Bogentechnik und wippende Zehen

24.6.2014, 17:59 Uhr

Beim diesjährigen Benefizkonzert in der gut besuchten Matthäuskirche war das Konzept derart ausgefallen, dazu neben der von Dorian Keilhack gegründeten „Camerata Franconia“ auch noch „KB’s Jungle Band“ angekündigt, dass man doch erst mal kurz zucken konnte. Aber der Gedanke, dass Keilhack für Top-Qualität steht, verwandelte jegliche Sorge bezüglich des Niveaus in die intensiv kribbelnde, neugierige Erwartungshaltung, „was das wohl wird“.

Das Programm bestand aus Kompositionen der 20er Jahre – einmal französischer, einmal amerikanischer Herkunft –, in denen der Jazz sich vom lediglich farbgebenden Element zur vollen Ausprägung entwickelte.

Man merkt es Vincent D’Indys Sonate für Violoncello und Klavier D-Dur, op. 84, schon an, dass sie von einem Intellektuellen stammt. Meisterhaft deshalb, wie Tilmann Stiehler (Cello) die überlangen musikalischen Gedanken dieses historisierenden Werkes im Entrée fassbar machte, wie er das Lautenspiel in der Gavotte imitierte und im Air mit großem Ton die Kirche erfüllte. Dorian Keilhack fungierte am Flügel als partnerschaftlicher Klangmaler, der das einfallende Sonnenlicht direkt in die Musik umzuleiten schien. Die wilde Gigue war dann auch mit einer zarten Prise Jazz gewürzt.

Technisch fordernd

Der Gegenschule zu D’Indy entstammt Maurice Ravel, dessen Sonate für Violine und Klavier Nr. 2 puren Impressionismus zeigt. Technisch derart fordernd, dass nur eine Virtuosin vom Format der Lettin Eva Bindere in der Lage ist, die schillernde Schönheit dieses Werkes freizulegen. Mit assoziativer Freiheit gibt sie das Allegretto. Laut wird es dann im Blues mit seinen Synkopen, Gegenpunktierungen und endlosen Pizzicato-Akkorden, den Bindere und Keilhack hochintensiv, geradezu zwingend, gestalten. Genauso das Perpetuum mobile, das gewandteste Bogentechnik und (glockenrein dargebotene) Oktavdoppelgriffe bei höchstem Tempo verlangt. Kurt Weills drei „Lieder nach der Dreigroschenoper“ wirkten da regelrecht erholsam, besonders Pollys Song in seiner ergreifenden Zartheit.

In der Pause hatte man sozusagen übergesetzt nach Harlem, New York, in dem der Jazz in den 20er Jahren seine erste Blüte feierte. Die „Camerata Franconia“, ein Kammerorchester, in dem Dorian Keilhack Spitzenmusiker aus Europa und der Region verbunden hat, betrat zusammen mit „KB’s Jungle Band“, einer Bigband, gegründet vom Schlagzeuger Karl-Bernhard Rau, die sich der „historischen Aufführungspraxis“ von „alter Jazzmusik“ verschrieben hat, die Bühne, um dem Publikum einen seltenen Genuss zu bieten: Die „Rhapsody in Blue“ von George Gershwin im Original-Arrangement von 1924. Und das prägnante Klarinetten-Solo am Anfang eröffnete ein wahres Fest der Verschmelzung von Klassik und Jazz. Organisch gingen die Musikergruppen aufeinander ein, feuerten einander an und umfingen das virtuos-brillante Feuerwerk vom Klavier mit starkem Drive. Keilhack, Solist am Klavier und Dirigent dieses ungewöhnlichen Ensembles, war in seinem Element, während das Publikum, seltsam vitalisiert, mit den Zehen zu wippen begann. Bravourös umschifften Streicher wie Blech vertrackte Polyrhythmen und zeigten glaubhafte Stimmungswechsel vom sprühenden Temperament zum Jammertal des Blues.

Der Solo-Auftritt von „KB’s Jungle Band“ mit Louis Armstrongs „Manda“ blies dann mit Posaunen- und Trompetensolo den Stöpsel vollends aus der Flasche der Begeisterung. Mit „Futuristic Jungleism“ zog die Band den Drive nochmals an, sprühend vor Spielfreude und Leidenschaft für den Vorläufer des Dixie.

Das hingerissene Publikum feierte dieses euphorisierende Konzert mit Standing Ovations und bedankte sich mit Spenden von mehreren Tausend Euro.

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