Der Tod von Susanne M. bleibt ein Rätsel

27.1.2010, 00:00 Uhr

Nur endet der übliche Krimi mit der Festnahme des Täters und alles geht seinen Gang. Die Wahrheit wird gefunden, der Täter bestraft. Doch nicht im Mordfall Susanne M.: Seit Oktober letzten Jahres wurde verhandelt, Mutter (73) und Vater (70) des Opfers muteten sich jeden Prozesstag zu, hörten schweigend die grausigen Details jenes 5. März 1999, an dem ihre 27 Jahre alte Tochter auf dem dreckigen Boden einer Erlanger Tiefgarage verblutete.

Viele Bausteine werden zu einem Bild

Zig Zeugen hatten ausgesagt, zielstrebig formte Oberstaatsanwalt Wolfgang Gründler ein stimmiges Bild aus vielen Bausteinen, die Indizien fügten sich zu einem schlüssigen Gesamtbild. Doch am Ende steht ein Freispruch, das Gedankengebäude der Anklage ist eingestürzt, die Mutter von Susannne M. weint. Mit ihrer Opferanwältin Andrea Kühne bleibt sie trotz des Urteils von der Schuld des Peter S. überzeugt, hatte gehofft, am Ende würde er für ihren Verlust büßen. Kühne: «Mit einem Schuldspruch wären sie endlich zur Ruhe gekommen.»

Als die Richter «im Namen des Volkes» den Angeklagten Peter S. vom Vorwurf des Mordes freisprechen, knallt ein Zuschauer die Tür des Sitzungssaals zu. Die Zweifel des Gerichts an der Schuld des Peter S. überzeugen ihn nicht. Wäre es etwa besser, im Zweifel einen Unschuldigen hinter Gitter zu bringen als einen Schuldigen laufen zu lassen?

Schweigen bis zum Ende

Peter S. schwieg vom Prozessauftakt bis zum Ende, sein Verteidiger Peter Doll zweifelte an den Ermittlungen, stellte die zielstrebige Gewissheit des Anklägers in Frage - bis auch die Richter zuviele Bruchstellen in der Beweisführung der Anklage spürten.

«Es ist tragisch, dass diese furchtbare Tat ungesühnt bleibt», kommentiert Richard Caspar, «doch wir hatten erhebliche Zweifel an der Schuld des Angeklagten.»

Es sei richtig, so der Vorsitzende Richter der Schwurgerichtskammer, dass der Angeklagte Peter S. ohne Alibi sei, sich obendrein falsche Alibis für jenen 5. März 1999 verschafft hatte. Ein Audi, vielleicht das Auto des Angeklagten, wurde am Tatort gesehen, sein Handy hatte er im fraglichen Tatzeitraum ausgeschaltet. Er kannte den Arbeitsplatz von Susanne M., die Arztpraxis über der Tiefgarage, und Zeugen hatten ein Messer bei ihm gesehen, das zur verlorenen Messerscheide am Tatort passt. Und als er im Januar 2008 als mutmaßlicher Mörder in der U-Haft landete, äußerte er sich gegenüber Mithäftlingen zweideutig, räumte gar ein, dass er das Gefühl eines «Blutrausches» kenne. Doch das reicht nicht, um einen 45-Jährigen bis zu seinem 60. Geburtstag hinter Gitter zu schicken.

Peter S. fuhr häufig mit seinem Audi 80 ziellos durch die Gegend, vielleicht auch an jenem Tag? Oder hatte er das Handy nur ausgeschaltet, um ungestört ausschlafen zu können? Fest steht: Weder in der Wohnung noch im Auto von S. wurden Blutspuren gefunden. Und auch keine DNA-Spuren weit und breit. Im Gegenteil: Die Rechtsmedizin stellte unter einem Fingernagel von Susanne M. die DNA eines anderen Mannes fest. Unwahrscheinlich, dass sie diese zufällig vom Boden der Tiefgarage aufkratzte, erklärte bereits der Rechtsmediziner.

Dunkle Geheimnisse

Und selbst das Motiv überzeugte die Richter nicht: Zehn Jahre war im Dunklen geblieben, warum Susanne M. sterben musste - bis Peter S. nach einer Anzeige im Jahr 2007 einräumte, dass er seinerzeit seine 13 Jahre alte Tochter missbraucht hatte. Ein Geheimnis, das Susanne M. aufzudecken drohte - da entschloss er sich, sie zu töten, so die Anklage. Doch den Beweis, dass Susanne M. von den sexuellen Übergriffen überhaupt wusste, konnte die Anklage nicht erbringen.

Was sich in der dunklen Tiefgarage abspielte, kam trotz des Mammut-Prozesses mit rund 60 Zeugen und einer 735 dicken Anklageschrift nicht ans Tageslicht. Die Tat bleibt ungesühnt. Und ein elfjähriges Mädchen, die Tochter von Susanne M., weiß noch immer nicht, wer sie zur Waise machte.