Corona in Erlanger Studienhaus: Quarantäne ohne Toilette?

4.12.2020, 06:00 Uhr
Bis zu 14 Bewohner teilen sich eine Küche, es dürfen sich aber immer nur zwei dort begegnen.

© Marcel Staudt Bis zu 14 Bewohner teilen sich eine Küche, es dürfen sich aber immer nur zwei dort begegnen.

Nach Ansicht des Erlanger Rechtsamts braucht es keine eigene Toilette oder eine eigene Küche, um ein eigenständiger Hausstand zu sein. Diese kostspielige Erfahrung machen derzeit die Bewohner des Theologischen Studienhauses Werner-Elert-Heim an der Hindenburgstraße.

Als die Studierenden sich noch als gemeinsamer Hausstand empfanden, feierten sie einen Gottesdienst im Freien und saßen danach bei Kaffee und Kuchen zusammen – an einer langen Tafel im Freien, aber ohne den Mindestabstand von 1,5 Metern einzuhalten.

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Das war im April. "Wir hatten nicht das Gefühl, dass wir etwas Unrechtes tun. Wir sind doch wie eine Wohngemeinschaft", sagt die Theologiestudentin Isabel Wais.

Sie geht davon aus, dass die 18 Teilnehmer des Treffens verpfiffen wurden – die Zusammenkunft wurde von der Polizei aufgelöst. Die Studierenden bekamen Bußgeldbescheide zugeschickt und wurden darauf hingewiesen, dass jeder Einzelne von ihnen mit seinem neun bis 15 Quadratmeter großen Zimmer einen eigenen Hausstand bildet.

Festgesetzte Geldbuße

Die festgesetzte Geldbuße betrug 75 Euro. Hinzu kamen noch "Auslagen" in Höhe von 3,50 Euro und "Gebühren" in Höhe von 25 Euro – offenbar ist es für das Rechtsamt sehr aufwendig, bei einem Serienbrief die Namen auszutauschen.

Macht zusammen 103,50 Euro pro Teilnehmer. Einige der Studierenden, so auch Wais, legten Einspruch ein. Das Rechtsamt schmetterte ab. Bis auf einen Studierenden zogen alle ihren Einspruch zurück, "aus Sorge, durch die Anwaltskosten am Ende noch viel mehr bezahlen zu müssen", wie Wais sagt.

Das Rechtsamt versuchte dem weiterhin widersprechenden Studenten ein schlechtes Gewissen zu machen, sein Einspruch sei "unsolidarisch" gegenüber allen Anderen, die den Einspruch zurückgezogen haben. Er hielt aber durch. Am Ende wurde das Verfahren gegen ihn eingestellt.

Was aber blieb und immer noch gültig ist: die Regelung, dass jedes einzelne Zimmer als eigener Hausstand zählt. Den Sommer brachten die Studierenden noch einigermaßen hinter sich. "Die Einsamkeit war schon groß, aber wir haben in Videokonferenzen Kontakt gehalten", sagt Wais.

Lage spitzt sich zu

Doch vor zwei Wochen spitzte sich die Lage zu: Im Studienhaus gab es drei Coronafälle, Wais wurde wie andere Bewohner durch das Gesundheitsamt als Kontaktperson 1 eingestuft mit der Auflage, sich in häusliche Quarantäne zu begeben. Aber wie soll man sich für 14 Tage im eigenen Hausstand aufhalten, wenn es dort keine Toilette gibt?

Das fragte sich auch Wais und bat das Rechtsamt schriftlich (Mailverkehr liegt der Redaktion vor), um eine "Sondergenehmigung", ihr Zimmer für Toilettengänge verlassen zu dürfen.

Das Rechtsamt wollte darüber aber nicht entscheiden und verwies stattdessen auf das nach eigenem Bekunden überlastete Gesundheitsamt als Ansprechpartner. Nachdem Wais nicht locker ließ und noch einmal nachfragte, erhielt sie doch noch die Erlaubnis, aufs Klo gehen zu dürfen.

Mittlerweile ist die Quarantäne von Isabel Wais beendet. Sie und ihre Mitbewohner müssen sich aber trotzdem an die Regeln halten: Eigentlich gibt es acht Duschkabinen für 43 Bewohner, momentan können zeitgleich nur vier benutzt werden.

Je nach Stock eine Küche für bis zu 14 Bewohner

Je nach Stockwerk teilen sich bis zu 14 Bewohner eine Küche, begegnen dürfen sich dort aufgrund der verschiedenen Hausstände aber nur zwei. "Unsere eigenen Zimmer sind eigentlich nur zum Schlafen da, ansonsten ist alles auf Gemeinschaft ausgelegt", sagt Wais. Hinzu kommt die Problematik, dass das Semester begonnen hat.

Die Studierenden haben zwischen 11.45 und 12.15 Uhr Pause von ihren Seminaren, an denen sie virtuell teilnehmen. "Wie sollen wir uns in dieser Zeit alle etwas zu essen machen können? Das kann doch nicht funktionieren."

In Kontakt mit dem Rechtsamt

Wais befindet sich weiterhin in Kontakt mit dem Rechtsamt. Das Ziel: Jedes Stockwerk soll als Hausstand gesehen werden, nicht jedes einzelne Zimmer. Sie hat der Behörde ein Schreiben von Markus Wolf zukommen lassen, er vertritt den Vermieter ESW.

"Die Studentenwohnanlage ist bauseits so konzipiert, dass pro Stockwerk ein Gemeinschaftsduschraum und eine Gemeinschaftsküche vorgesehen ist. Da auf den einzelnen Zimmern nur eine Waschgelegenheit aufgebaut ist, jedoch kein WC oder Kochgelegenheit, ähnelt die Art der Nutzung eher einer Wohngemeinschaft", heißt es wörtlich.

Doch bislang bleibt das Rechtsamt bei seiner Auffassung. Wais ist enttäuscht: "Nach der jetzigen Regelung fühlt man sich im eigenen Zimmer wie in einer Gefängniszelle."

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