Baiersdorf: Dokumente im Stadtarchiv schimmeln

25.6.2017, 12:50 Uhr
Baiersdorf: Dokumente im Stadtarchiv schimmeln

Das Erlanger Werbe- und Marketingunternehmen Birke + Partner hat seit geraumer Zeit auch das "History Marketing" im Portfolio. Denn das Geschichtsbewusstsein wächst, sei es bei Firmen, sei es bei Privatleuten, die ihre Familiengeschichte erkunden wollen. Dabei, sagt Michael Bantele, der Partner von Ralf Birke, im Baiersdorfer Stadtrat, gewinnen Stadtarchive eine besondere Bedeutung.

Historiker Bantele und Historiker Jens Riesner, haben sich im Baiersdorfer Stadtarchiv umgesehen. Das liegt, bislang weitgehend unbemerkt, brach im Kellergeschoss des Rathauses. Mehr noch: Es dümpelt vor sich hin, im Wortsinn. Der Schimmelpilz hat die Akten fest im Griff.

Deshalb konnte Jens Riesner auch nur im weißen Ganzkörperoverall und mit Mundschutz zwei Tage lang Sichtungsgänge im Stadtarchiv vornehmen. Das Resultat ist angesichts der bisher schon bekannten Geschichtsdaten der Meerrettichstadt nicht wirklich überraschend: "Hier liegt ein Schatz, den fast niemand kennt. Da geht mir als Historiker das Herz auf", setzt er hinzu.

6000 Aktensammlungen bergen die zwei Archivräume und – geschätzt – 500 000 Dokumente. Darunter als ältestes eine Marktordnung von 1558; es gibt jedoch auch ein Rustikal-Kataster von 1811, Gemeindeakten ab 1801, und als modernes zeitgeschichtliches Dokument nicht unerheblich: die Sitzungsakten des Baiersdorfer Stadtrates von 1932 bis 1945 lückenlos.

Eindringlich redete Bantele vom Archiv als dem "Gedächtnis der Stadt", das einen Hort versteckter Stadt-Geschichten verkörpere und somit Anlaufstelle für Forscher sei. Soweit das Positive.

Die historischen Dokumente seien leider unsortiert, es sei keine nachvollziehbare Systematik erkennbar. Und der Schimmelpilzbefall sei so stark, dass man jetzt die Türen zum Archiv verschlossen habe, um niemandes Gesundheit zu gefährden.

Als Bausteine für den Archivaufbau nannten Bantele und Riesner als erstes die Dekontamination der Archivräume und der Dokumente, sprich: die materielle Ertüchtigung. Im Gefolge müsste eine Trennung von historischem und aktivem Archiv erfolgen.

Baiersdorf: Dokumente im Stadtarchiv schimmeln

© Foto: Harald Hofmann

Drittens ist es nötig, eine Systematik ins Archiv zu bringen. Dann könne man eine Archivdatenbank anlegen. Die Verschlagwortung, Ordnung und schließlich die Digitalisierung der Archivbestände wären weitere Schritte.

Bantele empfahl der Stadt, hier die Zusammenarbeit mit der FAU zu suchen. Für Geschichtsstudenten wäre seiner Ansicht nach das Baiersdorfer Archiv eine Fundgrube. Möglicherweise böte sich auch die Chance, den Archivaufbau als Pilotprojekt "Archivlösung für Kommunen mit unter 30 000 Einwohnern" zu starten oder andere Fördermittel des Freistaats zu erhalten.

Das Wichtigste war für Karl-Heinz Roll (ÖWG), "die Mitarbeiter der Verwaltung zu schützen" und daher unverzüglich die Archivräume zu dekontaminieren. Darin war man sich schnell einig.

Die Stadträte schienen samt und sonders überzeugt, dass die Bewahrung des Stadtgedächtnisses nicht auf die lange Bank geschoben werden dürfe. "Wir werden wohl für fünf bis sechs Jahre jeweils 20 000 Euro in den Haushalt einstellen müssen", nannte Jürgen Ries (SPD) als Minimum. Das blieb unwidersprochen, jedoch ohne Beschluss.

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