicht war das seine Art des Umgangs."

Eine Tochter des Kranken, die im Ausland lebt, war zur Zeit der Vorfälle zweimal zu Besuch: Die Hollfelder Caritas habe den Verdacht geäußert, dass ihr Vater misshandelt werde.

"Vollkommen erschöpft"

Am 13. August traf sie ihren Vater "vollkommen erschöpft" an, er habe unter Aufbieten seiner letzten Kraft gefragt: "Kannst du mir helfen?" Als sie dem Angeklagten Vorhalte machte, sei dieser "ausgeflippt", sie hatte "Angst, dass er mich schlägt."

Tage später hörte die Frau ein Brüllen, sie kam dazu, wie der Pfleger ihren im Bett liegenden Vater an der Nase gepackt hatte. Tags darauf kam die Frau hinzu, wie der Pfleger ihrem Vater mit dem Handtuch einen "peitschenartigen" Schlag versetzte: "Ich habe gesagt ,Stopp. Packen Sie Ihre Sachen!‘" Wenig später fiel der Demenzkranke in Agonie, bekam starke Schmerzmittel, ehe er am 25. August verstarb.

Richterin Breunig verurteilte den Pfleger wegen vorsätzlicher Körperverletzung und versuchter Körperverletzung: Der Griff an die Nase und der Schlag mit dem Handtuch seien erwiesen. Nicht zweifelsfrei erwiesen sei die Misshandlung Schutzbefohlener. Im Fall des Mannes sei aber eher Überforderung festzustellen. Die Strafe: 65 Tagessätze zu je 26 Euro, macht 1690 Euro Geldstrafe.

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