Gesundheit

Die vergessene Pandemie: Kommt Corona in der kalten Jahreszeit zurück?

Johannes Lenz

Nordbayern-Redaktion

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6.9.2023, 15:32 Uhr
Über zwei Jahre lang gehörte die Maske zu den Gegenständen, die man nicht zu Hause vergessen durfte (Symbolbild). 

© IMAGO/Michael Gstettenbauer Über zwei Jahre lang gehörte die Maske zu den Gegenständen, die man nicht zu Hause vergessen durfte (Symbolbild). 

Fußballspiele vor leeren Rängen, geschlossene Gaststätten und überfüllte Intensivstationen - Bilder, die das gesellschaftliche Leben mehr als zwei Jahre lang prägten, wirken heute wie ein Spuk aus der Vergangenheit. Was viele vergessen - oder vergessen möchten - ist jedoch, dass das Corona-Virus nicht ausgerottet ist. Aktuell rufen sich die Varianten "Eris" und "Pirola" das Virus wieder ins kollektive Bewusstsein. Wie gefährlich ist Corona aktuell? Und stehen uns womöglich wieder Einschränkungen wie in den letzten Jahren bevor?

Aktuell jedenfalls scheint dieses Szenario weit entfernt. Nach Einschätzung von Professor Armin Ensser vom virologischen Institut der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg ist Corona aktuell "nicht das große Problem". Momentan befänden sich nur wenige Corona-Patienten am Uniklinikum, die Zahlen seien nicht vergleichbar mit denen Anfang des Jahres oder während der Bergkirchweih.

Durch die Varianten "Eris" und "Pirola" sieht Ensser keine erhöhte Gefahrenlage. Da es sich bei beiden Varianten um Mutationen des Omikron-Virus handelt, sei jedoch eine erhöhte Ansteckungsgefahr gegeben. Denn durch Mutationen könnten Viren sich trotz Immunität weiterverbreiten. Auf eine besondere Schwere des Krankheitsverlaufes im Falle einer Infektion mit "Pirola" deute jedoch nichts hin - zumindest lägen keine Daten vor, die eine solche Vermutung untermauern. Auch über die Verbreitung könne Ensser keine gesicherte Aussage treffen, da das Testniveau derzeit sehr niedrig sei.

"Milder Anstieg": Stadt Nürnberg bleibt wachsam

Das bestätigt auch Klaus Friedrich, medizinischer Leiter des Gesundheitsamtes der Stadt Nürnberg. Obwohl Corona nach wie vor eine meldepflichtige Krankheit sei, ließen sich kaum Menschen testen. Die Stadt kann jedoch Erkenntnisse über die Viruslast mithilfe von Abwasser-Monitoring gewinnen. Die aktuellen Daten deuteten auf einen "milden Anstieg" hin, er könnte aber keine "Horrorszenarien" bestätigen, die andernorts gezeichnet würden. Jedoch betont Friedrich, dass die Stadt die Werte "messerscharf" beobachte.

Denn obwohl die aktuelle Lage keinen Anlass zur Sorge bereite, dürfe man "den kritischen Punkt nicht verpassen." Deswegen wird die Stadt ab dem Ende der Sommerferien auch wieder regelmäßig Empfehlungen zum Umgang mit Corona an die Bürger aussprechen. Dabei solle der Fokus auf der Auffrischung des Impfschutzes - vor allem für Risikogruppen und Beschäftigte in Pflegeberufen oder medizinischen Einrichtungen - und die Erinnerung an regelmäßige Tests liegen.

Maske: nicht verpflichtend, aber sinnvoll

Seine Hoffnung setzt Klaus Friedrich vor allem auf die "mündigen Bürger" selbst. Er hoffe, dass in den vergangenen Jahren ein "Lerneffekt" eingesetzt habe. So hätten sich Maßnahmen wie das Tragen einer Maske, Abstand halten oder Selbsttests als äußerst hilfreich erwiesen. Mit einem schönen Nebeneffekt: Auch andere Infektionskrankheiten wie Magen-Darm-Infekte hätten sich während der Corona-Maßnahmen weniger verbreitet. Friedrich zählt also vor allem auf das Verantwortungsbewusstsein der Menschen: "Ich bin mir sicher, viele Leute werden im Winter freiwillig eine Maske tragen."

Auf Freiwilligkeit setzt auch Armin Ensser vom virologischen Institut der FAU: "Eine Maskenpflicht wäre politisch nicht mehr vermittelbar", schätzt er die Situation ein. Allerdings betont er, dass das Tragen einer Maske als Schutzmaßnahme sinnvoll sei, und verweist auf Länder wie China oder Japan, wo Masken in der Öffentlichkeit längst zur Gewohnheit geworden sind. Risikopatienten und Personen mit Corona-Symptomen sollten generell einen Mund-Nasen-Schutz anlegen, ebenso medizinisches Personal oder Angestellte in Pflegeeinrichtungen.

Auch allen Menschen, die nicht zu einer Risikogruppe gehören, rät Ensser das Tragen einer Maske. Vor allem zum Schutz anderer - an belebten Orten , zum Beispiel in Einrichtungen des ÖPNV, aber auch zum Selbstschutz. Das gelte vor allem in der kalten Jahreszeit: Dann würden sich die Menschen wieder vermehrt in geschlossenen Räumen aufhalten, was Atemwegsinfektionen generell begünstige. Außerdem entfallen durch die Kälte und weniger Sonnenschein zwei natürliche Schutzfaktoren; im Sommer würden UV-Strahlen und Wärme den Viren zusetzen.

Vorbereitung trotz ruhiger Lage

Obwohl das Corona-Virus keinesfalls der Vergangenheit angehört, blickt Ensser optimistisch in die Zukunft: "Die Situation wird nicht mehr eskalieren wie in der Vergangenheit", schätzt er die Lage ein. Durch eine vorherige Infektion, vor allem aber durch die Impfung, sei ein Großteil der Bevölkerung gut geschützt. Und eine derart gefährliche Variante, die "zehn Prozent der Bevölkerung ins Krankenhaus" bringe, sei "nicht erwartbar". Trotzdem werde es immer wieder zu Mutationen des Virus kommen, allerdings drohe nicht mehr die Gefahr einer Überlastung des Gesundheitssystems.

Ähnlich entspannt sieht Klaus Friedrich vom Nürnberger Gesundheitsamt die Gesamtlage. Er sieht keinen Anlass für Aktionismus, beschreibt das Vorgehen seiner Behörde aber als "dynamisches und differenziertes Abwarten". Zu Ausbrüchen - etwa in Altenheimen oder anderen Pflegeeinrichtungen - könne es trotz der aktuell entspannten Situation jederzeit kommen.

Auf Situationen wie diese sei das Gesundheitsamt aber vorbereitet: "Wir stehen Gewehr bei Fuß". Die Stadt verfüge über ein aktualisiertes Pandemielager. Das heißt auch: Wenn sich an der entspannten Lage doch etwas ändert, sei die Stadt "sofort handlungsfähig".

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