Der letzte Liebesdienst

14.10.2009, 00:00 Uhr
Der letzte Liebesdienst

© dpa/Jens Schierenbeck

Frau Kiesel, wie kamen Sie dazu, ehrenamtlich Menschen auf ihrem letzten Weg zu begleiten?

Gaby Kiesel: Meine Mutter starb vor drei Jahren. Sie hatte Alzheimer und in den letzten dreieinhalb Jahren ihres Lebens habe ich mich intensiv um sie gekümmert. Da habe ich gemerkt, dass ich einen Draht zu älteren Menschen habe. 2005 habe ich dann mein erstes Hospizseminar in Eckental mitgemacht. Damals habe ich noch gedacht, selbst wenn ich nach dem Kurs nicht mitarbeite, nehme ich doch auch wenigstens etwas für mein eigenes Leben mit. Doch ich bin dabei geblieben.

Wie viele Menschen haben Sie schon begleitet?

Gaby Kiesel: In vier Jahren waren es sechs Begleitungen. Allerdings in unterschiedlicher Intensität. Und nur einmal davon habe ich mich alleine um eine Person gekümmert. Das war allerdings meine schönste Begleitung. Normalerweise teilen wir uns die Aufgaben.

Helfen Sie mehr den Sterbenden oder den Angehörigen?

Gaby Kiesel: Beides. Wir wollen auch die Angehörigen entlasten. Die müssen auch mal durchatmen können. Und manchmal sind wir im Moment des Sterbens mit dem Betroffenen alleine, weil es die Familie nicht aushalten kann. Das ist aber auch in Ordnung. Dafür sind wir da.

Wie sieht die Hilfe für den Kranken oder altersschwachen Menschen aus?

Gaby Kiesel: Wir halten die Hand, lesen oder singen vor. Wenn es gewünscht wird, beten wir gemeinsam. Und wir sorgen dafür, dass der Sterbende würdevoll gehen kann, auch was das Aussehen betrifft.

Ist die Religionszugehörigkeit wichtig für Sie?

Gaby Kiesel: Überhaupt nicht. Ob und wenn ja, welcher Religion jemand angehört, spielt für uns keine Rolle. Wir missionieren nicht. Wir haben uns allerdings über die verschiedenen Religionen informiert, damit wir bei den entsprechenden Personen nichts falsch machen.

Wie erfahren Sie von diesen Fällen?

Gaby Kiesel: Entweder rufen die Angehörigen selbst an, und wir werden von Hausärzten oder Pflegediensten informiert. Dann sind wir zur Stelle.

Wenn der Mensch stirbt, wie nahe geht Ihnen das persönlich?

Gaby Kiesel: Ich gehe mit auf die Beerdigung. Dieses Abschied nehmen ist auch für mich wichtig. Wir können in der Hospizgruppe immer offen reden, haben regelmäßig Supervisionen und manchmal nehme ich auch den Hund meines Nachbarn und gehe einfach in den Wald.

Haben Sie durch ihre Arbeit noch Angst vor dem eigenen Tod?

Gaby Kiesel: Die hat wohl jeder. Aber ich bin mir sicher, dass danach noch etwas kommt. Ich wünsche mir nur, dass sich auch bei mir, wenn es so weit ist, jemand findet, der mich begleitet, damit ich den letzten Weg nicht alleine gehen muss.

Interview: MANUELA MEYER