Was können wir, was kann die Politik tun?

Das Hochwasser in Franken: Der Fall der Fälle ist eingetreten - wieder einmal

11.7.2021, 17:08 Uhr
Unwetter überfluten Teile Frankens. Sogar ganze Ortschaften stehen unter Wasser.

© Nicolas Armer, dpa Unwetter überfluten Teile Frankens. Sogar ganze Ortschaften stehen unter Wasser.

In einem Ort irgendwo in Westmittelfranken gehen sintflutartige Regenfälle nieder, im Nachbarort ein paar Kilometer weiter bliebt es trocken; im Aischgrund lassen die Regenfälle die Pegel binnen kurzem so stark steigen, dass das Wasser sich unaufhaltsam seinen Weg in die nahen Wohnsiedlungen und Gewerbegebiete bahnt, während es entlang der Pegnitz, wo es in den letzten Tagen auch nicht gerade wenig geregnet hat, (noch) keine Überflutungen gab. Extreme Wetterlagen mit örtlich begrenzten Auswirkungen, wie nun in Teilen Frankens wieder zu beobachten, werden mehr. Was können wir, was kann die Politik tun?

Angesichts der Wolkenbrüche eilfertig darauf hinzuweisen, dass der Mensch ja daran selbst schuld sei, weil er den Klimawandel verursacht hat, ist ebenso wohlfeil wie solche Wetterlagen als bloße Launen der Natur abzutun, die es leider nun mal gebe. Debatten, die auf Extrempositionen beruhen, die in diesem Fall den Extremen der Wetter-Ereignisse entsprechen, helfen nicht weiter, weil sie von unproduktivem Nihilismus geprägt sind.

Die Klima-Wissenschaft ist sich weitgehend einig, dass die menschengemachten Treibhausgas-Ausstöße dazu führen, dass sich die erdnahe Atmosphäre zusätzlich erwärmt - und eine der Folgen können Starkregen-Ereignisse sein, die sich häufen und immer heftiger werden.

Selbst wenn dem nicht so wäre: Fakt ist, dass es diese Wetterlagen gibt, dass sie dort, wo sie auftreten, ungeheure Zerstörungskraft haben, dass sie nicht nur gefühlt mehr werden. Und: Dass der Mensch es nicht dabei belassen kann zu hoffen, dass die Verringerung der Kohlendioxid-Ausstöße irgendwann dazu führen, dass die Erderwärmung sich tatsächlich auf das Unter-zwei-Grad-Ziel beschränken lässt, auf das sich 195 Staaten im Jahr 2015 in Paris verpflichtet haben.

Immer schon musste der Mensch den Naturgewalten trotzen und sich vor ihnen schützen, so gut es geht und es technisch möglich ist. In der Drei-Flüsse-Stadt-Passau zum Beispiel weiß man, dass es dort nicht die Frage ist, ob die Altstadt wieder überflutet wird, sondern wann; auch auf dem Land entlang der Donau wusste man schon immer, welche Zerstörung das Wasser mit sich bringt, wenn es über die Ufer tritt. Bis es 2013 in einem Ausmaß so weit war, dass die Schäden in die Milliarden gingen.

Die Straße von Sterpersdorf nach Lonnerstadt steht unter Wasser.

Die Straße von Sterpersdorf nach Lonnerstadt steht unter Wasser. © Matthias Kronau, NN

Die Bilder haben wir alle noch vor Augen, und wer nun die aktuellen Fotos aus dem Aischgrund betrachtet, mag sich daran erinnert fühlen, auch wenn die Ausmaße andere sind. Dennoch ist es wohl nicht übertrieben, von einem Jahrhunderthochwasser zu sprechen.
Der Mensch hat sich bevorzugt dort niedergelassen hat, wo Flüsse eine Lebensgrundlage boten; und über die Jahrhunderte und Jahrtausende mehr oder weniger damit arrangiert, dass das Wasser für ihn zur Bedrohung werden kann. Zu lange aber hat man es versäumt, den Siedlungsbau entlang der Flüsse einzuschränken, Flächen bewusst aus der Besiedelung und der landwirtschaftlichen Nutzung zu nehmen, um im Fall des Falles Überflutungsspeicher zu Verfügung zu haben. Weil der Fall des Falles halt nur selten eintritt.

Diese Tankstelle wurde dank der schnellen Hilfe der Feuerwehr mit Sandsäcken nicht überschwemmt.

Diese Tankstelle wurde dank der schnellen Hilfe der Feuerwehr mit Sandsäcken nicht überschwemmt. © Matthias Kronau, NN

Nach der Katastrophe des Jahres 2013 in Niederbayern und - wer erinnert sich noch daran? - der Flutwelle, die drei Jahre später Simbach im Inn mit voller Wucht traf, hat die bayerische Staatsregierung reagiert und die Finanzmittel für den Hochwasserschutz erhöht. Da befremdet es dann schon zu lesen, was diese Zeitung in der Wochenend-Ausgabe berichtet hat – dass bis jetzt nur etwa 100 der 2000 bayerischen Gemeinden Geld aus dem Fördertopf für Hochwasserschutzmaßnahmen beantragt haben. Bei den großen Städten sei das Problembewusstsein "schon recht gut ausgeprägt, bei vielen kleineren Gemeinden allerdings nicht so sehr", berichtete Hans-Dieter Uhl, der stellvertretende Leiter des Wasserwirtschaftsamts Nürnberg. Prof. Dirk Carstensen, der an der Technischen Hochschule Nürnberg Wasserbau und Strömungsmechanik lehrt, spricht gar vom Phänomen der "Hochwasser-Demenz", wenn eine Naturkatastrophe in Vergessenheit gerät, sobald die Schäden beseitigt sind. Diese Form der Demenz kann, im Gegensatz zur medizinischen, geheilt werden: Indem die Expertise und Fördermittel des Freistaats in den Kommunen auch angenommen werden.


Hochwasserlage entspannt sich - Franken räumt auf


Noch ist nicht abzusehen, welches Ausmaß die Hochwasserschäden nun in Franken haben werden - aber die Staatsregierung tut gut daran, sich schnell damit zu befassen. Am besten schon heute - nachdem sich bis gestern jedenfalls kein Vertreter der Landesregierung vor Ort umgeschaut hatte, um sich bei den Feuerwehren und Betroffenen nach dem Stand der Dinge zu erkundigen.

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