Chorgesang und Trekking-Erlebnis in der Höhle

24.12.2004, 00:00 Uhr
Chorgesang und Trekking-Erlebnis in der Höhle

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Vor dem Eingang der Sophienhöhle lodert ein Lagerfeuer. Es stimmt auf den Auftritt eines ukrainischen Chores ein: Neun in Mönchskutten gekleidete Gestalten ziehen würdevoll in die Vorhalle ein und erfüllen unter dem Motto „Stimmen der Stille“ den Raum mit gregorianischen Gesängen.

Längst nicht mehr nur Tropfsteine locken Ströme von Besuchern ins Ailsbachtal. Die Höhle gleicht zunehmend einem Erlebnispark, kritisieren Höhlenkundler. Für sie klingt es wie Hohn, dass die dort seit dem Jahr 2002 angebotene Multimediashow samt überdimensionaler Soundanlage als „gewaltiges Naturschauspiel“ bezeichnet wird. Über 480 Scheinwerfer der computergesteuerten Lichtprogramme entwickeln eine enorme Hitze und leuchten dabei noch den letzten Winkel aus. Damit nicht genug, ist die Touristenattraktion laut Eigenwerbung „als einzige Schauhöhle Deutschlands auch am Abend und des nachts geöffnet“.

Kuren im Stollen

Auch die Teufelshöhle bei Pottenstein ist längst zur Konzert- und Theaterbühne geworden. Deren Publikum und die rund 200 000 Schaulustigen, die jährlich die kunstvollen Kalkgebilde bestaunen, schleusen Staubpartikel und dem Höhlenklima abträgliche Atemluft in das unterirdische Felsenlabyrinth. Dazu wird ein Nebentrakt für Kuren genutzt: Von der Reinluft und der hohen Luftfeuchtigkeit im Stollen erhoffen sich Asthmatiker Linderung.

Höhlen sind mehr als Hohlräume im Untergrund. Sie gelten als äußerst empfindliche Ökosysteme, die bereits durch geringe Klimaveränderungen in Mitleidenschaft gezogen werden. Seit 1988 sind sie nach Artikel 13 e des Naturschutzgesetzes in Bayern als besonders geschützte Lebensräume eingestuft. Geologen und Archäologen sehen in den Naturdenkmalen wissenschaftliche Fundgruben. Es sind auch „Konservendosen der Geschichte“, erläutert Dieter Preu, vor 40 Jahren Gründungsmitglied und bis vor kurzem Vorsitzender der „Forschungsgruppe Höhle und Karst Franken“.

Neben verschiedenen Insekten, Spinnen und Amphibien sind vor allem Fledermäuse auf die Welt der absoluten Stille und der völligen Dunkelheit angewiesen: Von 23 Fledermausarten, die in Deutschland vorkommen, nutzen 16 bevorzugt Höhlen als Winterquartier.

Windloch, Esperhöhle, Bismarckgrotte: Um die 3000 Höhlen sind in der Frankenalb bekannt. Abgesehen von den Schauhöhlen, die als wahre Besuchermagnete wirken, nimmt der Nutzungsdruck auch auf viele der unbekannteren, unerschlossenen Höhlen zu. Immer mehr Menschen missbrauchen Felslöcher für Party- oder Biwakzwecke, entzünden Lagerfeuer und Fackeln, beschädigen Tropfsteine, hinterlassen in der Unterwelt ihren Müll. Nicht nur die Rosenmüllerhöhle bei Muggendorf bietet mit dicken Wachs- und Rußschichten an den Wänden seit langem einen trostlosen Anblick. Dieter Preu: „Die ist ziemlich versaut.“

Dazu greift die Lust am Höhlenabenteuer um sich. Animiert von einer Flut von Höhlenführern auf dem Buchmarkt, zwängen sich Erlebnishungrige durch enge Spalten und scheuen auch nicht davor zurück, bäuchlings im Dreck zu robben. Höhlenforscher warnen vor dem unersättlichen Aktionismus der Freizeitgesellschaft und wehren sich gegen die steigende Zahl kommerzieller Anbieter von Erlebnistouren. „Höhlentrekking ist Geschäftemacherei“, urteilt der Speläologe Ernst Klann aus Pruppach.

Beispiel Schönsteinhöhle bei Streitberg. Ein touristisches Unternehmen aus Muggendorf bietet dort wie auch anderswo abenteuerliche Exkursionen an, dazu ganze Höhlen-Wochenenden mit Stirnlampe und Kletterseil. Auch für erlebnispädagogische Ausflüge und von Jugendgruppen wird das im Winter verschlossene Ganggewirr eifrig genutzt.

Sogar im Winter

Neben der Schönsteinhöhle zählt für Preu die Bismarckhöhle bei Neuhaus/Pegnitz zu den Höhlen, die am meisten gefährdet sind: „Die zieht die Massen an“. Obwohl es am Eingang zunächst sieben Meter schachtartig in die Tiefe geht, ist dort „das ganze Jahr über Betrieb, sogar im Winter, wenn keine Befahrungen stattfinden sollten“.

Die Behörden stehen dem Treiben oft machtlos gegenüber. „Jede Beschränkung muss ausreichend begründet sein“, sagt Jürgen Kupfer von der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt Forchheim. Alle Abwägungen bedeuteten eine Gratwanderung, weil auch das Recht auf freien Zugang zur Natur zu berücksichtigen und das Erlebnis „Höhle“ nicht ohne weiteres zu versagen sei.

Noch im Urzustand ist eine Höhle, die Preu als seine schönste ansieht: das Geißloch bei Oberfellendorf. Für einen Glücksfall hält Preu, dass sich das Naturerbe im Privatbesitz eines Landwirts befindet: „Der Bauer hütet die Höhle wie seinen Augapfel.“