Die Online-Karriere eines Spätberufenen

1.2.2020, 18:47 Uhr
Die Online-Karriere eines Spätberufenen

© Matthias Oberth

Er hat lange mit sich gerungen, sagt der frühere Leiter der Neustädter Lokalredaktion der Fränkischen Landeszeitung (FLZ). Schließlich hat ihm die Arbeit für nordbayern.de "wahnsinnig viel Spaß gemacht". Seit 2012 hat Harald Munzinger für das Portal geschrieben und fotografiert. Nicht nur über die Ereignisse in Neustadt/Aisch. Sein Interesse galt dem ganzen Landkreis und das nicht erst, seit er seine Tätigkeit für das Online-Portal aufgenommen hat. Doch der Reihe nach.

Es war zunächst einmal ein Zufall, dass es den gebürtigen Freiburger in den Aischgrund verschlug. Der gelernte Fotograf war 1966 noch in Düsseldorf angestellt, als er seine Schwester in Erlangen besuchte. Dort stolperte über eine Stellenanzeige der Nürnberger Nachrichten, die nach einem Fotografen für die Redaktion suchten. Er bewarb sich, bekam die Stelle und landete als Bildredakteur in Neustadt/Aisch. Dort hatten die NN damals noch eine eigene Redaktion. Die für den Zeitungsdruck ausgewählten Negative wurden damals noch per Bahnexpress von Neustadt/Aisch gen Nürnberg geschickt, erinnert sich Harald Munzinger. "Ist heute alles nicht mehr vorstellbar", sagt er ohne dabei wehmütig zu wirken. Dieses Kapitel der beruflichen Laufbahn endete am 1. Januar 1970 mit der Auflösung der Redaktion. Munzinger hätte nach Herzogenaurach wechseln können, zog es aber vor, zur Bild-Zeitung nach Hamburg zu gehen.

"Das war aber überhaupt nicht mein Metier", erzählt er und so war die Rückkehr nach Franken schnell beschlossene Sache. Genauso wie der Wunsch, nun in den Journalismus zu wechseln, an dem er in den Jahren zuvor schon sehr nah dran war. Harald Munzinger bewarb sich um ein Volontariat bei der FLZ, das er in Neustadt/Aisch absolvierte. Nach vier Berufsjahren in der Ansbacher Zentrale kehrte er 1976 in die Kreisstadt zurück und übernahm dort 1978 die Redaktionsleitung. Am 31. Dezember 2011 war dann Schluss. Sollte man meinen, denn mit diesem Tag endete für den Lokalchef in Neustadt ganz offiziell das Arbeitsleben und der Ruhestand stand an.

Für einen Lokaljournalisten, der über 40 Jahre den Landkreis beackert hatte, war dieser Ruhestand eine ungewohnte Situation. "Ich konnte mir zu der Zeit nicht vorstellen, nichts mehr zu machen", gibt Munzinger unumwunden zu. Sein Wissen über die Region, seine vielen Kontakte, das weiterhin vorhandene Interesse an lokalen Themen – es sollte nicht lange ungenutzt bleiben. Ab Mitte 2012 hatte Harald Munziger seine ersten Einsätze für nordbayern.de und es dauerte nicht lange, bis ein steter Strom an Artikeln und Bildern aus seiner Neustädter "Schreibstube", wie er die Kammer im Dachgeschoss des Wohnhauses nennt, gen Nürnberg floss.

Die Schnelligkeit des Online-Mediums faszinierte den Journalisten-Rentner. "Es begeistert mich, wenn ich beispielsweise den Flashmob der Landwirte um 16 Uhr fotografiere und zwei Stunden später ist alles im Netz ist", sagt er und in diesen Momenten merkt man, wie schwer ihm der Abschied tatsächlich fällt. Nicht zuletzt, weil er seine Leidenschaft für das Fotografieren im Online-Bereich wieder stärker ausleben konnte. Unzählige Bildergalerien sind mit seinen Motiven in diesen Jahren entstanden. Und der Erfolg blieb nicht aus. Die Abrufzahlen der Neustadt-Seite auf nordbayern.de haben sich vervielfacht und es gibt kaum einen Ort ähnlicher Größenordnung, der da mithalten kann.

Warum dann jetzt das Ende? "Es sind einerseits gesundheitliche Probleme, die verstärkt auftreten“, so Harald Munzinger. Das ist aber nur ein Teil der Wahrheit. Dann könne man doch kürzer treten, weniger Termine machen, so der Einwand. "Das funktioniert nicht, halbe Sachen sind mir fremd“, so seine Selbsterkenntnis. Es gehe nur ganz oder gar nicht. Mit der Konsequenz, dass seit dem 1. Februar der Nachrichtenfluss aus Neustadt versiegt ist.

Schließlich gibt es da auch noch ein Leben nach nordbayern.de. Die Enkelkinder beispielsweise. Die kennen vom Großvater vornehmlich den Satz "Ich komme gleich…“ , wenn er – wie so oft – am PC in seiner Schreibstube saß und die Enkel zu Besuch waren. Außerdem ist da ja noch das Fotografieren. Weniger "knipsen“, sondern wieder mehr "fotografieren“, so lautet seine Vorgabe. Und da wäre noch ein ganzer Speicher voll Archivmaterial, der aufgearbeitet werden muss.

Ganz loslassen kann ein Harald Munzinger nicht. Das wird spätestens dann klar, wenn er vom Neustädter Heimatfest erzählt, das im Juli stattfindet. Nur alle zehn Jahre kommt es zustande und er wird mit einer Bilderausstellung vertreten sein. Schließlich hat er vier Heimatfeste bewusst miterlebt, darüber berichtet und fotografiert. Einen besseren Chronisten für diese vier Jahrzehnte ist demnach kaum zu finden. In diesem Jahr feiert Harald Munzinger zudem seinen 75. Geburtstag. Der Abschied von seiner Online-Tätigkeit ist also sehr bewusst gewählt. Die Online-Redaktion wird die "Munzis", wie seine Texte intern genannt wurden, vermissen. Das Fazit, das Harald Munzinger zieht, wird den "Onlinern" aber wiederum sehr gut gefallen: "Die letzten acht Jahre waren die, die mich am meisten erfüllt haben.“

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