Bequeme Politiker? Unzufriedenheit über Impfzentrum-Entscheidung

11.2.2021, 05:15 Uhr
Bequeme Politiker? Unzufriedenheit über Impfzentrum-Entscheidung

© Foto: Ariel Schalit/dpa

Während im benachbarten Landkreis Forchheim das Impfen in einigen Gemeinden möglich ist, heißt es aus Erlangen, dass die hohen hygienischen Standards derzeit am besten in einem zentralen Impfzentrum sicherzustellen seien und dass ein Abschluss der Impfungen in Senioreneinrichtungen derzeit Priorität habe. 

Für Erlanger scheint der Weg ins Impfzentrum vielen zumutbar zu sein. Rolf Schowalter würde es für "absolut überzogen" halten, würde in Tennenlohe, wo er im Ortsbeirat sitzt, ein weiteres Impfzentrum installiert. "Von hier aus fahren zwei Buslinien bis in die Sedanstraße." Wer mobil ist, für den sei das kein Problem. "Und wer immobil ist, für den kann auch ein Impfzentrum in der Gemeinde schwierig werden." Dass es aber für den Landkreis keine andere Lösung gab, könne er überhaupt nicht nachvollziehen.

Für die großen Orte sinnvoll

"Wir sind weiterhin der Meinung, dass kleine, dezentrale Impfzentren dringend nötig sind", sagt auch Brüne Soltau, Herzogenauracher Seniorenbeiratsvorsitzender. Vor allem für die großen Orte wäre eine andere Entscheidung seiner Meinung nach sinnvoller gewesen. Bei den kleineren Orten wie beispielsweise Buckenhof lasse er sich das wegen der Nähe zu Erlangen ja noch eingehen. "Aber wenn jemand nicht gut laufen kann, kann er auch den Bus – selbst wenn er bis vor die Tür fährt – nicht nutzen."


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Der Seniorenbeirat hat laut Soltau schon länger Gespräche mit Bürgermeister German Hacker geführt. "Und er wäre eigentlich einverstanden, im Generationen.Zentrum ein kleines Impfzentrum einzurichten." Dort sei die Infrastruktur vorhanden und man könnte vor allem die Über-80-Jährigen impfen, die keinen Computer haben und sich nicht online anmelden können. Eine zentrale telefonische Anmeldestelle könnte das Seniorenbüro übernehmen.

"Nicht nur den Aufwand für die Behörden sehen"

"Und mit ASB und BRK vor Ort sollte es wohl auch kein Problm sein, einen Arzt zu finden, der impft", meint Soltau. In diesem Zuge könnte man auch die nicht transportfähigen Menschen zuhause impfen. Vier Wochen später das Ganze nochmal – "dann wäre das alles in Herzogenaurach in einem Rutsch erledigt".


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Auch Karl-Heinz Link, Vorsitzender des VdK-Ortsverbands für Eckental und Umgebung, kann die Entscheidung nicht nachvollziehen: "Man muss nicht nur den Aufwand für die Behörden, sondern auch den für die Bürger sehen. Gerade bei der momentanen Witterung ist es für Behinderte und hochbetagte Menschen mit körperlichen Einschränkungen alles andere als einfach, nach Erlangen zu kommen."

Es sei ein Unterschied, ob man nah bei Erlangen oder weiter weg wie in Heroldsberg, Eckental oder Kalchreuth wohne. "Optimal wären Außenstellen des Impfzentrums in Eckental, Herzogenaurach und Höchstadt. In Wahlkämpfen wird gerne über eine bürgerfreundliche Politik geredet. Hier könnte sie praktiziert werden", hebt Link hervor.

Mobilität ab einem gewissen Alter nicht mehr so gut

Mag vieles bei der momentanen Organisation besser gehandhabt werden können, sei es für ihn jedoch das Wichtigste, den Menschen zu helfen. Deshalb koordiniert er über das "Soziale Netz Eckental", dem die örtlichen Sozialverbände und entsprechenden Vereine angehören, eine rasche Unterstützung, wo sie benötigt wird. Dies betrifft sowohl die Registrierung als auch Fahrten zum Impfzentrum in der Erlanger Sedanstraße. Ehrenamtliche haben sich bereiterklärt, Betroffene dorthin zu bringen und sie wieder abzuholen, wenn sie keine andere Möglichkeit haben. Über die Diakonie steht sogar ein Spezialfahrzeug für Behinderte zur Verfügung.

Manfred Winkelmann, Seniorenbeauftragter der Gemeinde Bubenreuth, weiß aufgrund seiner ehrenamtlichen Tätigkeit, dass Ältere es sich durchaus wünschen würden, sich im Ort impfen lassen zu können. Die Mobilität sei in einem gewissen Alter halt nicht mehr so gut. Außerdem sei es wünschenswert, dass man sich beim Hausarzt in vertrautem Rahmen impfen lassen könne. "Der Hausarzt ist immer noch ein ganz anderer Mensch, dem man bei der Impfung vertraut, das ist auch noch ein psychologischer Moment".

"Organisatorisch nicht zu machen"

Möhrendorfs Bürgermeister Thomas Fischer denkt ähnlich, er versteht aber auch die Entscheidung für ein zentrales Impfzentrum. Ein dezentrales Impfzentrum sei organisatorisch nicht zu machen, weil man das etablierte System erst durchbrechen müsste.

Er selbst und seine Vorzimmerdame werden aber das Angebot annehmen, sich schulen zu lassen, um die Bürgerinnen und Bürger, die es selbst nicht schaffen, für das Impfen anmelden zu können. "Die können dann ins Rathaus kommen oder anrufen, wir machen dann für sie die Registrierung. Das wird voraussichtlich ab kommenden Montag möglich sein."

"Bei der Impfung im ländlichen Raum gibt es noch Probleme"

Die Vize-Vorsitzende der Awo im Landkreis ERH, Martina Stamm-Fibich, und der Vorsitzende Christian Pech äußern Verständnis: "Wir können die Diskussion um dezentrale Impfungen gut nachvollziehen. Als gemeinnützige Organisation, die über 1000 Mitglieder in Stadt und Landkreis hat, darunter sehr viele ältere Menschen, und die viele Altenclubs unterhält, weiß die Awo genau, dass es bei der Impfung Älterer im ländlichen Raum noch Probleme gibt. Die jetzige Form der Organisation und Durchführung der Impfung stelle Anspruchsberechtigte vor "enorme Herausforderungen".

Für die meist über 80-jährigen Impfkandidaten und ihre Angehörigen seien Organisation und Anreise zum Impfzentrum oft eine große Belastung. Die Awo ist der Meinung, dass dezentrale Impfungen im Landkreis und in der Stadt noch nicht in Frage kommen, dezentrales Impfen aber in naher Zukunft ein wichtiger Schritt sein müsse, "um die Zahl der Geimpften zu erhöhen und die Betroffenen und deren Angehörige zu unterstützen und zu entlasten."

hauf, jes, sj, hvd

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