Das Theater Erlangen zieht durch die Kneipen

20.3.2019, 18:30 Uhr
Das Theater Erlangen zieht durch die Kneipen

© Rainer Windhorst

Da hängen sie. Direkt über der Theke. Von einem Scheinwerfer angestrahlt und für alle gut zu sehen. Ein Paar Boxhandschuhe. Klar. Schließlich ist hier im Gleis 1 an der Westlichen Stadtmauerstraße das Theater Erlangen mit Texten aus "Der goldene Handschuh" von Heinz Strunk zu Gast. Kultur-Freunde wissen natürlich: In diesem Roman geht es um den Serienmörder Fritz Honka, der in der gleichnamigen, legendären Kiez-Kneipe seine Opfer kennenlernte. Gründer und Namensgeber dieser St-Pauli-Institution war eine Boxer-Legende, die in den 30er Jahren die inoffizielle Weltmeisterschaft der Amateur-Boxer gewonnen hatte – die "Goldenen Handschuhe".

Doch welch’ Überraschung: Das Paar im Gleis 1 wird nicht im Theater-Fundus verschwinden. "Die gehörten meinem Vater, der war Boxer und hat auch ein Box-Studio betrieben", berichtet Wirtin Andrea Paulus, die sichtlich ihren Spaß daran hat, dass sich ihre Kneipe in den Schauplatz für eine szenische Lesung verwandelt — und zudem nicht wenigen im Publikum zeigt, dass es immer noch kleine Kneipen in Erlangen gibt, in denen man sich auch ohne Bio-Prosecco und Latte Macchiato wohlfühlen kann. Selbst wenn in regelmäßigen Abständen der Dart-Automat Anlock-Töne von sich gibt.

Geboten wird aus der Reihe "Tresenlesen" ein Abend, den Enrique Fiß unter dem Motto "Schmiersuff auf St. Pauli" (szenische Einrichtung: Vanessa Ueberacher) mit Hamburger Zungenschlag wirklich hervorragend gestaltet. Serienmörder Honka wankt bei ihm durch ein absurdes Leben, das absurde Taten zur Konsequenz hat. Immer dabei: Eine Flasche Fanta und eine Flasche Korn, um das scheußliche Getränk "FaKo" zu mischen.

Hier gibt es alles rund ums Theater Erlangen

Wenn am Ende "Es fährt ein Zug nach nirgendwo" erklingt, geht es weiter zur nächsten Station. Im Gummi-Wörner-Keller wartet Martin Maecker mit "traumhaften Texten". Mixgetränke gibt es diesmal keine. Zum Glück. Nun gut, wenn man unbedingt möchte, kann man sich literaturunabhängig ein Gläschen an der Bar holen.

Maecker erwartet uns im Pyjama. Er philosophiert übers Wachsein, Schlafen und Träumen. Wir hören Kafka, Morgenstern und Freud. Wir erfahren, was es bedeutet, wenn uns Putzfrauen, Spucknäpfe oder Mondschaf heimsuchen. Ein launiger Abend. An Schlaf ist nicht zu denken.

Das Theater Erlangen zieht durch die Kneipen

Die Müdigkeit stellt sich erst in der Kulisse ein. Das liegt aber weniger an Ralph Jungs Lesung aus "Die Reise nach Petuschki" von Wenedikt Jerofejew. Vielmehr verführt ein Tresenlesen-Abend doch zu sehr zum Themen-Trinken. Diesmal also Wodka. Allemal besser als ein Glas "FaKo".

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