Buntes Leben in Altdorf

17.12.2009, 00:00 Uhr
Buntes Leben in Altdorf

© Alexander Brock

Betritt Hans Recknagel in Altdorf den Konditor-Laden, geht er zum Metzger oder Friseur, weiß er Neues zu berichten. Oder besser: Altes, von dem keiner mehr etwas weiß und das damit wie eine Neuigkeit aufgenommen wird. So auch im Friseursalon Fleischmann in der Collegiengasse 6. Dort lässt der Lehrer im Ruhestand regelmäßig seine Haare schneiden. «In diesem Haus hat anno 1740 schon eine Juliana Fleischmann gelebt«, erzählt er der Inhaberin Elke Fleischmann. Erstaunt hört die Friseurin zu: «Ich weiß nur, dass meine Eltern das Haus einmal von einer Familie Schleicher gekauft haben«, sagt sie. Alles andere sei ihr neu.

Monatelange Recherche

Das ist aber nicht alles. Recknagel zählt weiter auf. Und schließlich hat er die Neugierde der Friseurin, während sie seine Spitzen schneidet, geweckt: 1785 übte hier Paul Haas sein Schuhmacher-Handwerk aus, 1859 kreierte der Konditor Johann Wilhelm Luber innerhalb dieser ehrwürdigen Mauern seine Torten, und 1894 gab Buchbinder Georg Pranz literarischen Werken eine passable äußere Form.

In monatelanger, akribischer Arbeit haben Hans Recknagel und seine Frau Erika im Stadtarchiv Altdorf und im Staatsarchiv Nürnberg recherchiert und alte Kataster ausgewertet. Es waren die Aufzeichnungen von Fritz Tischer, die ihnen dabei geholfen haben. Tischer hat im Jahr 1941 begonnen, die Angaben zu den einzelnen Anwesen aus den Altdorfer Steuerkatastern zusammenzufassen. Der älteste Kataster, das sind Steuerregister, stammt aus dem Jahre 1678 und der letzte von Tischer benutzte aus dem Jahr 1834. «Mit neun Schulheften, deren handschriftliche Texte mit Ergänzungen und Einfügungen gespickt sind, haben wir gearbeitet«, so der ehemalige Kreisheimatpfleger.

«Jeder Misthaufen«

Das Ehepaar Recknagel hat die Aufzeichnungen chronologisch geordnet und bis ins Jahr 1961 fortgeführt. Was da nicht alles besteuert wurde: Johann Jakob Stör etwa, der in der Türkeistraße11 wohnte, musste anno 1810 für seinen Schaf- und Schweinestall sowie für seinen Backofen Steuern bezahlen. «Jeder Misthaufen ist da besteuert worden«, sagt Erika Recknagel. Ihre Forschungsergebnisse haben die Eheleute nun in der «Altdorfer Häuserchronik« veröffentlicht, das der Verein «Altnürnberger Landschaft« herausgegeben hat.

Entdeckt haben die beiden Historiker auch Interessantes zum sogenannten Professoren-Haus in der Kronäckerstraße 2. Hier lebte der Mediziner Maurizius Hofmann. Als Student hat er den Ausgang der Bauchspeicheldrüse entdeckt. Diesen Fund hat er damals seinem Anatomie-Professor mitgeteilt. Ein Fehler: Denn dieser hat Hofmanns bahnbrechende Entdeckung einfach als die seinige der Öffentlichkeit präsentiert. «Später hat Hofmann als Altdorfer Professor jeden Mediziner mit einem Gulden belohnt, der darauf hinwies, dass er den Ausgang der Bauchspeicheldrüse entdeckt hat«, schmunzelt Recknagel.