Bergabschied: "Pfarrer" aus Leidenschaft

8.6.2020, 17:30 Uhr
Bergabschied:

© Archivfoto: Klaus-Dieter Schreiter

Seine Rolle hat Thomas Fischer immer sehr gut gespielt. Zu gut. Manche, erzählt er, waren ganz überrascht, als sie herausfanden, dass er nicht wirklich Pfarrer ist. "Das kam, als ich in Möhrendorf Bürgermeister geworden bin." Einige Erlanger schienen bis dahin der festen Überzeugung gewesen zu sein, dass Thomas Fischer von Beruf Geistlicher ist, "durch meine Figur und meine Ausstrahlung", manche meinten, das wäre der Pfarrer, zu dem sie gerne gehen würden.

Tatsächlich aber war er Gastronom und viele Jahre Leiter am Erich Keller. 2008 wusste er dann schon, was auf ihn zukommt. Schließlich hatte sein Kellerwirt-Kollege Axel Fischer den Priester-Job die Kirchweihen zuvor inne. "Axel hat dann mit seiner Band selbst auf dem Berg gespielt", erinnert sich Thomas Fischer, also sei er als Nachfolger "die logische Schlussfolgerung" gewesen. So zog Thomas Fischer 2008 erstmals den schwarzen Talar an und weihte am Abschlussabend Fass und Bergbesucher mit Bier. Das Gefühl war überragend. "Das ist eine Ehre. Diese Beerdigung wird nur am Erich Keller so zelebriert. Das ist Gänsehaut-Feeling, wenn du zu den letzten Klängen von ,Lili Marleen‘ auf der Bühne stehst und in das Meer aus Taschentüchern schaust."

Genauer Plan

Die Zeremonie folgt einem genauen Plan, festgehalten auf einer Tafel im Inneren des Kellerhäuschens. In den Jahren zuvor hatte Thomas Fischer das Ganze aus dem Hintergrund dirigiert. Dennoch war in seinem ersten Amtsjahr als Pfarrer eine gewisse Aufregung dabei. "Die Anspannung ist gewaltig. Es wird aber auch ordentlich Bier getrunken", sagt Thomas Fischer. "Und normalerweise bin ich nicht wirklich zum Trinken gekommen." Seit 1999 hatte Thomas Fischer die Leitung des Erich Kellers inne, 2017 haben er und Axel Fischer die Aufgabe abgegeben. Seither ist Thomas Fischer auch kein Berg-Pfarrer mehr.

Viele Jahre aber hat er seine Rolle gerne gespielt. Zu Beginn auch noch in einem echten Talar aus dem Bestand der Altstädter Kirche. "Der war Bier-getränkt, lag das ganze Jahr über in einer Kiste und wurde dann wieder herausgezogen. Der war muffig und hatte eine wunderbare Patina." Später hat Thomas Fischer über einen Online-Versand ein neues Gewand besorgt.

An das Jahr 2008 erinnert er sich aber nicht nur wegen seiner persönlichen Premiere als Priester gern. "Das Wetter war einfach genial und wir hatten eine super Truppe." Viele Mitarbeiter am Erich Keller waren seit vielen Jahren dabei. Der Zusammenhalt war immer groß, auch nach 23 Uhr saßen die Kellner noch oben zusammen, Axel Fischer spielte auf der Gitarre.

Immernoch Tradition

Die Bergkirchweih hat für Thomas Fischer immer noch viel Traditionelles. "Wenn man sich nur mal die Musik-Sets der Bands anschaut: Gefühlt hat sich in den 18 Jahren, in denen ich oben war, nicht so viel verändert." Trotzdem habe das Fest auch immer davon gelebt, dass die Besucher älter werden und neue hinzukommen. "Im Großen und Ganzen konnten wir viel Tradition bewahren."

Thomas Fischer ist das wichtig, er fühlt sich immer noch verbunden mit der Bergkirchweih, auch wenn er mittlerweile nur als Besucher dabei ist. "Es fühlt sich immer noch an wie eine Familie", viele Wirte und Mitarbeiter kennt der 46-Jährige schon seit langer Zeit. "Das ist einzigartig, das muss man bewahren."

Ein halbes Hähnchen für alle

Der letzte Abend war auch deshalb immer etwas Besonderes. "Man muss alles für das Begräbnis vorbereiten, wenn nach 23 Uhr alle vom Berg runter sind, geht es noch einmal richtig rund. Als Dank an die Mannschaft gab es am Erich Keller ein halbes Hähnchen für alle." Dazu war man nach zwölf Tagen Durcharbeiten auch einfach kaputt.

Trotzdem nimmt der Abschiedsabend kein Ende. "Es war Brauch, dass sich die Mitarbeiter aller Keller im Anschluss an den Berg im Zirkel treffen", sagt Thomas Fischer. "Das waren die einzigen Abende, an denen ich morgens um 6 Uhr nach Hause kam." Oder später. Manchmal ging es nach durchzechter Nacht noch zum gemeinsamen Frühstücken. Vom Berg wollten alle eben nie genug haben.

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