Bergregionen im Siedlerhäuschen

9.12.2011, 00:00 Uhr
Bergregionen im Siedlerhäuschen

© Bernd Böhner

Der Blick fällt auf Frauen in bunter Kleidung, die inmitten tropischer Vegetation ihrer Arbeit nachgehen. Manche von ihnen tragen Messer im Gürtel, andere Kinder oder große Körbe auf dem Rücken. Im Hintergrund erhebt sich in sanften, pastelligen Farben eine majestätische Bergwelt. Es sind Momente wie diese, die Doàn Thanh Rettensteiner in ihren Seidenbildern festhält. Sie entstehen oft vor Ort, in entlegenen Bergregionen Vietnams, wo die Menschen noch ein sehr einfaches, naturverbundenes Leben führen.

Hühner und Schweine laufen dort frei herum, im Haus wird über einer offenen Feuerstelle gekocht und das Wasser mit Eimern vom Fluss geholt. „Die Frauen nähen und weben all ihre Kleidung selbst“, berichtet die Neu-Erlangerin, die seit Sommer 2010 mit ihrem Mann in der Hugenottenstadt wohnt. Manchmal gewährt Rettensteiner dem Betrachter fast intime Einblicke in den Alltag der Minderheiten, etwa wenn sie Badende im Bach porträtiert. „Das ist sehr romantisch, wenn die Frauen mit ihrem langen Haar dastehen und sich waschen“, schildert die Künstlerin, die selbst immer in städtischen Regionen gelebt hat.

Jedes Jahr reist sie mindestens einmal für vier bis sechs Wochen in ihre Heimat und besucht dort Volksgruppen wie die Mèo und Thai. „Ich mag diese authentischen Umgebungen, die Gastfreundschaft und Fröhlichkeit der Menschen“, resümiert Rettensteiner. „Meistens male ich Frauen und Kinder, meine liebsten Farben sind Grün und andere fröhliche Töne.“ Ihre künstlerische Entwicklung sei geprägt von der fortwährenden Suche nach einem eigenen Weg, in dem Tradition und Moderne zusammenfänden, erklärt die zweifache Mutter und dreifache Großmutter.

Der Weg der 1950 geborenen Vietnamesin nach Franken führte über die ehemalige DDR, in die sie 1989 übergesiedelt ist, um eine enttäuschte Liebe zu vergessen. „Ich bin dort sehr zuvorkommend behandelt worden“, erinnert sich die auffallend kleine Frau mit dem breiten Lächeln. So sei sie von ihrer Arbeit als Gruppenleiterin in einer Textilfabrik stundenweise freigestellt worden, um künstlerisch wirken zu können und habe obendrein sämtliche Materialien bekommen.

In die Metropolregion zog die einstige Zeitungsillustratorin Anfang der 90er Jahre wegen ihres einen Sohnes, der ihr aus Vietnam gefolgt war und hier an einer Schule Deutsch lernen konnte.

Schnell habe sie Nürnberg und die Franken ins Herz geschlossen: „Die Deutschen sind sehr ruhig, ehrlich und fleißig“, resümiert Rettensteiner. Trotzdem packe sie immer wieder das Heimweh, vor allem weil ihr anderer Sohn noch in Vietnam wohne.

Rettensteiner hat während ihrer zwölfjährigen Ausbildung an der Kunstschule in Hanoi die unterschiedlichsten Techniken gelernt – von der Bildhauerei über den Holzschnitt, den sie noch heute macht, bis zum Malen mit Ölfarbe. Auch das Zeichnen der Armee stand damals auf dem Programm. „Das macht nicht so viel Spaß, so was zu malen“, sagt die Künstlerin. Wenn diese Thematik heute überhaupt noch in ihren Werken auftaucht, dann nur am Rande, etwa wenn sie klein im Bild einen Soldaten zeigt, der zu seiner Frau heimkehrt.

„Ich habe auch schießen und teeren gelernt und in der Landwirtschaft gearbeitet“, berichtet Rettensteiner. Schließlich sollte im Kriegsfall jeder einsetzbar sein. Inzwischen engagiert sich die Malerin im Verein „Mang Non“ („Bambussprossen“) für Kinder und Jugendliche, die infolge des großflächigen Herbizid-Einsatzes der USA im Vietnam-Krieg mit schweren Behinderungen und Krankheiten zur Welt kamen. Zur Illustration zeigt Rettensteiner die Fotografien von Acid-Orange-Opfern. Die Aufnahmen stehen in scharfem Kontrast zu den fröhlichen Bildern der Künstlerin. Es scheint, als ob sie darin einen Gegenpol zu dem Leid schaffen wollte, das sie gesehen hat.

Rund 50 Werke von Doàn Thanh Rettensteiner sind bis 22.Dezember im Rahmen der Wechselausstellung „Dageblieben!“ in der Norishalle in Nürnberg zu sehen (Marientorgraben 8, geöffnet Mo.—Do. 8.30—17, Fr. 8.30—21 und So. 10—17 Uhr).

 

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