Burkini erhitzt Gemüter wie einst der Bikini

11.7.2016, 21:00 Uhr
Burkini erhitzt Gemüter wie einst der Bikini

© dpa

„Die vielen komischen Blicke stören mich“, sagt Elif Merdivan, die einen Burkini besitzt. Die 25-jährige Muslima trägt ihn jedoch nicht in Deutschland, „denn damit fühle ich mich hier nicht wohl“. Nur im Urlaub hat sie ihn an. „In der Türkei zum Beispiel ist es viel normaler, als Frau im Burkini schwimmen zu gehen“, erklärt die BWL-Studentin der Universität Erlangen-Nürnberg.

Allein ihr Kopftuch beschere ihr schon etliche Blicke. „Egal, was ich mache: Dadurch, dass ich ein Kopftuch trage, gelte ich als nicht integriert.“ Es werde aber wesentlich mehr akzeptiert, ein Kopftuch zu tragen als einen Burkini, erzählt Elif Merdivan. Wegen der oft verletzenden Kommentare und Blicke geht die gebürtige Schwäbin mit türkischen Wurzeln in Deutschland nur am Frauenbadetag schwimmen, und dann in einem Neoprenbadeanzug mit separatem Kopftuch.

Auf Beschwerden reagiert

Mit einem Frauenbadetag begann auch die neu aufgelebte Burkini-Debatte in Neutraubling:  Dort ist diese muslimische Badebekleidung im örtlichen Hallenbad inzwischen verboten. Nach Beschwerden von Badegästen über eine Burkini-Trägerin am Frauenbadetag fällte die Stadt Neutraubling einen entsprechenden Beschluss.

„Warum ein Burkini als Ganzkörperbadeanzug ausgerechnet am Frauenbadetag notwendig sein soll, ist für mich nicht nachvollziehbar“, rechtfertigt Bürgermeister Heinz Kiechle (CSU) diese Entscheidung. Er verstehe auch nicht, was der Burkini, der ja eine Erfindung aus der jüngeren Zeit sei, mit freier Religionsausübung zu tun habe.

Nach Aussage des Integrationsbeauftragten der bayerischen Staatsregierung, Martin Neumeyer (CSU), herrsche in Neutraubling das erste Burkini-Verbot im Freistaat. „Eine Entscheidung über die Zulassung eines Burkinis sollte aber den Kommunen überlassen werden“, meint Neumeyer. Der Landtag werde nicht darüber befinden.

Der Neutraublinger Rathauschef begründet seine Entscheidung mit der Satzung des Hallenbades, die aus hygienischen Gründen eine allgemein übliche Badekleidung erwartet. Allerdings stellt ein Gutachten der Universität Konstanz fest, dass der Ganzkörperbadeanzug nicht unhygienischer als eine Badehose oder ein herkömmlicher Badeanzug ist — vorausgesetzt, er besteht aus dem gleichen Stoff wie andere Badetextilien.

Keine hygienischen Bedenken

Auch Matthias Batz, Bereichsleiter für Bäder der Erlanger Stadtwerke, hat keine hygienischen Bedenken. Ein handelsüblicher Burkini sei in allen Erlanger Bädern erlaubt. „Wir behalten uns allerdings vor, dass unsere Mitarbeiter bei hygienischen Bedenken — zum Beispiel falls ein Badeoutfit nach Alltagskleidung aussieht — den Eintritt verwehren“, erklärt er. Bis jetzt seien allerdings nur sehr wenige Burkini-Trägerinnen in Erlangen schwimmen gegangen.

Auch im Freizeitbad Atlantis in Herzogenaurach sind trotz Burkini-Zulassung bislang nur wenige Gäste in der Ganzkörperbadekleidung erschienen. „Andere Gäste beschwerten sich bis jetzt noch nicht über Burkinis“, berichtet Betriebsleiter Patrick Geiger.

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig stärkte 2013 dem Burkini indirekt den Rücken, denn muslimische Schülerinnen dürfen laut eines entsprechenden Urteils nicht aus religiösen Gründen vom allgemeinen Schwimmunterricht befreit werden. Eine damals elf Jahre alte Frankfurter Schülerin hatte gegen den Schwimmunterricht ihres Gymnasiums geklagt, der in ihrer Jahrgangsstufe für Jungen und Mädchen gemeinsam gehalten wurde. Ihrer Meinung nach sei das unvereinbar mit muslimischen Bekleidungsvorschriften. Das Gericht urteilte jedoch, dass das Tragen eines Burkinis für die Klägerin zumutbar sei.

„Die Diskussion über das Verbot macht einen Besuch für die wenigen Muslimas, die in öffentliche Schwimmbäder gehen, unattraktiv“, befürchtet Elif Merdivan. „Die Idee von Sport ist doch, dass man gemeinsam Spaß daran hat.“ Das Verbot von Burkinis verhindere gemeinsames gesellschaftliches Leben an einem öffentlichen Platz, gibt die 25-jährige Muslima zu bedenken und wünscht sich mehr Toleranz.