"Dann kamen haufenweise Anfragen"

16.8.2019, 10:00 Uhr

© Harald Hofmann

  "Obacht!" ruft man, wenn der Blumentopf vom Fensterbrett im vierten Stock kippt. "Obacht!" ruft man auch, wenn die Milch überkocht, Klein Moritz in die Steckdose greift oder der Goldhamster sich in die Mikrowelle verirrt. Aber ruft man "Obacht", wenn eine Band oder ein junger Dichter auftritt? Soll man dann die Flucht ergreifen? Oder doch lieber bleiben und zuhören?

Die Warnung als Lockruf, das ist schon mal ein guter Einstieg. "Obacht!" (mit unerlässlichem Ausrufezeichen) ist eine in Erlangen beheimatete Booking-Agentur für fränkische Bühnenkünstler. Das siebenköpfige Team, allesamt im Alter von Anfang bis Mitte Zwanzig, hat sich um die beiden Chefs Sebastian Vieth (23) und Hannes Holler (24) zusammengefunden.

"Wir sind ein bunt gewürfelter Haufen, der sehr schön harmoniert", definiert Sebastian Vieth seine Truppe. Wobei die Künstleragentur auf verschiedenen Standbeinen ruht. Zu den momentan 13 Gruppen und Solokünstlern zählen nicht nur Pop- und Rockmusiker, sondern auch DJs, Slampoeten, Dichter auf Lesereise und auch Moderatoren, etwa fürs Fantasy-Filmfest.

Dabei ist "Obacht!" darauf bedacht, einem angeforderten Künstler gleich noch einen weiteren Act aus dem eigenen Stall zur Seite zu stellen. Theoretisch sähe das so aus: Da richtet jemand ein kleines Horrorfilmfestival aus. "Obacht!" versorgt ihn nicht nur mit einem kompetenten und launigen Moderator, sondern liefert vielleicht noch eine Band mit Neuinterpretationen von "Black Sabbath"-Klassikern dazu sowie einen Rezitator, der schauerromantische Gedichte von Poe bis Baudelaire von sich gibt. Hinzu kommen noch der Service mit Bühnenbauern und -technikern sowie ein Graphik-Team, das die Plakate entwirft.

Auch wenn die Booking-Agentur erst im Januar 2019 an den Start gegangen ist, verfügen ihre Macher Sebastian Vieth und Hannes Holler schon über Management-Erfahrung. Seit fünf Jahren organisieren sie in Erlangen das Vorstadtsound-Festival sowie das Lorleberg-Open-Air, das immer am 1. Mai stattfindet. "Wir hatten bemerkt, dass ein gewisser Bedarf an regionalen beziehungsweise fränkischen Künstlern besteht", erzählt Hannes Holler. "Wir dachten, wir fangen mal mit sechs Künstlern an – und dann kamen haufenweise Anfragen von anderen Künstlern." Inzwischen hat die Agentur binnen eines halben Jahres 150 bis 200 Auftritte vermittelt.

Glorreiche Idee

Wenn so ein großer Andrang herrscht, warum ist dann keiner vor ihnen auf die glorreiche Idee einer Booking-Agentur für fränkische Dichter und Musiker verfallen? "Mit regionalen Bands, die im Umkreis von zweihundert Kilometern auftreten, verdient man nicht viel Geld", analysiert Vieth. "Die größeren Agenturen nehmen Interpreten erst ab einer gewissen Größe und Reichweite. Wir hingegen kümmern uns um regionale Künstler, die noch am Wachsen sind. Hinzu kommt: Größere Agenturen haben das Exklusivrecht fürs Buchen. Bei uns ist das nicht der Fall, jede Gruppe, jeder Solo-Interpret kann auch selbst seinen Auftritt buchen."

Das nächste Ziel von "Obacht!" ist es, bei den kommenden Festivals eine eigene Bühne zu bespielen; etwa beim Nürnberg-Pop, dem größten Indoor-Festival in Süddeutschland. Daneben unterstützen die "Obacht!"-Macher auch andere Veranstaltungen, wie etwa das "Fest der Kulturen" im E-Werk, als Dienstleister mit Kraft und Wissen. Und weil bei solchen Auftritten die Zuschauer immer Durst haben, gibt es demnächst auch das eigene Bier, das "Backstage" der Marke "Soundcheck", hergestellt von einer Schlüsselfelder Brauerei.

Und was machen die "Obacht!"-Chefs sonst beruflich? Der gelernte Industriemechaniker Holler durchläuft gerade eine Ausbildung zum Veranstaltungskaufmann. Sebastian Vieth macht eine Ausbildung zum Sozialpädagogen. Hä? Hier Rock’n’Roll und Slam-Poesie, dort Sozpäd? Sebastian Vieth sieht da keinen Widerspruch: "Eine Absicherung ist immer gut im Leben."

www.obacht-franken.de

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