„Craft Beer ist Bier-Misshandlung“

11.1.2019, 19:54 Uhr
„Craft Beer ist Bier-Misshandlung“

© Foto: Nicolas Armer/dpa

“Mein Lieblingsbier? Das Helle, ganz klar." Sebastian Dippold braut es etwas "hopfiger als der fränkische Durchschnitt", sagt er. Weil es unfiltriert abgefüllt wird, hat es eine leicht hefetrübe Färbung und ist vollmundiger im Geschmack. Gäbe es die Fernsehsendung "Wetten, dass . . ?" noch, würde der Geselle der Brauerei Wagner in Merkendorf (Landkreis Bamberg) sein Helles vermutlich mit verbundenen Augen aus Hunderten anderer herausschmecken.

Dippold ist der beste Jungbrauer Deutschlands. Beim Bundesleistungswettbewerb der Brauer und Mälzer im vergangenen Jahr in Potsdam erzielte der 20-Jährige das beste Ergebnis und holte den Titel in den kleinen Ort in Oberfranken. Nun strahlt er mit seinem Chef Günter Wagner am Edelstahlsudkessel um die Wette. "Einen Bundessieger hatten wir noch nie", sagt der Meister über seinen ausgezeichneten Gesellen.

Unter vier Landessiegern erreichte Dippold bei der vom Verband der Privaten Brauereien Bayern ausgerichteten Prüfung die höchste Punktzahl. Neben zehn Fachfragen mussten die Kandidaten Rechenaufgaben zum richtigen Verhältnis von Hopfen, Malz und Hefe und zum Mälz- und Brauvorgang lösen. Zudem mussten sie ihr Können in vier praktischen Stationen unter Beweis stellen: Rohstoffe und Sudhaus, Gärkeller, Schanktechnik und Reinigung sowie Filtration und Lagerung.

Nun will der stämmige Nachwuchsbrauer auch die zweijährige Ausbildung zum Brau- und Getränketechnologen absolvieren. Geschmack an dem Beruf fand er bei einem befreundeten Braumeister aus seiner Heimatstadt Scheßlitz. Nach dem Abitur begann er dann seine Lehre im Nachbarort.

Den Trend hin zum sogenannten Craft Beer, also handwerklich gebraute Biere, sieht er kritisch: "Diese angebliche Bierrevolution ist nicht mein Fall. Die Leute erwecken den Eindruck, das Bier neu zu erfinden, weil verschiedene Hopfensorten gekreuzt werden und Honig oder Gurken dazugegeben werden – für mich ist das eine Bier-Misshandlung." Dippold dagegen schwört auf die vier nach dem Reinheitsgebot von 1516 einzig erlaubten Zutaten Wasser, Hopfen, Malz und Hefe. Bier bestehe zu 85 Prozent aus Wasser – die Kunst sei es, die anderen 15 Prozent im richtigen Verhältnis zu dosieren. "Damit können so viele Geschmacksnuancen erzeugt werden, dass man keine Zusätze braucht."

Mit 160 Braustätten ist Oberfranken laut Verband der privaten Brauereien die Region mit der höchsten Brauereidichte der Welt. "In Oberfranken kann man in fast jedem Dorf ein anderes Bier bekommen. Wir sind zwar untereinander Konkurrenz, verschaffen uns aber gemeinsam einen Wettbewerbsvorteil gegen die Großen der Branche", sagt Brauereichef Wagner, der den Familienbetrieb mit seinen Geschwistern führt.

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