Kraftakt für Helfer

Bislang 1500 bayerische Retter im Flutgebiet - "Es braucht eine Exit-Strategie"

27.7.2021, 20:09 Uhr
Die Schuttberge im Ahrtal sind nach dem Hochwasser gewaltig. 

© BeckerBredel via www.imago-images.de, imago images/BeckerBredel Die Schuttberge im Ahrtal sind nach dem Hochwasser gewaltig. 

Das, was Retter derzeit in Rheinland-Pfalz erleben, "darauf kann einen keine Ausbildung vorbereiten", sagt Dennis Busch. Tagelang war der Franke im Ahrtal für einen Trupp von gut 90 Einsatzkräften verantwortlich. Acht Dörfer, eine Senke von gut zehn Kilometern, idyllisch gelegen zwischen Weinbergen – und grenzenlose Zerstörung. "In einigen Orten war vor uns noch keine Hilfe", sagt der Zugführer vom Bayerischen Roten Kreuz (BRK). "In einem Dorf etwa traf das THW gerade ein, riss teils in 15 Minuten ganze Häuser ab, weil sie drohten, auf die Straße zu stürzen." Es sei so gewesen, wie man es aus TV-Bildern kennt. "Nur in jede Richtung, in jeder Gasse – und in der nächsten Straße ging es so weiter."

Über Hunderte Kilometer reisen die Helfer aus Bayern nach Rheinland-Pfalz, verbringen allein auf der Autobahn viele Stunden. 

Über Hunderte Kilometer reisen die Helfer aus Bayern nach Rheinland-Pfalz, verbringen allein auf der Autobahn viele Stunden.  © BRK

Busch ist einer von rund 1500 Rettungskräften, die Bayern im Rahmen des sogenannten Hilfskontingents bislang nach Rheinland-Pfalz geschickt hat. Seit mehr als zehn Tagen sind sie im Einsatz. Größtenteils kommen sie vom Roten Kreuz, das von einem gewaltigen Kraftakt spricht. "Das sind in vielerlei Hinsicht Helden", sagt Sprecher Sohrab Taheri-Sohi. "Aber auch deren Kräfte sind endlich."

Auf der Suche nach der "Exit-Strategie"

Wohl am Mittwoch werden erneut rund 50 Retter nach Rheinland-Pfalz aufbrechen und am Donnerstag einen Trupp aus Unterfranken ablösen. Die Einsatzkräfte bleiben maximal 72 Stunden in den Flutgebieten, ein ständiges Hin und Her, das an den Kräften nagt. Aktuell helfen 300 Menschen im Rahmen des Kontingents, hauptsächlich im besonders schwer betroffenen Ahrtal. So langsam, sagt auch das BRK, "braucht es eine Exit-Strategie".

"Die Strukturen vor Ort müssen auf Sicht in eine Regelversorgung überführt werden", erklärt Taheri-Sohi. Die Retter aus Bayern kochen aktuell etwa für rund 5000 Menschen – das könne künftig auch von regional ansässigen Cateringunternehmen übernommen werden. "Wenn Menschen in Not sind, dann helfen wir, das ist klar. Aber die Akutphase nähert sich dem Ende, der Katastrophenschutz muss bald nicht mehr in die Bresche springen." Es gehe darum, Ehrenamtliche aus dem eigenen Bundesland zu schonen. "Sie dürfen sich nicht kaputt arbeiten."

"Spagat zwischen Hilfe am Menschen und Schutz der Einsatzkräfte"

Der Einsatz in Rheinland-Pfalz sorgt für keine Engpässe in Bayern. "Das ist dem klugen Ressourcenmanagement des Krisenstabes in München geschuldet", sagt Taheri-Sohi. Die Regierungsbezirke im Freistaat rotieren, mal schickt Oberfranken Kräfte, die dann wenige Tage später von Rettern aus Niederbayern abgelöst werden. Sie übernehmen dabei auch die reguläre Akutversorgung, arbeiten Notfälle wie Herzinfarkte und Krampfanfälle ab. "Die gibt es auch, wenn Hochwasser ist", sagt Zugführer Dennis Busch. Dort, wo die Bundesstraße einfach weggespült wurde, brauchen normale Krankenwagen bis zu eine Stunde zum Patienten - und das in Situationen, wo es häufig um Minuten geht.

"Natürlich helfen wir weiter, wenn wir vom Innenministerium angefordert werden", sagt Taheri-Sohi. "Aber wir müssen den Spagat schaffen zwischen Hilfe am Menschen und dem Schutz unserer Einsatzkräfte." Menschen wie Dennis Busch, die tagelang dem Leid und der Zerstörung im Ahrtal ausgesetzt waren.